Arca in ihrem Element: Ein Operationssaal kann auch kinky sein.

Frederik Heyman and Arca

Die venezolanische Künstlerin Arca ist die erste nonbinäre Transperson, die für einen Grammy nominiert wurde. Sie kann auf karrierefördernde Arbeiten für Björk, FKA Twigs oder Kanye West verweisen. Seit einigen Jahren irrlichtert Arca als Vorzeigemodell einer Avantgarde zwischen Mainstream und performativer Kunst für High-Brow-Festivals durch das Experiment hin zum Böllerpop von Künstlerinnen wie Sia, Lady Gaga oder diversen Spielarten des R 'n' B.

Mit 31 Jahren blickt die finanziell gut für die schönen Künste ausgestattete Tochter eines Investmentbankers auf einen umfangreichen Werkkatalog zurück. Er setzt vor allem auf visuelle Elemente.

Arca

Neben dem einstündigen, jedwede Form zwischen Kirchenlied, Klassik, Cumbia, R 'n' B und digitalem Endzeitkrach sprengenden Mix "@@@@@" startete Arca 2020 mit Gästen wie der vergleichbaren Künstlerin Sophie, der obligaten Björk und der hochgehandelten spanischen Flamenco-Innovatorin Rosalía mit "KiCK i" die Arbeit an ihrem Opus magnum. Dieses wurde nun gleich durch vier Folgeteile ergänzt und/oder zum Abschluss gebracht.

Der Dekonstruktivismus bildet auch in den neuen Kapiteln das Hauptcharakteristikum. "KiCK ii" und "KiCK iii" werden dabei rhythmisch stark von in Lateinamerika angesagten Stilen wie Reggaeton geprägt. Der Gestaltungswille wird allerdings mehr im optischen Effekt der Videos als in der Musik erkennbar.

Leder und Latex

"Prada/Rakata" zeigt Arca in ihrem Element. In einem Labor, das als Mischung aus guter alter Fetischstube und kinky Operationssaal gestaltet ist, hängen menschliche Körperteile herum. Die sollen zu transformativen Mischwesen zusammengenietet werden. Aus der Flosse von Arielle, der Meerjungfrau, wird schließlich eine metallische Waffe, der Robocop präsentiert auch gern Latexmode und Ledernegligé.

Arca

In Teil drei kommt schließlich chirurgisches Besteck zum Einsatz. Es entsteht das Kunstwesen "Electra Rex". Metallisch klirrt es aus dem Laptop. Die Sägen kreischen, die Synthesizer quietschen ebenso wie der spanische Gesang mit Autotune. Dahinter erinnern die vertrackten Stolperbeats entfernt an Clubmusik. Allerdings führt Arca als wesentlichen musikalischen Einfluss gern den britischen Elektronikpionier Aphex Twin an. Der brachte dem Techno in den 1990er-Jahren die Abendmatura näher.

Als Gäste im vierten Teil treten etwa Planningtorock ("Queer") oder Shirley Manson von Garbage im Sprechstück "Alien Inside" auf. Nach gut 40 Stücken ist man endgültig erschlagen. Songs im konventionellen Sinn erwartet man sich jetzt nicht mehr. Es geht in diesem schrillen und maßlosen Werk offenbar einzig um die Manifestation ständiger Überlastung. Der fünfte Teil klingt mit beinahe zarter Ambientmusik aus. Endlich Ruhe. Operation gelungen, Patient tot. Irgendjemand wird die Sauerei wegputzen müssen. Aber für so was hat man ja Personal. (Christian Schachinger, 21.12.2021)