Angesichts der bevorstehenden Omikron-Welle kritisiert der Genetiker Ulrich Elling den Umgang mit Corona-Mutationen in Österreich.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien – Beim Testen gehört Österreich zu den Spitzenreitern, nicht aber beim Umgang mit Corona-Varianten und deren Sequenzierung. Diese erfolge hierzulande viel zu langsam und nur im Rückblick, kritisierte der Genetiker Ulrich Elling am Dienstag im Ö1-"Morgenjournal". Die vorliegenden Informationen seien "weit zu lückenhaft, um einschätzen zu können, wie hoch die Dunkelziffer in Wien ist. Für viele andere Regionen wissen wir einfach nur, dass wir nichts wissen", sagte er.

"15 importierte Fälle" aus Großbritannien täglich

Allein über das Wochenende sind in Salzburg und Innsbruck dutzende Flugzeuge mit Touristen aus Großbritannien gelandet, wo die ansteckendere Omikron-Variante schon dominant ist. London hat bereits den Katastrophenfall ausgerufen. Einen negativen PCR-Test müssen die Urlauber erst seit Montag vorweisen. Elling schätzt, dass bereits rund 5.000 Personen aus Großbritannien eingereist sind. Pro Tag würden somit "15 Fälle importiert", die dann direkt in die Skigebiete weiterreisen.

In Dänemark beispielsweise werde jede positive Corona-Probe innerhalb weniger Tage sequenziert, sagte Elling. Das Team des Wissenschafters und jenes von Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Akademie der Wissenschaften führen hierzulande Sequenzierungen durch. Sie bekommen aber nur sporadisch Proben, zudem sind diese "typischerweise mehrere Wochen alt", kritisiert der Forscher vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Akademie der Wissenschaften.

Keine Virusvarianten-Vortests in mehreren Bundesländern

"Wir blicken in den Rückspiegel, und zwar ziemlich weit zurück, während wir Vollgas vorausfahren", konstatierte Elling. Außerdem gibt es mehrere Bundesländer, die überhaupt keine Virusvarianten-Vortests durchführen. Einmal mehr ist Wien hier Vorreiter. Dort werden alle positiven PCR-Proben auf Virusvarianten vorgetestet, berichtete ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). In Wien wurden somit auch die bisher meisten Omikron-Fälle bestätigt – 193 der 297 Nachweise der neuen Variante gab es dort bis Sonntag.

Elling erhofft sich jedenfalls von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages), dass es möglichst rasch ein "strukturiertes Logistiksystem für Stichprobensequenzierungen" gibt. Außerdem müssten die Wissenschafter die Daten verschränken können, um die Situation einschätzen zu können. Dazu gehört die Verbindung positiver Fälle mit Alter, Impfstatus und Informationen über die Schwere des Verlaufs.

Laut Ages haben mehrere Bundesländer – 666 Tage nach den ersten positiven Fällen in Österreich – angekündigt, mit Virusvarianten-Vortests zu beginnen. Dafür seien aber spezielle Testkits und Reagenzien erforderlich, somit werde es noch einige Zeit dauern, bis das anlaufen werde. Elling rechnet jedenfalls damit, dass bereits ab dem Jahreswechsel die Verbreitung von Omikron und damit die Corona-Neuinfektionszahlen sprunghaft ansteigen werden. (APA, 21.12.2021)