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Gekonnt abgefilmtes Theater: Frances McDormand in "Macbeth".

Foto: AP

Die Coen Brothers haben Europas Filmfestivals in den 1990er-Jahren erobert. Ihr Rezept ist die kluge Tragikomödie mit einer Untiefe an Verweisen, und es funktioniert noch immer einwandfrei: Stars wie Publikum werden seit nunmehr 35 Jahren von den Filmen Joel und Ethan Coens umgarnt.

Jetzt hat Joel Coen, Ehemann der Schauspielerin Frances McDormand, die Familienbande gekappt und ein Soloprojekt vorgelegt, das ambitionierter nicht sein könnte: eine Shakespeare-Filmadaption. The Tragedy of Macbeth, die Geschichte des schottischen Heerführers, der sich ob einer Weissagung und einer ambitionierten Gattin auf den Königsthron mordet. Der Stoff hat bereits einige Filmemacher inspiriert: Akira Kurosawas Schloss im Spinnwebwald, Roman Polanskis sehr dunkle Adaption von 1971, deren Atmosphäre sich nicht von den Manson-Morden lösen lässt, und erst kürzlich Justin Kurzels historisch-realistischer Wurf mit Michael Fassbender und Marion Cotillard.

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Damit darf man sich fragen: Was macht Coens Verfilmung anders? Vieles. Das Offensichtliche: Um Realismus geht es nicht. Coens Macbeth ist schlichtweg abgefilmtes Theater – aber gekonnt abgefilmt mit Sinn für Tiefenschärfe, Einstellungen und Formen. Kameraarbeit und Bühnenbild machen den Dialogen Konkurrenz. So ein geschliffenes Schwarz-Weiß, so glatte Oberflächen und dunkle Schatten gab es im Kino lange nicht mehr. Das erinnert an modernistisches Theater um 1950 oder an Laurence Oliviers Hamlet- und Orson Welles’ Macbeth-Verfilmungen von 1948.

Das "Noir" ist hier ungleich transparenter, ja Apple-TV-mäßig hochdefiniert, doch statt der Weite der schottischen Schlachtfelder sieht man die Innenräume geometrischer Bühnenbauten, durch deren Gemächer die divers besetzten Protagonisten gleiten.

Denzel Washington spielt Macbeth mit einem Swag im Tonfall, der sein Amerikanischsein nicht erstickt. Ebenso wenig bemüht sich Frances McDormand als Lady Macbeth um Sprachtreue, was der Melodie des – leicht eingedampften – Textes keinen Abbruch tut. Die Schauspieler verkörpern Shakespeares Figuren, sie sind sie nicht.

Distanz als ästhetischer Gewinn

Diese Distanz und die diverse Besetzung sind ein Gewinn, dadurch werden Faktoren wie Physiognomien oder Alter hervorgehoben. Besonders ins Auge sticht Kathryn Hunter, die mal Hexe, mal Rabenvogel, mal Greis, mal Prophet ist. Überhaupt ist das Alter, meint Coen, der selbst auf die 70 zugeht, in seiner Macbeth-Tragödie der zentrale Punkt: Er wollte ein kinderloses Paar zeigen, deren Machttrieb in einer Welt, in der Macht auf Nachkommenschaft aufgebaut ist, zwangsweise ins Leere läuft. Ab Samstag, 25. 12.

(Valerie Dirk, 22.12.2021)