Sebastian Kurz und Susanne Thier in der "Falter"-Satiremontage (Ausschnitt).

Foto: Montage Falter / Best of Böse

Wien – Die "Falter"-Montage von Sebastian Kurz und Susanne Thier mit entblößter Brust und Kind als Heiliger Familie für die jährliche Satirebeilage "Best of Böse" hat für heftige Debatten und Kritik sowie einige Beschwerden beim Presserat gesorgt.

"Falter"-Herausgeber Armin Thurnher hat am Donnerstag in seiner "Seuchenkolumne" auf die Vorwürfe reagiert. "Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten", zitiert er eingangs Karl Kraus, um später klarzustellen, er wolle seinen Versuch, die "Best of Böse"-Satire zu erklären, "nicht als das Eingeständnis verstanden wissen, es handle sich um eine schlechte Satire". "In schlichten Worten" gehe es in diesem Bild "nur darum, Leute zu verarschen, die ihrerseits das Bild der Familie und vieles andere missbraucht haben, um das Publikum zu verarschen. Es geht darum, Leute mit einer drastischen Inszenierung zu verarschen, die uns vier Jahre lang mit drastischen Inszenierungen verarscht haben!"

Was sei obszön, fragt Thurnher: "der gemalte barocke Nippel einer barocken Madonna mit Frau Thiers aufmontiertem Antlitz oder die Untat, um eines persönlichen politischen Vorteils willen alleinerziehenden Frauen mehr als eine Milliarde für die Nachmittagsbetreuung von Kindern zu entziehen (man könnte viele andere Untaten nennen)?" Statt sich das zu fragen, so der "Falter"-Herausgeber, "sudern die Zensorinnen im Namen des guten Geschmacks (welch fortschrittlicher Begriff!) einfach los, weisen auf gemutmaßte Autorschaften hin, fordern personelle Konsequenzen und bedauern, dass ihnen nur die milden Mittel der Anrufung des Presserats zur Verfügung stehen – der, wenn er bei Trost ist, den Teufel tun wird – und nicht die etwas drastischeren der Inquisition."

Der Presserat hatte am Mittwoch von mehreren Beschwerden über die "Falter"-Montage berichtet. Am Donnerstag legte das Selbstkontrollorgan, das Medieninhalte aus medienethischer Perspektive beurteilt, in einem ausführlichen Tweet die bisherige Entscheidungspraxis zu satirischen Beiträgen dar. Darin heißt es unter anderem, "dass spöttische Elemente, Sarkasmus, Übertreibungen und Zynismus für satirische Darstellungen typisch sind". Die Presse- und Meinungsfreiheit reiche damit bei Satire "besonders weit". Auch sei die Kunstfreiheit zu berücksichtigen.

Allerdings heiße das nicht, "dass Satire in einem journalistischen Kontext automatisch 'alles darf'. Insbesondere wenn Satire oder eine Karikatur in die Menschenwürde eingreift, ist von einem Verstoß gegen den Ehrenkodex auszugehen." Im Normalfall sei "die Satire auf ihren Aussagekern zu prüfen und von ihren Übertreibungen zu trennen". Die Senate würden sich bei der medienethischen Beurteilung regelmäßig daran orientieren, "ob ein Sachbezug zu einem konkreten Ereignis vorliegt". Die Zulässigkeit einer Satire sei "immer im Einzelfall zu beurteilen".

Klien: "Satire darf alles", aber: von Vorteil, wenn sie es "noch schafft, weder geschmacklos, sexistisch, unaktuell und inhaltlich belanglos zu sein"
Foto: ORF/Roman Zach-Kiesling

Und wie sehen Satiriker diese "Falter"-Satire?

"Satire darf ..."

TV-Satiriker Peter Klien startet Mitte Jänner seine Late-Night-Show "Gute Nacht Österreich" neu am Freitagabend im ORF. DER STANDARD bat ihn um seine Sicht der "Falter"-Montage. Kliens Antwort fällt subtil aus:

"Satire darf alles. Wenn sie es dann auch noch schafft, weder geschmacklos, sexistisch, unaktuell und inhaltlich belanglos zu sein, sehe ich es als Vorteil."

"Der Bobo und die Boobs"

Fritz Jergitsch, Gründer des Satireportals "Tagespresse", kommentiert die "Falter"-Aktion auf STANDARD-Anfrage naturgemäß ebenfalls – satirisch:

"Als seriöses Medium kommentieren wir keine Satire und Spaßpostillen. Wir hoffen auf eine umfassende Aufarbeitung im neuen Buch 'Der Bobo und die Boobs'."*

Dem "Falter" zur Seite steht der Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell in einem ausführlichen, zehnteiligen Tweet. Wenn das Bild sexistisch sei, dann hätten "wir uns gehörig verrannt", so Hausjell. Dann dürfe es "keine Bilder von stillenden Müttern mehr geben, weder solche aus dem österreichischen Parlament noch ikonografische Bilder in Kirchen und Kunstausstellungen – und schon gar nicht in der garstigen Satire".

Hinsichtlich Susanne "Maria" Thier, der Freundin von Sebastian "Josef" Kurz, die in der Kritik an der Satire mehrfach als "unbeteiligte Privatperson" bezeichnet wurde, schreibt der Kommunikationswissenschafter: "Beispielsweise kann eine öffentliche Person daran erkannt werden, wie oft sie in Medien vorkommt." Thier sei in den vergangenen vier Jahren in über 600 Artikeln vorgekommen, weil sie Kurz im Wahlkampf und bei Parteiveranstaltungen begleitete: "Sie war auch optisch stark präsent." Es gebe allein 238 verschiedene Pressefotos auf APA-Picture-Desk zur Auswahl. "Privatpersonen verhalten sich gegenüber der Medienöffentlichkeit gemeinhin rarer", so Hausjell. "Bleibt der Vorwurf 'Grenzüberschreitung': Ehrlich, ich sehe keine. Das Cover ist nett böse."

Heftige Debatten

Die Montage sorgt seit Dienstag für heftige Debatten auf Twitter und im STANDARD-Forum. Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) bezeichnete das Sujet als "sexistisch und geschmacklos". Eva Blimlinger und Meri Disoski von den Grünen schickten eine Beschwerde an den Presserat, die Darstellung sei "in hohem Maße sexistisch, herabwürdigend, ja geradezu empörend".

Puls-4-Infochefin Corinna Milborn hatte auf Twitter angemerkt: "Drei Männer, die einer Frau auf den nackten Busen starren, und drüber steht 'Geilzeit'? Auf einem Cover? Das darf doch alles nicht wahr sein."

ORF-Journalist Armin Wolf wiederum hat auf Twitter seinem Erstaunen als "Falter"-Fan Ausdruck verliehen, dass es in der Redaktion nicht genügend Leute geben, die bei so etwas sagen: "Das kann nicht euer Ernst sein. Wir machen hier keine Maturazeitung aus den 1980ern." Wolfs Kritik veranlasste "Falter"-Herausgeber Thurnher in seiner "Seuchenkolumne" zu der Anspielung: "Der Vorwurf der Maturazeitung gehört zu den mildesten, vor allem wenn er von einem beliebten Moderator vorgebracht wird, dessen Äußerungen auf Twitter den Habilitations-Standard in Beleidigte-Leberwurst-Studien täglich höher schrauben."

Die jährliche "Falter"-Beilage "Best of Böse" zitiert diesmal optisch die "Kurier"-Wochenendbeilage "Freizeit", über der Montage steht als Logo "Geilzeit". Die Titelgeschichte – eine fiktiv-satirische "Homestory" beim nunmehrigen Privatmann Kurz und seiner Frau – wird angekündigt mit: "Die liebe Familie" – und den "besten Tipps für den stilvollen Rückzug ins Privatleben". Ex-Kanzler Kurz führt die "Best of Böse"-Liste an, vor FPÖ-Chef Herbert Kickl und der "Exxpress"-Herausgeberin Eva Schütz. (fid, red, 23.12.2021)