Mensur "The Gentle" Suljovic.

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Wien – Mensur Suljovic ist ein klassischer Wiener. Zwar nicht grantig, aber sehr oft am Hadern, am Zaudern und am Teufel-an-die-Wand-Malen. Am Donnerstag absolviert Suljovic nach einem Freilos seinen ersten Auftritt bei der Darts-WM im berühmten Londoner Ally Pally (offiziell Alexandra Palace), und der 49-Jährige wirkt vor dem Duell mit dem Schotten Alan Soutar nicht wirklich zuversichtlich. "Bei der WM läuft's nie so richtig, das ist nicht mein Turnier. Dort krieg ich immer Panik, ich erwarte mir nicht viel."

Mag sein, da ist auch ein bisserl Tiefstapeln dabei. Schließlich gehört Suljovic, der bei zwölf WM-Gelegenheiten dreimal das Achtelfinale schmückte, immer noch zu den besten Darts-Spielern der Welt. In der "Order of Merit" liegt er an 26. Stelle, 192.000 britische Pfund hat er in den letzten zwei Jahren verdient, keine schlechte Ausbeute, allerdings schnitt er in den Jahren davor teils noch deutlich besser ab. 2017 war Suljovic die Nummer sechs der Welt, da hatte er sein erstes großes TV-Turnier gewonnen, die "Champions League of Darts" in Cardiff.

Ein klassischer Österreicher ist der klassische Wiener Mensur Suljovic nicht. Er spielt zwar seit Jahren für Österreich, wartet aber immer noch auf die österreichische Staatsbürgerschaft. Das ist auch seine eigene Schuld, gibt Suljovic zu. "Auch. Aber nicht nur." Zweimal, nämlich 2014 und 2021, hat die MA 35 seinen Antrag auf Einbürgerung abgelehnt, ihm den "Laufpass" gegeben, wie der "Kurier" schrieb, der das Thema kürzlich aufgebracht hat. Es ist allerdings, wie der STANDARD nun in Erfahrung brachte, nicht auszuschließen, dass ein dritter Antrag positiv für Suljovic ausgehen könnte.

Klassischer Wiener

Bereits verdiente, manchmal auch bloß vielversprechende Sportlerinnen und Sportler – wie übrigens auch Künstlerinnen und Künstler – nach Paragraf 10 Absatz 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes einzubürgern hat durchaus Tradition in Österreich. Im Sport ist es nicht selten so, dass ein zuständiger Fachverband sich mit diesem Ansinnen an die zuständige Behörde wendet, in Suljovics Fall wäre das die MA 35. Dass dies bis dato nicht geschehen ist, mag auch daran liegen, dass Darts in Österreich erst seit Mitte 2020 als offizielle Sportart anerkannt ist, da wurde der Österreichische Darts-Verband (ÖDV) als Mitglied in die Bundessportorganisation Sport Austria aufgenommen. Dazu kommt, dass Suljovic ein, wie schon gesagt, klassischer Wiener ist, soll heißen: einigermaßen schlampig ja auch.

Sollte sich der ÖDV nun bei der MA 35 für seinen Star Suljovic starkmachen, so würde sich die MA 35 ans Innenministerium wenden – mit der Frage, wie es denn tatsächlich um dessen Verdienste oder Aussichten bestellt sei. Das Innenministerium könnte dann beim Sportministerium nachfragen, das wäre der übliche Ablauf. Sportminister Werner Kogler (Grüne) ist die Causa Suljovic bekannt, aus seiner Umgebung kommen prinzipiell positive Signale. "Wir werden uns den Fall anschauen", heißt es da. Dass sich Suljovic um Österreich durchaus schon verdient gemacht hat, ließe sich gut argumentieren. Das könnte bedeuten, dass sich das Sportministerium für Suljovic verwendet, wenn das Innenministerium anfragt, bei dem die MA 35 angefragt hat. Mag sein, Suljovic hätte, auch ohne Verband im Rücken, auf diese Idee selbst schon früher kommen können.

1993 übersiedelte der in der serbischen Kleinstadt Tutin geborene Suljovic nach Wien, wo schon sein älterer Bruder lebte und wohin ihn die Mutter lieber ziehen ließ als in den Krieg. Im Café des Bruders begann er Darts zu spielen, später führte er ein eigenes Lokal. "The Gentle", so nennt man ihn bei den Darts-Turnieren, und so nannte er auch sein Lokal. 2014 stellte er seinen ersten Antrag auf Einbürgerung. Der wurde abgelehnt, weil er im Gentle eine Studentin kellnerieren ließ, die er zwar bei der Krankenkassa angemeldet hatte, der aber die Arbeitserlaubnis vom AMS fehlte. Härter als die Strafe für die Verwaltungsübertretung traf ihn, dass er deshalb fünf Jahre für die Staatsbürgerschaft gesperrt war.

Nächster Antrag

Vor einem Jahr stellte Suljovic den nächsten Antrag, gleich auch für seine Frau, die ebenfalls aus Serbien stammt, und für seinen damals 13-jährigen Sohn. "Ich hab extra nachgefragt, ob ich wirklich alle Unterlagen eingereicht habe. Alles super, haben sie gesagt." Nach Monaten, sagt Suljovic, sei er aufgefordert worden, Unterlagen nachzureichen, auch das habe er getan. "Und dann ist per E-Mail die Nachricht gekommen, dass der Antrag wieder abgelehnt ist, für die ganze Familie." Diesmal laute die Begründung, sagt Suljovic, dass er respektive sein Steuerberater eine Steuererklärung zu spät abgegeben habe. "Aber ich habe längst alles nachgezahlt." Auf 180 ist er deshalb nicht, frustriert aber sehr wohl.

In der Zwischenzeit haben seine Frau und sein nun schon 14-jähriger Sohn gesonderte Anträge gestellt. Ihrer Einbürgerung sollte nichts mehr im Wege stehen. Er selbst hofft, dass auch seine Causa sich doch noch zum Guten wendet, und würde sich gegebenenfalls auch gerne im Sportministerium vorstellen. Vorerst aber konzentriert sich der klassische Wiener Mensur Suljovic auf die WM, bei der er immer Panik kriegt. (Fritz Neumann, 21.12.2021)