Der Verlag Primary Wave hat den Katalog und die Rechte an den Songs von James Brown erstanden. Ein 15 Jahre währender Erbstreit ist damit weitgehend beigelegt.

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Eine Statue von James Brown stehe zwar pflichtschuldig herum, ein Gefühl für den Mann lasse seine Heimatstadt Augusta im US-Bundesstaat Georgia aber nicht erkennen. So resümiert James McBride bereits zu Beginn seiner Biografie Black and Proud, die mit "Auf der Suche nach James Brown und der Seele Amerikas" untertitelt ist.

McBride ist ein US-amerikanischer Autor, Journalist und Drehbuchautor. Sein autobiografischer Roman Die Farbe von Wasser war ein internationaler Bestseller und wird seit seinem Erscheinen 1995 in US-Schulen gelehrt. Das Buch erzählt von McBrides Kindheit als Sohn eines schwarzen Vaters und einer weißen jüdischen Mutter und gilt als moderner Klassiker afroamerikanischer Literatur. Ein anderes Werk von ihm, Das Wunder von St. Anna, wurde von Spike Lee verfilmt.

Knapp 50 Klagen und Gegenklagen

James Brown starb am 25. Dezember 2006. Rund um den zehnten Todestag Browns machte sich McBride auf die Suche nach dem Erbe des Godfather of Soul. Denn dieses schien mit dessen Ableben verschwunden zu sein. Was er entdeckte, erschien ihm tragisch.

Dem letzten Willen des US-Entertainers war bis dahin überhaupt nicht entsprochen worden. Stattdessen waren fast 50 Verfahren unter den Erben gerichtsanhängig. Warum? Browns letzte Frau, mit der er einen Sohn hatte, war von Browns Testament nicht als Erbin bedacht worden, ebenso wenig ihr gemeinsames Kind. McBrides Spurensuche förderte zutage, dass zehn Jahre lang nur Anwälte am Erbe verdient hatten, nicht die weniger privilegierten Kids, für die Brown einen Gutteil seines Erbes verwendet sehen wollte. Das sollte sich nun, 15 Jahre nach seinem Tod, endlich ändern.

Wende zum Guten

Grund dafür ist jedoch kein kulturgeschichtliches Umdenken in der Haltung zu James Brown, wie McBride es sich gewünscht hätte. Er beklagt in seinem 2016 auch auf Deutsch erschienenen Buch, dass das Erbe keines weißen Künstlers von derartiger Wirkmacht dermaßen lieblos behandelt worden wäre, wie es bei Brown der Fall war. Eine Wendung zum Guten, hin zur Erfüllung von Browns Vision soll der Verkauf seines umfangreichen Katalogs und seiner Rechte bringen.

Der Verlag und Rechteverwerter Primary Wave Music hat diesen um kolportierte 90 Millionen Dollar erstanden. Das entspricht den höchsten Schätzungen von Browns Erben kurz nach seinem Tod, Anwälte mit unterstellten Eigeninteressen hatten den Wert seines Nachlasses damals mit gerade einmal fünf Millionen Dollar beziffert. Damit profitieren das Erbe und die Erben nun von einem Trend.

550 Millionen für den Boss

Sich die Rechte an den Werken populärer Stars zu sichern wird seitens der Musikindustrie als langfristige Anlage in einem unsicheren Geschäft erachtet. Erst letzte Woche wurde bekannt, dass Bruce Springsteen die Rechte an seinen sämtlichen Songs um kolportierte 550 Million Dollar an Sony Music verkauft hat. Das war die bislang höchste Summe. In den vergangenen Jahren hatten Stars wie Tina Turner, Paul Simon, Bob Dylan, Neil Young oder die Erben von Whitney Houston ihre Kataloge und Rechte teilweise oder gänzlich an Musikverlage abgetreten.

Komplizierte Verhandlungen

Im Falle von James Brown soll vier Jahre lang mit Erbansprüche erhebenden Verwandten verhandelt worden sein. Der bei Primary Wave federführende Mann, Larry Mestel, sprach in der New York Times von einem komplizierten Prozess.

Doch der hat nun einen Ausgang gefunden, der selbst Browns Enkelkinder noch mit Millionenbeträgen ausstattet, die für ihre Ausbildung gedacht sind. Andere Beträge werden erst ausbezahlt, wenn noch anhängige und über die Gerichte ausgetragene Forderungen geklärt oder zurückgezogen werden. Das soll die festgefahrene Situation lösen helfen. Und ein Gutteil des Geldes soll bedürftigen Kindern zukommen, so wie Brown selbst eines war.

Auch das ideelle Erbe Browns sollte von dem Deal profitieren. Primary Wave muss daran gelegen sein, Browns Andenken gut zu pflegen, um entsprechende Dividenden zu lukrieren. Die Pläne reichen von der Umwandlung seines Anwesens in South Carolina in ein Museum bis zur Verwertung in Fernsehserien, Musicals am Broadway oder Hologramm-Touren – sowie der Wiederauflage seines gut 60 Alben umfassenden Katalogs in diversen Formaten.

Kann man mögen, muss man aber nicht. Doch all das ehrt das Erbe dieses Jahrhundertkünstlers eher, als wenn es für Gerichts- und Anwaltskosten draufginge. (Karl Fluch, 22.12.2022)