Inhalte des ballesterer (http://ballesterer.at) #166 (Jänner 2022) – Seit 17. Dezember im Zeitschriftenhandel und digital im Austria-Kiosk (https://www.kiosk.at/ballesterer)

SCHWERPUNKT: LA LIGA

NACH DEM FEST

Die spanische Liga befindet sich in der Krise

KLEINE REGION, GROSSER KICK

Eine Tour zu den baskischen Erstligisten

VON HOLLAUS BIS ALABA UND DEMIR

Österreicher in Spanien

Außerdem im neuen ballesterer

KEINE TAGE DES RUHMS

Fananwalt Barthelemy über die Ausschreitungen in Frankreich

FRAUEN FÜR RAPID

Clara Gallistl in der Mixed Zone

APOKALYPTISCHE ZEITEN

Fußball im KZ Mauthausen

BLOCKADE UND BOYKOTT

Das Konfliktmanagement Katars

GENERALPROBE

Beim Arab Cup ist alles groß und bunt

DER "BURLI" UND SEIN BUB

Ein Gespräch mit Anton Herzog

UNS UWE, EUER UWE

Zum 85. Geburtstag von Uwe Seeler

ZURÜCK ZUR BASIS

Der Mattersburger SV 2020 fängt unten an

KICKEN WO ANDERE URLAUB MACHEN

Impressionen vom East Mallorca Girls Cup

BESUCH BEI DER ALTEN DAME

Ein Anstoß zu Hausdurchsuchungen in Italien

GROUNDHOPPING

Matchberichte aus Deutschland, Italien und Tschechien

Foto: APA/AP/Saiz

"Ich war immer ein großer Fan von spanischem Fußball", sagt Andreas Ivanschitz und belegt das im Gespräch über seine Jahre in der Primera Divsion. Von 2013 bis 2015, während der großen Zeit der Liga, spielte er bei UD Levante. Die Zeit in Spanien war für den Mittelfeldspieler jedoch mehr als Duelle gegen Xavi und Ronaldo. Ihm sei es bei seinen Auslandsengagements immer darum gegangen, auch die Sprache und Kultur des Landes kennenzulernen, sagt er: "Spanien war dabei für mich das Spannendste."

ballesterer: Wissen Sie noch, was eine Horchata ist?

Ivanschitz: Sicher. Das ist diese Mandelmilch, da gibt man ein süßes Gebäck hinein, die Fartons.

ballesterer: Als Nächstes kommt die Frage nach der Paella, Valencia ist ja das Paella-Mekka.

Ivanschitz: In Spanien, also zumindest im Raum Valencia, kommt man um die Paella nicht herum. Egal ob bei Geburtstagsfeiern, Festen oder in Restaurants. Wir haben die verschiedensten Variationen gekostet. Von der Paella Valenciana mit Schnecken und Kaninchen bis zur schwarzen Paella mit Tintenfisch. Das war schon großartig.

Andreas Ivanschitz zeigt Ballkontrolle bei UD Levante.
Foto: APA/EPA/FOERSTERLING

ballesterer: Was haben Sie vor Ihrem Wechsel über Levante gewusst?

Ivanschitz: Den Namen habe ich gekannt, aber so richtig auf meiner Landkarte war der Klub nicht. Du kennst den FC Valencia und die anderen großen Vereine, aber Levante? Dann habe ich mich intensiver damit beschäftigt. Für mich war nach den Gesprächen und nach dem ersten Besuch rasch klar, dass Valencia eine tolle Stadt ist und dass es auch für die Familie passt. Spanien war schon immer ein Traum von mir.

ballesterer: Sie sind 2013 zu Levante gestoßen. Ihr Trainer war damals Joaquin Caparros, der davor mit Sevilla und Bilbao und jetzt als Teamchef von Armenien Erfolge gefeiert hat.

Ivanschitz: Wir haben eine gut zusammengemischte Truppe gehabt – und einen Startrainer. Wir waren dafür bekannt, ein bisschen untypisch für Spanien zu spielen. Caparros hat uns als Mannschaft gesehen, wir waren sehr kompakt, haben gemeinsam verteidigt und waren aggressiv. Und hinten hat Keylor Navas viele Dinger rausgezogen. Ich erinnere mich an ein Spiel zu Hause gegen Barcelona, bei dem er gefühlt sieben Hundertprozentige entschärft hat. Dann sind wir nach einem Eckball von mir in Führung gegangen, aber Barcelona hat durch einen Standard ausgeglichen.

ballesterer: Was für eine Art Klub ist Levante?

Ivanschitz: Präsident Quico Catalan ist ein extrem smarter Typ. Wenn man sieht, was allein in der Zeit seit meinem Abschied, also in den letzten sechs Jahren, alles geschafft wurde: Sie haben das Stadion saniert und ein neues Trainingszentrum geplant. Levante lässt sich vom großen FC Valencia nicht einschüchtern, sondern hat stark aufgeholt. Trotzdem lebt der Klub weiterhin das Familiäre. Aktuell kämpfen sie ja gegen den Abstieg, das tut mir ein bisschen weh. Spanien hat eine starke Liga, dort ist es extrem schwierig. Es ist in der deutschen Bundesliga auch schwierig, aber anders schwierig, weil in der Primera Division auch die spielerische Komponente sehr stark ist.

ballesterer: War der spanische Fußball so, wie Sie sich ihn vorgestellt haben?

Ivanschitz: Definitiv. Caparros hat gewusst, dass wir kompakt und aggressiv sein müssen, wenn wir nicht in Ballbesitz sind. Aber natürlich haben wir auch mit dem Ball einen Plan gehabt – so wie alle Teams in Spanien. Alle versuchen, Fußball zu spielen. Was mich überrascht hat, war das Tempo. Ich habe mir auch ein paar ruhigere Phasen erwartet, aber teilweise ist es rauf und runter gegangen. Auch diese Physis, die Laufkapazität und die Bereitschaft, gegen den Ball zu arbeiten, hat mich ein bisschen überrascht. Aber es ist nun einmal eine der besten Ligen der Welt.

ballesterer: Hierzulande gibt es ja die Vorurteile, dass man sich in Spanien schnell fallen lässt, auf Zeit spielt, ewig mit dem Schiedsrichter diskutiert.

Ivanschitz: Das habe ich gar nicht so empfunden. Egal ob in den Spielen oder beim Training: Es war alles höchst professionell, intensiv, das Niveau war hoch. Ich glaube auch, dass die Schiedsrichter das Schauspielern gar nicht mehr zulassen. Wenn du ein bisschen lamentiert hast, ist dir gleich klar gesagt worden: "Hör auf mit dem Blödsinn!"

ballesterer: Sie waren zur Blütezeit der Liga in Spanien. Simon Kuper beschreibt, wie Messi in ein Spiel geht. Er stehe viel herum, aber nicht, weil er faul wäre, sondern um das Spielfeld und die Gegner zu scannen, um Räume zu finden. Ist das die Fantasie eines Journalisten, oder haben Sie das auch so erlebt?

Ivanschitz: Das beschreibt es gut. Messi überlegt ganz genau, wo es Löcher und Möglichkeiten gibt, die man ausnutzen kann. Als wir gegen Barcelona gespielt haben, war der größte Unterschied zu anderen Mannschaften, dass sie nur relativ kurz aufgewärmt haben, speziell Messi. Sie haben sich dann einfach in das Spiel hineingespielt. Es war eher so: Xavi zu Iniesta zu Busquets zu Messi und zurück, die haben sich die ersten fünf, zehn Minuten eingegroovt. Und sie wollten immer den Ball haben.

Kurz mal CR7 vom Ball trennen.
Foto: APA/AP/Saiz

ballesterer: Wie haben die Trainer Sie auf so ein Spiel vorbereitet?

Ivanschitz: Zusätzliche Motivation hat es da nicht gebraucht. Du darfst auf keinen Fall Angst haben und musst in die Zweikämpfe gehen. Fakt ist aber auch, dass die drei, vier in der Mitte dir kaum den Ball geben werden. Du musst effizient sein und im Verbund verteidigen, Messi oder Xavi kannst du nicht alleine verteidigen. Es war schön, gegen solche Spieler in Zweikämpfe zu kommen. Auch wenn du weißt, dass du Messi den Ball nur sehr schwer abnehmen kannst. Er ist immer einen Schritt voraus, er ist athletisch, er ist kräftig. Man denkt sich ja eigentlich, der ist leichtfüßig, aber er ist wirklich sehr stark. Die Oberschenkel, die Waden, also da kommst du schon sehr schwer hin. Du gibst also alles in diesen Duellen, das waren wunderbare Spiele. Bei meinem Debüt bin ich in Barcelona reingekommen, da haben wir sieben Stück gekriegt. Aber es ist trotzdem ein Highlight.

ballesterer: Real Madrid pflegt einen anderen Stil, Siege sind ihnen wichtiger als Ballbesitz.

Ivanschitz: Ja, sie haben auch eine extrem starke Mannschaft gehabt, aber was bei ihnen ein bisschen angenehmer war: Sie geben dem Gegner auch einmal den Ball. Sie sagen "Okay, jetzt sind wir vorne draufgegangen, jetzt lassen wir uns ein bisschen fallen" und spielen auf Konter. Damals haben sie mit Gareth Bale, Cristiano Ronaldo und Karim Benzema genau diese Umschaltspieler gehabt, die auch gern einmal Räume für sich haben. Deswegen war die Balance bei Real ein bisschen mehr gegeben. Wenn sie 1:0 führen, ziehen sie sich zurück, und als Gegner hast du auch einmal die Möglichkeit, ein bisschen Fußball zu spielen. Das hat es gegen Barcelona nie gegeben. Real Madrid hat aber trotzdem eine extreme Zielstrebigkeit und eine enorme Körperlichkeit.

ballesterer: Meister war 2014 aber Diego Simeones Atletico Madrid.

Ivanschitz: Bei Simeone weiß man, wie er und seine Mannschaft ticken. Die kommen über das Athletische, über den Willen, den Ehrgeiz. Sie sind tolle Fußballer und schenken dir nichts. Das waren Herausforderungen, aber das hat für mich den Reiz ausgemacht. Ich habe sofort gesagt, ich will in so einer Liga spielen, auch wenn es brutal schwierig wird. Dann hast du so Highlights, etwa als wir Atletico Madrid zu Hause geschlagen haben. Oder gegen Real Madrid in der 81. Minute 2:1 in Führung gehen und dann durch ein Tor in der 94. Minute noch 2:3 verlieren.

ballesterer: Wie haben Sie die Fans von Levante erlebt?

Ivanschitz: Eher ruhig, also sehr familiär und weniger von organisierten Gruppen geprägt. Sie gehen mit dem Spielfluss mit, bei einer tollen Aktion steht das ganze Stadion. Wenn sie merken, dass man Unterstützung braucht, fangen sie zu singen an. Real Madrid und Barcelona haben das weniger. Dort ist es eher … touristisch wäre etwas unfair, aber gefühlt schon ein bisschen. In Spanien gibt es die Gesänge unabhängig vom Spielgeschehen aber auch – zum Beispiel beim FC Sevilla. Dort war immer eine überragende Stimmung. Auch bei Atletico Madrid, bei Valencia ein bisschen und dann im Norden bei Real Sociedad und Celta Vigo.

ballesterer: Der FC Barcelona steckt in finanziellen Nöten und einer sportlichen Krise. Wie können sie da rauskommen?

Ivanschitz: Ich bin zu weit weg, um das zu beantworten. Ich kann das nicht greifen, wenn man von über einer Milliarde Schulden redet. Für mich ist schwer verständlich, wie so etwas geht und wie man so etwas wieder repariert. Die Pandemie ist natürlich nicht hilfreich. Ich habe den Eindruck, dass sie durch die Rückkehr von Xavi zurück zu den Wurzeln wollen. Also den Spielstil von Barcelona forcieren und den eigenen Nachwuchs integrieren, vielleicht auch mit Yusuf Demir.

ballesterer: Wird Demir genug Zeit bekommen, um dort Fuß zu fassen?

Ivanschitz: Das wird bei ihm genau das Thema sein. Barcelona hat einen Umbruch vor sich, das kann aber auch eine große Chance sein. Ich freue mich, wenn er Spiele wie jetzt in der Champions League hat. Ich weiß aber nicht, wie oft er solche Möglichkeiten bekommen wird. Wenn man sich den Kader ansieht und die eigenen Talente, ist er einer von vielen. Natürlich hat er Qualitäten, die andere nicht haben: Er ist Linksfuß, hat ein unglaubliches Dribbling. Aber was er braucht, sind Spiele, Spiele, Spiele. Ich wünsche ihm, dass er sich durchsetzt. Dafür muss er aber sicher auch noch körperlich zulegen. Eine gewisse Robustheit kommt mit der Erfahrung, mit dem Training und mit seiner weiteren körperlichen Entwicklung – er ist ja erst 18.

ballesterer: David Alaba und Demir sind an verschiedenen Punkten ihrer Karriere zu ganz unterschiedlich aufgestellten Vereinen gewechselt. Bis darauf, dass sie Wiener sind, gibt es wenig Gemeinsamkeiten.

Ivanschitz: Dem David hilft sicher die Erfahrung, beim FC Bayern über zehn Jahre auf Topniveau performt zu haben. Er hat das Standing, er kann auch bei Real ein Führungsspieler werden. Er hat mit Carlo Ancelotti einen Trainer, der ihn gut kennt. Es hat zwar auch ein paar Kritikpunkte gegeben, aber im Großen und Ganzen läuft es. Wie jetzt auch mit seinem Tor im Clasico und in der Champions League. Er wird immer stabiler, das schaut also super aus. (Hannes Gaisberger, 22.12.2021)