Die zunehmende Bodenversiegelung ist zu einem der wichtigsten Umweltthemen geworden – in Österreich wie weltweit. Das Bauen auf der grünen Wiese verkleinert zusammenhängende Grünlandgebiete, begünstigt Überflutungen und trägt zur Verringerung der Artenvielfalt bei. Zwar ist in diversen Verwaltungsdatenbanken und geografischen Informationssystemen die Bodennutzung gut dokumentiert. Allerdings gibt es noch kein ausgereiftes System, das den Istzustand schnell und genau kontrollieren lässt.

Schwierige Beobachtung von oben

In Satellitenbildern ist diese Information zwar verborgen. Die Schwierigkeit ist aber die fehlerfreie automatische Auswertung der Daten. Ein Monitoringsystem, das die Bodenversiegelung via Satellitendaten verfolgt, ist eines der Projekte, an dem der Geoinformatiker Thomas Blaschke von der Universität Salzburg mit seinem Team arbeitet. Die Wissenschafter nutzen frei verfügbare Daten von Copernicus-Umweltbeobachtungssatelliten der Europäischen Raumfahrtagentur Esa, um sie mit Machine-Learning-Methoden zu kombinieren.

Auf diese Weise können einzelne Objekte abgegrenzt werden, um sie im Vergleich zu früheren Aufnahmen als neue Baumaßnahme zu identifizieren. "Wir entwickeln das System für das Land Salzburg. Die Technologie ist auch für Regionen interessant, in denen sich die Landschaft schneller verändert – etwa in Afrika oder Südostasien", sagt der Geoinformatiker, der wissenschaftlicher Beirat der Esa ist. Zum Etat der Esa trägt auch das österreichische Klimaministerium bei.

Satellitendaten aus dem Copernicus-Programm der Esa sind für die Salzburger Geoinformatiker eine wichtige Datenquelle. Im Bild: der Ausbruch eines Vulkans auf La Palma.
Foto: EPA/Esa

Starker Impact

Die Entwicklung der Techniken, die dieser – und mittlerweile vieler weiterer – Anwendungen zugrunde liegen, machte Blaschke zu einem der meistzitierten Wissenschafter weltweit. Das attestierte ihm zuletzt das Institute for Scientific Information (ISI), das auf Basis der Publikationen aus den Jahren 2010 bis 2020 jene "Highly Cited Researchers" identifizierte, die in dieser Hinsicht im obersten Prozent ihres Wissenschaftsgebiets liegen.

"Die vielen Zitierungen entstanden durch methodische Arbeiten, die bestehende Ansätze zusammenführten. Zuvor analysierte man ein Satellitenbild, indem man es Pixel für Pixel betrachtete, um räumliche Information abzuleiten", erklärt Blaschke. "Ich konnte mit meinen Kolleginnen und Kollegen in grundlegenden Publikationen beschreiben, wie man diese räumliche Information mit vorklassifizierten Objekten zusammenführen kann." In dieser objektbasierten Bildanalyse, die der Salzburger Wissenschafter mitbegründete, sind Strukturen auch durch ihren unmittelbaren Kontext erkennbar – eines der einfachsten Beispiele wäre eine Insel inmitten einer Wasserfläche.

Maschinelles Lernen

Ergänzend dazu werden heute Machine-Learning-Methoden verwendet, um bestimmte Muster in Satellitendaten zu identifizieren. "Die künstliche Intelligenz ist etwa hilfreich, um Objekte zu erkennen, die in Kombination mit bestimmten anderen Objekten auftreten", sagt Blaschke. "Wenn beispielsweise Wasser in linearen und flächigen Strukturen gemeinsam auftritt, lässt sich damit eine Flusslandschaft mit Teichen identifizieren."

Angesichts der Vielfalt von Landschaftsformen ist der Einsatz derartiger Techniken in der Geoinformatik allerdings viel schwieriger als beispielsweise in der bereits sehr etablierten Gesichtserkennung. "Es kann keine vollständige Datenbank aller Landschaften geben, die vielleicht jede Spielart eines Auenökosystems oder von Nadelwaldvarianten beinhaltet", erklärt Blaschke.

Unüberwachte AI

Ein aktueller Trend in der Geoinformatik ist der Einsatz von Unsupervised AI, also einer "unüberwachten" künstlichen Intelligenz. Hier lernt das System, selbstständig Muster und Zusammenhänge in den Daten explorativ zu erkennen. "Der Algorithmus wird mit Eingabedaten gefüttert, ohne dass dabei ein Ziel – eine bestimmte Art von Mustern, nach dem er suchen soll – vorgegeben wird", erklärt Blaschke. "Ein Anwendungsgebiet ist das Clustering – etwa wenn man auf Basis von Scannerkassendaten die Kundensegmente eines Supermarkts besser verstehen möchte. Die Frage ist: Kann ich so ein System dazu bringen, beispielsweise auch Waldtypen zu unterscheiden? Hier macht die KI derzeit rasante Fortschritte."

Buschfeuer in Australien – auch Schäden durch Naturkatastrophen können mit den Systemen aus der Ferne beurteilt werden.
Foto: EPA/ESA

Die Anwendungsbereiche der automatisierten Auswertung von Satellitendaten mittels AI sind vielfältig. Eine Spielart, die etwa Blaschkes Kollege Stefan Lang am Department für Geoinformatik der Universität Salzburg vertieft, ist der Einsatz dieser Technologien im Dienste der humanitären Hilfe. In hochauflösenden Satellitenbildern kann beispielsweise automatisch die Zahl der Zelte eines Flüchtlingscamps erkannt werden, um auf die Bevölkerungszahl rückzuschließen.

Schadensabschätzungen nach Naturkatastrophen

Die Verfügbarkeit und Nutzung von Wasser oder Feuerholz in der Umgebung ist hier genauso ein Thema wie Analysen zur Logistik oder zur Planung von Versorgungsinfrastrukturen. Auch Schadensabschätzungen nach Naturkatastrophen gehören zu den Aufgaben. Bereits 2015 ist das Universitäts-Spin-off Spatial Services entstanden, das unter anderem in diesem Bereich tätig ist. Auch Blaschke ist einer der Mitgründer.

Bei vielen der Geoinformatikanwendungen liegt die große Herausforderung darin, die Wahrscheinlichkeit falscher Treffer zu minimieren. Das ist auch beim Bodenversiegelungsprojekt so. "Besonders temporäre Ereignisse machen Probleme", sagt Blaschke. "Wenn nach einem Hochwasser Bagger und Lastwagen Schotter abtransportieren, kann das zu einer fehlerhaften Erkennung führen."

Andere, dauerhafte Strukturen können im Abgleich mit geografischen Informationssystemen – in Salzburg heißt das System des Landes etwa SAGIS – zugeordnet werden. "Eine Kiesgrube sieht frischem Bauland sehr ähnlich. Durch entsprechende Plausibilitätschecks kann aber eine Verwechslung verhindert werden." (Alois Pumhösel, 8.1.2022)