Skibergsteigen als Hochleistungssport hat wenig mit dem einst so meditativen Skitourengehen gemein. Im Bild der Anstieg beim Jennerstier in Berchtesgaden im Jahr 2020.

Foto: Andreas Renner

Die Breite des einstigen Nischensports für einsame Nordwandgesichter ist beeindruckend. Folgt man den Angaben von Skimo-Chef Karl Posch bei der routinemäßigen Jahrespressekonferenz zur Entwicklung des Skibergsteigens, so gibt es in Österreich aktuell rund 700.000 mehr oder weniger aktive Skibergsteiger und -bergsteigerinnen. Der Chef der auf Skitouren spezialisierten PR- und Veranstaltungsplattform Skimo beruft sich auf Umfragen der alpinen Vereine unter deren Mitgliedern.

Für Handel und Industrie inzwischen eine durchaus lukrative Sache: Weltweit setzt der Skitourensektor mit Hardware und Bekleidung rund eine Milliarde Euro pro Jahr um. Etwa 40 Prozent davon allein im deutschsprachigen Raum.

Und ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. In der vergangenen Saison betrug das Umsatzplus in Österreich satte 18 Prozent. Eine Steigerungsrate, die auch darauf zurückzuführen ist, dass der Skitourensport zunehmend weiblicher wird. Große Ausrüstungsfirmen verkaufen inzwischen bis zu 50 Prozent ihrer Skitourenbekleidung an weibliche Kundschaft.

Mailand und Cortina

Für einen zusätzlichen Popularitätsschub sorgen viele spektakuläre Skitourenrennen. Im Rahmen des Alpencups beispielsweise finden drei Rennen statt: in Bayern am Jenner nahe Schönau am Königssee, in Österreich am Hochkönig in Bischofshofen und in Italien im Martelltal inmitten des Nationalparks Stilfser Joch. Einen Weltcup gibt es auch – im Kalender stehen diesen Winter insgesamt sieben Bewerbe und die Europameisterschaft.

Und dann noch die Winterspiele 2026 in Mailand beziehungsweise Cortina d’Ampezzo: Beim Olympia-Debüt sollen 48 Athleten und Athletinnen bei fünf Einzelevents in den Disziplinen Sprint (Damen und Herren), Individual (Damen und Herren) sowie Relay (ein Mixed-Staffel-Rennen) dabeisein.

Chamonix und Lausanne

Wobei es sich, genau genommen, um gar kein richtiges Debüt, sondern mehr um einen Wiedereinstieg handelt. Bei den ersten Olympischen Winterspielen 1924 in Chamonix war das Skibergsteigen bereits ein Teil des Programms. Damals hieß es allerdings noch Militärpatrouillenlauf und war mit einem Wertungsschießen wie heute beim Biathlon verbunden.

Mangels Publikumsinteresses verschwand der Bewerb allerdings wieder aus dem Olympischen Katalog, bis das moderne Skibergsteigen bei den Olympischen Jugend-Winterspielen 2020 in Lausanne wieder in den Bewerb genommen wurde. Hier konnte der Steirer Nils Oberauer eine Bronzemedaille mit nach Hause bringen.

Spektakuläre Bewerbe mit Rennatmosphäre verhelfen dem Skitourengehen zu zusätzlicher Öffentlichkeit und damit Popularität.
Foto: Roland Hold

Das war ein großer Erfolg, denn im Vergleich mit den Wettkampf-Großmächten Schweiz, Italien, Frankreich und Spanien ist Österreich beim Wettkampftourensport immer noch weit hinten. Die österreichischen Sportfunktionäre haben etwas länger gebraucht, den neuen Trend zu erkennen.

Teure Pistentouren

Parallel zum Wettkampfsport hat sich in den vergangenen Jahren auch das Skitourengehen weiterentwickelt. Neben dem klassischen Skibergsteigen im freien Gelände sind vor allem die Pistengeher im Kommen. Nach anfänglichen Konflikten haben die Liftgesellschaften den Markt erkannt und verkaufen Tourentickets.

Preise von 15 Euro oder mehr pro Tag und Person führen auch immer wieder zu heftigen Reaktionen seitens der Tourencommunity. Eine Preisgestaltung, die aber selbst alteingesessene Bergführer wie der langjährige Chef des Salzburger Bergführerverbands Günter Karnutsch verteidigen.

Karnutsch rückte anlässlich der Skimo-Jahrespressekonferenz aus, um nicht zuletzt den Pistengehern ins Gewissen zu reden. Im Tourenticket seien ja nicht nur Kosten für den Parkplatz, die Piste und für sonstige Infrastruktur enthalten, sagt er. Das Ticket beinhalte ja auch die Zusage und somit auch die gleichzeitige Verpflichtung des Liftbetreibers, einen "gesicherten Skiraum" zur Verfügung zu stellen. (Thomas Neuhold, 22.12.2021)