Es war ein Impuls von wissenschaftlichen Laien, der den Stein ins Rollen brachte: Ein paar Hobby-Astronomen in Deutschland und Frankreich wühlten sich durch digitale Archive, um auf Objekte am Nachthimmel zu stoßen, die bisher noch unentdeckt geblieben sind. Fotoplatten aus den 1980er-Jahren lieferten ein wichtiges Indiz – und zwar das Fragment eines nicht näher bekannten galaktischen Nebels.

Die engagierten Laien wandten sich mit diesem Fund an Fachleute, die unter anderem am Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck forschen. Nun begann der nächste Teil des großen Vergleichens, anhand von Daten, die in den vergangenen 20 Jahren von mehreren Teleskopen und vier Satelliten gesammelt und durch Spektrographen ergänzt wurden.

Ein Weißer Zwerg und sein naher Begleiter

So wurde zunächst festgestellt, worum es sich bei diesem Nebel nicht handelt. Einen Planetarischen Nebel etwa, der sich bildet, wenn Sterne sterben. Mit dem allmählichen Ableben von Sternen hat das Objekt jedoch sehr wohl zu tun. Die Experten erstellten ein Modell, das zeigt: Im Zentrum der Entdeckung steht ein Doppelsternsystem. Dazu gehört ein 66.500 Grad heißer Weißer Zwergstern und ein normaler Begleitstern, dessen Masse etwas geringer ist als die unserer Sonne und der nur 4.700 Grad heiß ist. Lediglich 2,2 Sonnenradien trennen die Sterne voneinander, entsprechend schnell umkreisen sie sich (in acht Stunden).

Für diese Aufnahme des Nebels wurden 120 Einzelbilder zusammengesetzt, die über mehrere Monate hinweg aufgenommen wurden. Es kommt auf eine gesamte Belichtungszeit von 20 Stunden und wurde vom brasilianischen Himmelsbeobachter Maicon Germiniani aufgenommen.
Foto: Maicon Germiniani

Das wirklich Neue an der Entdeckung, die das Team im Fachjournal "Astronomy & Astrophysics" beschreibt: Erstmals konnte in einem solchen Doppelsternsystem die Phase einer voll entwickelten gemeinsamen Hülle nachgewiesen werden – in der Fachsprache die Hülle eines "Common-Envelope-Systems" (CE).

Was kann man sich als Laie, der sich in seiner Freizeit selten astronomischen Themen widmet, darunter vorstellen? "Gegen Ende ihres Lebens blähen normale Sterne sich zu roten Riesensternen auf. Da ein sehr großer Anteil von Sternen in Doppelsternen steht, beeinflusst dies die Entwicklung am Ende ihres Lebens", sagt Stefan Kimeswenger von der Uni Innsbruck. Bei engen Doppelsternsystemen ist es so, dass der äußere Teil eines Sterns, der sich aufbläht, eine gemeinsame Hülle um beide Sterne bildet. "Im Inneren dieser Hülle verhalten sich die Kerngebiete der beiden Gestirne aber praktisch ungestört und verfolgen ihre Entwicklung, als wären sie unabhängig voneinander."

Voll entwickelte Hülle

Die beiden Sterne sind einander so nah, dass der kältere Begleitstern durch den Weißen Zwerg an der ihm zugewandten Seite erhitzt wird. Dies lässt sich beobachten durch regelmäßige Schwankungen in der Helligkeit und ein extremes Spektrum. Die Sterne sind umhüllt von geraumen Mengen an Material, das der Weiße Zwergstern vor ungefähr 500.000 Jahren ausgeworfen hat: Es ist schwerer als die beiden Sterne.

Sternsysteme, die eine solche gemeinsame Hülle entwickeln, wurden in der Vergangenheit schon entdeckt, sie sind besonders hell. Eine voll entwickelte gemeinsame Hülle – und ihre Abstoßung in den interstellaren Raum – sind aber neu für die Fachwelt.

Diese galaktischen Nebel liefern bedeutsame Informationen, um vor allem die Endphase der Entwicklung von Sternen zu begreifen, sagt Astrophysiker Kimeswenger: "Darüber hinaus helfen sie uns, zu verstehen, wie sie den Raum mit schweren Elementen anreichern, die dann wiederum für die Entwicklung von Planetensystemen, wie auch unserem eigenen, wichtig sind."

Immense Ausmaße, kurze Lebensdauer

Dass diese galaktischen Nebel erst jetzt aufgespürt wurden, zeigt, dass das kein sonderlich leichtes Unterfangen ist. "Für moderne Teleskope sind sie zu groß und gleichzeitig sind sie sehr leuchtschwach", sagt Kimeswenger. Messungen mit Teleskopen in Chile zeigten: Der Durchmesser der Hauptwolke beträgt 15,6 Lichtjahre. Das ist knapp eine Million Male größer als der Abstand zwischen Erde und Sonne, und wesentlich größer als die Distanz von der Sonne zum nächsten Nachbarstern Proxima Centauri, der 4,2 Lichtjahre entfernt ist.

Manche Fragmente des Nebels haben sogar eine Ausdehnung von 39 Lichtjahren, sagt der Experte: "Da das Objekt etwas über der Milchstraße liegt, konnte der Nebel sich weitestgehend ungestört von anderen Wolken im umliegenden Gas entwickeln." Neben der schieren Größe sei aber auch die verhältnismäßig kurze Lebensdauer ausschlaggebend dafür gewesen, dass ein solches Objekt nicht schon früher gefunden wurde: Sie bestehen lediglich für ein paar hunderttausend Jahre – in der Kosmologie kann man damit nicht alt werden.

Womöglich hängt das "YY Hya" genannte System aber mit einer alten Beschreibung einer Nova, also eines Helligkeitsausbruchs in einem solchen engen Doppelsternsystem, zusammen: Im Jahr 1086 beobachteten Astronomen in Korea und China eine Nova, und die Positionen dieser Beobachtungen gelten der gleichen Richtung wie die sich eng umtanzenden Sterne mit der gigantischen Hülle. (sic, 21.12.2021)