In seinem Gastkommentar schreibt der polnische Journalist Bartosz T. Wieliński über die gefährlichen Auswirkungen des geplanten neuen Mediengesetzes in seinem Heimatland.

Die Politiker der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die Polen seit 2015 regiert, sind zumindest aufrichtig, wenn sie sagen, warum sie einen rücksichtslosen Krieg gegen die Medien führen. "In Polen fehlt es an starken Medien, die die Regierung unterstützen", sagte Marek Suski, ein Abgeordneter der PiS-Partei, der von Parteichef Jarosław Kaczyński den Auftrag bekommen hat, die legislative Arbeit am sogenannten TVN-Gesetz zu überwachen.

Ein neues Mediengesetz treibt besorgte Polinnen und Polen in den Städten auf die Straßen. Sie befürchten ein Angriff der Regierung auf unabhängige Medien.
Foto: AFP / Wojtek Radwanski

Diese offenen Worte sind überraschend. Vor sechs Jahren, kaum einen Monat nach ihrer Machtübernahme, brachte die PiS innerhalb weniger Tage ein Gesetz durch das Parlament, das ihr die volle Kontrolle über die öffentlichen Medien gab, oder besser gesagt, das die öffentlichen Medien gleichschaltete. Der angesehene öffentlich-rechtliche Fernsehsender wurde schnell zur Parteipropaganda umfunktioniert. Dies war der erste Schritt beim Aufbau eines autoritären Staates.

Brutale Angriffe

Nach den Medien begann die PiS die Kontrolle über die Gerichte, die Staatsanwaltschaft, die Kultur, Wissenschaft und Bildung zu übernehmen. Die von den Parteifunktionären kontrollierten Medien halfen dabei. Sie griffen brutal PiS-Gegnerinnen und -Gegner an: Politikerinnen und Politiker, Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Journalistinnen und Journalisten wie auch NGO-Aktivistinnen und -Aktivisten. Gleichzeitig versicherten sie, dass Polen die beste Regierung in seiner Geschichte habe und dass ganz Europa Polen um seinen Wohlstand beneide.

Heute sagt Suski jedoch, dass die "Unterstützung" der öffentlichen Medien nicht ausreiche. Und er greift die privaten Medien an. TVN, der größte private Fernsehsender Polens, ist der PiS-Partei seit Jahren ein Dorn im Auge. Seine Journalistinnen und Journalisten lassen sich nicht an die kurze Leine nehmen, und dank ihrer Arbeit kommen regelmäßig neue Skandale der polnischen Machthaber ans Licht. Sie spüren Korruption, Vetternwirtschaft und Inkompetenz auf.

"Der angesehene öffentlich-rechtliche Fernsehsender wurde schnell zur Parteipropaganda umfunktioniert."

Die Zuschauerinnen und Zuschauer von TVN kommen vor allem aus den Städten, also aus den Teilen Polens, in denen die PiS-Partei wenig Unterstützung findet und in denen die Menschen regelmäßig wütend auf die Straße gehen, um gegen die Abschaffung unabhängiger Gerichte und die Einschränkung der Rechte von Frauen zu protestieren. Die Proteste wurden live auf TVN übertragen. TVN gehört zu dem US-amerikanischen Unternehmen Discovery. Die Vereinigten Staaten wiederum sind ein Verbündeter Polens und schützen das Land vor Bedrohungen durch Russland. Der Angriff auf TVN bedeutete Krieg mit dem Weißen Haus. Jahrelang konnten PiS-Politiker TVN-Journalistinnen und -Journalisten beschimpfen oder deren Sendungen boykottieren. Sie wagten es nicht, eine Hand gegen den Sender zu erheben. Bis jetzt.

Am vergangenen Freitag setzte der Sejm, in dem die PiS-Partei über eine knappe Mehrheit verfügt, überraschend eine Abstimmung über Änderungen des Rundfunkgesetzes auf die Tagesordnung und verabschiedete sie. Laut der neuen Vorschriften darf ein Unternehmen von außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums keine Mehrheitsbeteiligungen an Fernsehsendern in Polen besitzen. Das Gesetz ist allgemein formuliert, richtet sich aber nur an die Eigentümer von TVN. Daher sein umgangssprachlicher Name: "Lex TVN". Dementsprechend wird der Medienkonzern Discovery verpflichtet, den Sender zu verkaufen. PiS-Politiker Suski sagte, dass Teile der Anteile auch von polnischen Geschäftsleuten aufgekauft werden könnten. Man werde "einen gewissen Einfluss darauf haben, was in diesem Fernsehen geschieht", sagte er.

Sendungen werden verschwinden

Was das bedeuten würde, haben wir vor einigen Monaten gelernt, als der staatliche, also völlig von der PiS-Partei kontrollierte Ölkonzern Orlen 50 regionale Tages- und Wochenzeitungen kaufte. Der neue Besitzer hat die Redaktionen von "unzuverlässigen" Journalistinnen und Journalisten "gesäubert". Parteitreue haben die Leitung übernommen. Die Zeitungen machen nun genau das Gleiche wie die öffentlichen Medien: Sie loben die Regierung und die Partei in den höchsten Tönen und tadeln die Opposition. Einer der neu ernannten Chefredakteure hat seinen Leuten verboten, über LGBTQ zu schreiben. Der Kampf für die Rechte von Schwulen und Lesben gehört nicht zu jenen Themen, die die Regierenden mögen.

Das Gleiche wird mit TVN passieren, sobald der Sender von den PiS-Leuten übernommen wird. Die investigativen Sendungen über Korruption in der Regierungspartei werden verschwinden. Politiker der Opposition werden keinen Platz haben, um sich zu äußern, und es wird keine Berichterstattung über Demonstrationen geben. Die polnische Demokratie wird ernsthaft beschädigt. Und nach der "Lex TVN" wird die PiS-Partei weitere Gesetze gegen andere unabhängige Medien erlassen. Auf ähnliche Weise wird sie das Portal Onet oder die Tageszeitung Gazeta Wyborcza übernehmen. Die polnische Medienlandschaft ähnelt immer mehr jener Russlands oder der Türkei, wo die Regierungen ihr Informationsmonopol mit Gewalt durchgesetzt haben.

Gefährliche Drohung

Nur wenn Präsident Andrzej Duda sein Veto gegen das Gesetz einlegt, wird dieses Szenario nicht eintreten. Ich bin jedoch ein Pessimist. Duda wird es wohl kaum wagen, sich dem Willen seiner Partei zu widersetzen. Die USA, die TVN verteidigen, üben enormen Druck auf die polnische Regierung aus, es wird sogar damit gedroht, einen Teil der US-Truppen aus Polen abzuziehen. Die PiS-Partei ist wahrscheinlich bereit, diesen hohen Preis zu zahlen. Die Partei verliert in Umfragen, ist nicht in der Lage, die Corona-Pandemie zu beherrschen, die jeden Tag hunderte Menschen tötet, sie kann die Inflation nicht eindämmen.

Und alle paar Tage decken Journalistinnen und Journalisten einen neuen Skandal auf, in den die PiS-Politiker verwickelt sind. Der PiS-Anführer Kaczyński muss polnische Journalistinnen und Journalisten zum Schweigen bringen, um seine Macht zu erhalten. Und das ist genau das, was er tut. (Bartosz T. Wieliński, 23.12.2021)