In der Chaostheorie kann ein Schmetterling tausende Kilometer entfernt einen Wirbelsturm auslösen. Und auch in der Politik kann die Entscheidung eines einzelnen Provinzpolitikers weltweite Folgen haben. So etwa bei Joe Manchin, dem Senator des kleinen US-Bundesstaats West Virginia, der mit seinem Nein zu Joe Bidens Sozial- und Klimagesetz nicht nur dem Präsidenten einen schweren Schlag versetzt, sondern auch den globalen Kampf gegen die Klimakrise untergräbt.

Seit Monaten haben Biden und die Demokraten im Kongress versucht herauszufinden, welche Konzessionen sie Manchin machen müssen, damit er dem progressiven und ambitionierten "Build Back Better"-Paket zustimmen kann. Da die Demokraten im Senat nur eine hauchdünne Mehrheit haben, brauchen sie jede Stimme. Und Manchin, der im so Trump-freundlichen West Virginia alle sechs Jahre seinen Sitz verteidigen muss, hat weniger Spielraum als seine Parteifreunde. Dennoch schien es zuletzt so, als habe Biden ihn überzeugt. Seine plötzliche Ablehnung ist ein Schock.

Weil Senator Joe Manchin nicht dafür stimmen will, steht Bidens Sozial- und Klimagesetz womöglich vor dem Aus.
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Dem untersten Drittel der Bevölkerung würde das Paket viel bringen, und besonders dem armen West Virginia. Aber die größten Auswirkungen gäbe es für die Klimapolitik, die unter Biden eine vielversprechende Kehrtwende gemacht hat. Biden strebt eine globale Führungsrolle gegen die Klimakrise an und hat bereits viele Versäumnisse der Trump-Jahre korrigiert. Aber ohne ein starkes Gesetz, befürchten Experten, wird die größte Volkswirtschaft der Welt ihre Treibhausgasemissionen zu wenig reduzieren können. Und wenn die USA nicht vorangehen, dann droht auch der Klima-Ehrgeiz in China und bei anderen großen CO2-Emittenten nachzulassen.

Unklar ist, ob nur wahltaktisches Kalkül Manchin bewegt oder ob auch seine finanziellen Interessen in der lokalen Kohleindustrie eine Rolle spielen. Und vielleicht, so hoffen die Demokraten, ist die harte Haltung des Senators bloß ein Versuch, in weiteren Verhandlungen die ungeliebten Klimamaßnahmen weiter zu verwässern.

Das wäre zwar ein Verlust, aber besser als ein Scheitern des Gesetzes. Denn den Demokraten droht bei der Zwischenwahl im November 2022 der Verlust ihrer Kongressmehrheit. Danach wird sich in der US-Klimapolitik nicht mehr viel rühren. Das Zeitfenster für das Weltklima ist kurz, und den Schlüssel hat ein Mann in der Hand, dem viele nicht trauen. (Eric Frey, 20.12.2021)