Es sei ein bisschen so, als würde sie ankündigen, mit dem Synchronschwimmen aufzuhören, obwohl sie den Sport gar nicht betreibe, lästerte Deirdre Michie. Die Vorsitzende des britischen Handelsverbands für Offshore-Öl und -Gas fand wenig überraschend keine guten Worte für die heuer ins Leben gerufene Beyond Oil & Gas Alliance (Boga). Das ausgesprochene Ziel des Zusammenschlusses einiger Staaten, Regionen und teilstaatlichen Organisationen ist nämlich nichts weniger als das Ende von Öl und Gas als Energieträger der Menschheit.

In einem ersten Schritt sollen deshalb keinerlei Neuförderungen für Öl- und Gasfelder mehr auf den Territorien der Mitgliederstaaten genehmigt werden, wie es etwa die Internationale Energieagentur (IEA) für dringend notwendig hält, um das 1,5-Grad-Ziel irgendwie zu erreichen. Dass mit Dänemark und Costa Rica aber ausgerechnet zwei Staaten diese Bewegung ins Leben gerufen haben und anführen, die selbst wenig bis fast gar kein Gas und Öl fördern, entlockte Michie den bissigen Synchronschwimmvergleich. Dänemark hat allerdings bereits 2017 seinen staatlichen Öl- und Gaskonzern Dong zu einem Anbieter für Windkraft namens Ørsted umgebaut.

Kohleausstieg als Vorbild

Irgendjemand muss aber nun einmal den Anfang machen. Und mittlerweile haben sich durchaus prominente Unterstützer gefunden. Neben Frankreich, Irland und Schweden gehören mit Wales, Quebec und Grönland bereits zahlreiche Staaten und Regionen mit großer Küstenlänge für potenzielle Offshore-Bohrungen zu vollwertigen Mitgliedern der Allianz. Neuseeland, Portugal und Kalifornien sind assoziierte Mitglieder, und Italien, Finnland sowie Luxemburg gehören zumindest zu den Freunden von Boga. "Wir hoffen, dass heute der Anfang vom Ende von Öl und Gas ist", zeigte sich der dänische Energieminister Dan Jørgensen bei der Vorstellung der Initiative im Rahmen der Glasgower Klimakonferenz euphorisch.

Die Liste ist freilich noch durchaus überschaubar, einige Analysten ziehen aber schon Vergleiche zu einem anderen Zusammenschluss, der Powering Past Coal Alliance, die sich angeführt von Kanada und dem Vereinigten Königreich seit der 23. Klimakonferenz im Jahr 2017 für ein Aus von Kohle starkmachte. Vier Jahre später, bei der diesjährigen Cop in Glasgow, wurde der Ausstieg aus der Kohle dann zumindest formal beschlossen. Ein Schritt mit Vorbildwirkung?

Dass umgehend Schritte gesetzt werden müssen, zeigt alleine die Tatsache, dass in den kommenden Jahrzehnten in etwa doppelt so viel Öl und Gas gefördert wird, wie es für das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels notwendig wäre. 140 Staaten, die gemeinsam rund 90 Prozent der globalen Emissionen auf sich vereinen, haben zwar Pläne für eine Netto-Null in den kommenden Jahrzehnten präsentiert. An konkreten Schritten fehlt es aber noch immer vielen Staaten, wie Umweltgruppen beinahe unisono laufend monieren.

Kein Öl vor schottischer Küste

Einen ersten Erfolg kann Boga indes schon teils für sich verbuchen. Ein eifrig diskutiertes und durchaus umstrittenes Projekt namens Cambo bei Shetland vor der schottischen Küste im Nordatlantik wurde vor kurzem auf Eis gelegt. Siccar Point Energy pausierte das Projekt, nachdem mit Shell, das 30 Prozent Anteile am Explorationsgebiet hielt, der größte Projektpartner ausstieg. Kritiker des Explorationsstopps sprachen im Zusammenhang gar von einem "feindlichen Investmentumfeld" und kritisierten neben den rund 1.000 nicht verwirklichten Arbeitsplätzen, dass eine Transformation nun mal in langsamen Schritten zu erfolgen habe und die rapiden Ausstiege zu radikal seien.

Umweltaktivisten sehen die Zeit für langsame Schritte in Richtung einer klimafreundlicheren Welt aber längst ablaufen und warnen vor den horrenden Kosten, wenn die Klimakrise nicht ernst genommen und rasch gehandelt wird. Für Cambo wurde übrigens bereits 2001 eine Explorationslizenz erteilt, nächstes Jahr hätte im Falle eines positiven Bescheids die Förderung von insgesamt rund 800 Millionen Barrel Öl für mindestens ein Vierteljahrhundert beginnen sollen. Die Suche nach einem Ersatz für das Shell-Investment läuft.

Die Aktivisten konnten Cambo vorerst stoppen – oder war es doch der drohende Preisverfall des Erdöls, der das Projekt einfach nicht mehr rentabel erscheinen ließ?
Foto: Jane Barlow / imago images

Ausgerechnet die Marktlogiken könnten ihnen dabei in die Hände spielen. Zahlreiche Prognosen etwa gehen von einer Reduktion der globalen Ölfördermenge von 100 auf 20 Millionen Barrel Öl täglich bis Mitte des Jahrhunderts aus. Die verringerte Nachfrage dürfte freilich auch zu niedrigeren Preisen führen. Und so soll einer der Hauptgründe, warum sich Shell aus dem schottischen Ölförderprojekt zurückgezogen hat, neben den Protesten der Umweltaktivisten und dem potenziellen Imageschaden eben auch sein, dass die teure Förderung bei den aktuell hohen Marktpreisen für Öl vielleicht noch wirtschaftlich wäre, schon bald aber ein ziemlich schlechtes Geschäft sein dürfte.

Das stellt freilich besonders jene Staaten vor Herausforderungen, deren Staatshaushalt sich zu großen Teilen aus der Förderung von Öl und Gas finanziert. Mit rund 15 Prozent ist Norwegen da noch weit besser dran als etwa der Irak (89 Prozent) oder Saudi-Arabien (69 Prozent). Dennoch müssen sich auch die sonst so klimafortschrittlichen Nordeuropäer inzwischen schwierige Fragen gefallen lassen, wenn diese es etwa ablehnen, weitere, neue Ölförderprojekte auszuschließen. (Fabian Sommavilla, 28.12.2021)