Die Kandidatur der Fidesz-Politikerin sei keine Errungenschaft für die Frauen, kritisiert der Oppositionskandidat – als Familienministerin unterstützte Katalin Novák den anti-emanzipatorischen Kurs von Orbán.

SZILARD KOSZTICSAK

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat die Vizevorsitzende der Regierungspartei Fidesz, Katalin Novák, als nächste Staatspräsidentin vorgeschlagen. Dies gab der Regierungschef, der zugleich auch Fidesz-Vorsitzender ist, am Dienstag bekannt. Novák (44) ist in der Orbán-Regierung als Ministerin ohne Geschäftsbereich für Familienpolitik zuständig. Sie soll János Áder im höchsten Staatsamt ablösen.

Erste Präsidentin seit 1989

Die zweite Amtszeit des gleichfalls aus der rechtsnationalen Fidesz-Partei stammenden Präsidenten läuft im nächsten Frühjahr ab. Das Parlament wählt den Inhaber des höchsten Staatsamts. Die Wahl Nováks gilt nach der Benennung durch Orbán als gesichert. Die Fidesz-Fraktion verfügt in der Volksvertretung über eine überwältigende Mehrheit. Eine Amtszeit dauert fünf Jahre – es gibt die Möglichkeit einer Wiederwahl.

Novák wäre die erste Frau im höchsten Staatsamt seit der demokratischen Wende 1989 – und die jüngste. Die Fidesz-Politikerin gilt als loyale Erfüllungsgehilfin des Orbán-Systems. Als Familienministerin unterstützt sie den Kurs des mächtigen Ministerpräsidenten, der auf Diskriminierung sexueller Minderheiten und Aufwertung traditioneller Geschlechterrollen abzielt.

"Unendliche Loyalität" gegenüber Orbán

Kritik kam vom Spitzenkandidaten der Opposition, Péter Márki-Zay: Katalin Novák sei "völlig ungeeignet" für das Amt der ungarischen Staatspräsidentin, schrieb Márki-Zay auf Facebook. Orban hätte zwar eingesehen, dass die Gesellschaft mehr weibliche Führungskräfte im öffentlichen Leben sehen möchte. Doch Katalin Novák sei keine solche Person. Sie sei noch ungeeigneter als Áder, um sich Orbán entgegenzustellen, so der Kandidat.

Im Fall des Amts des Staatspräsidenten verwies er auf die verfassungsmäßige Forderung, dass es sich um eine öffentlichen Respekt genießende Person handeln solle, die über den Parteien stehe und die Einheit der Nation verkörpere. Im Gegensatz dazu war Novák noch bis vor kurzem Vize-Vorsitzende der Regierungspartei Fidesz und hätte dem Fidesz-Vorsitzenden Viktor Orbán gegenüber unendliche Loyalität demonstriert, betonte er.

Novák sei keine vom Großteil der Ungarn unterstützte Kandidatin. Er erinnerte daran, dass sie darüber sprach, dass Frauen nicht danach streben sollen, gleich viel zu verdienen wie Männer. Laut Márki-Zay trage Novák persönliche Verantwortung für den Abbau des Rechtsstaats in Ungarn, die Spaltung des Landes, die Organisierung von Hetzkampagnen und die wuchernde Korruption.

Geeinte Opposition im Frühjahr

Das Staatsoberhaupt hat in Ungarn eingeschränkte Macht. Es kann die Inkraftsetzung von Gesetzen verzögern. Außerdem erteilt der Präsident nach Parlamentswahlen den Regierungsauftrag. Die neue Präsidentin wird noch vom derzeitigen Parlament gewählt. Im April stehen Parlamentswahlen an, bei denen die Opposition erstmals geeint antreten will, weshalb der Ausgang der Wahl als offen gilt. (APA, red, 21.12.2021)