Kopenhagen/Prishtina – Menschenrechtler im Kosovo kritisieren den Plan Dänemarks, hunderte Häftlinge im Kosovo anstatt im eigenen Land unterzubringen. Dabei geht es um Gefangene aus Drittstaaten, die nach ihrer Freilassung abgeschoben werden sollten.

Es sei inakzeptabel, Gefangene in andere Länder zu schicken, sagte Behxhet Shala, Geschäftsführerin der NGO Council for the Protection of Human Rights and Freedoms, im dänischen Radio. Nach internationalem Recht hätten Häftlinge das Recht, ihre Haftstrafe so nah wie möglich bei ihren Familien zu verbüßen.

Fatmire Haliti vom kosovarischen Rehabilitationszentrum für Folteropfer wies auf die schlechten Bedingungen in den Gefängnissen hin, die großteils "nicht den internationalen oder europäischen Standards" entsprechen würden. Bei kosovarischen Gefängnissen sieht Haliti erheblichen Verbesserungsbedarf, sie "können nur schwer mit jenen in Dänemark verglichen werden".

"Schwierige" Besuche

Dänemarks Justizminister wies diese und ähnliche Vorwürfe zurück. "Dort werden genau die gleichen Regeln wie in dänischen Gefängnissen gelten", betonte Nick Hækkerup. "Abgeschobene Verurteilte werden Besuch empfangen können, auch wenn das mit Sicherheit schwierig wird."

300 Häftlinge aus Dänemark sollen ab 2023 im Gefängnis von Gjilan 50 Kilometer außerhalb von Prishtina inhaftiert werden.
EPA/VALDRIN XHEMAJ

Am Montag haben beide Länder eine Absichtserklärung unterzeichnet, wonach der Kosovo 300 Häftlinge unterbringen soll. Sie sollen ab 2023 im Gefängnis von Gjilan 50 Kilometer außerhalb von Prishtina inhaftiert werden.

Verlängerung möglich

Die Regierung des Kosovo werde Dänemark entsprechende Kapazitäten zur Verfügung stellen, dafür werde Kopenhagen über einen Zeitraum von zunächst fünf Jahren jährlich 15 Millionen Euro an Prishtina zahlen. Hinzu kommt eine "Spende" von 60 Millionen Euro für Investitionen in grüne Energie. Der Vertrag könne um fünf Jahre verlängert werden, erklärte das dänische Justizministerium. Die Vereinbarung muss noch von einer Zweidrittelmehrheit im kosovarischen Parlament abgesegnet werden.

Die Leitung des Gefängnisses soll ein Däne übernehmen, dort soll dänisches Recht gelten. "Hochrisikohäftlinge" sollen dort nicht untergebracht werden, versicherte der kosovarische Justizminister Albulena Haxhiu. Das betrifft etwa wegen Terrorismus verurteilte Personen, Kriegsverbrecher sowie Menschen, die unheilbar krank sind oder wegen psychischer Störungen behandelt werden müssen.

Entlastung für Dänemark

Justizminister Hækkerup sprach von einem "bahnbrechenden Abkommen, das in unseren Gefängnissen Platz schaffen und unsere Strafvollzugsbeamten entlasten wird". Es sei zudem "ein deutliches Signal an Menschen aus Drittstaaten, die ausgewiesen werden sollten: Eure Zukunft ist nicht in Dänemark, und ihr sollt deshalb nicht dort eure Haftstrafe absitzen."

Der dänische Justizminister Nick Hækkerup sprach von einem "bahnbrechenden Abkommen, das in unseren Gefängnissen Platz schaffen und unsere Strafvollzugsbeamten entlasten wird".
EPA/VALDRIN XHEMAJ

Von 2015 bis Anfang 2021 hat die Zahl der Gefängnisinsassen in Dänemark laut der Statistikbehörde um 19 Prozent auf mehr als 4.000 zugenommen. Damit sind die Gefängnisse überbelegt. Im gleichen Zeitraum ging die Zahl der Aufseher um 19 Prozent zurück.

Auch andere europäische Länder haben Häftlinge außer Landes verlegt: Norwegen und Belgien haben etwa bereits in der Vergangenheit Gefängniszellen in den Niederlanden gemietet.

Rechter Migrationskurs

In Dänemark regiert unter Premierministerin Mette Frederiksen eine rein sozialdemokratische Minderheitsregierung, toleriert von drei linken Kleinparteien. Bei Gesetzen rund um Migration und Asyl kommt die Mehrheit allerdings häufig mit rechter Unterstützung zustande. Viele Vorhaben sorgten bereits für Kritik, unter anderem von Uno-Menschenrechtsexperten.

Etwa als das Parlament ein Gesetz zur Unterbringung von Asylsuchenden in Drittländern außerhalb Europas verabschiedete. Oder als beschlossen wurde, dass bestimmte Wohngebiete in Dänemark nur noch höchstens 30 Prozent Bewohner mit "nichtwestlicher Herkunft" haben dürfen. Als erstes europäisches Land kündigte Dänemark außerdem an, Geflüchtete nach Syrien zurückschicken, weil "kein Schutzbedarf" mehr bestehe.

Vergangene Woche war die frühere Migrationsministerin Inger Støjberg wegen eines Amtsvergehens zu 60 Tagen Gefängnis verurteilt worden. Ihr Ministerium hatte 2016 erklärt, dass alle Asylpaare ausnahmslos getrennt untergebracht würden, wenn einer der Partner minderjährig sei. Dabei handelte es sich laut Gericht um eine rechtswidrige Anweisung. 23 Paare waren davon betroffen. (maa, APA, 22.12.2021)