Das Finanzministerium ist seit fast 20 Jahren in Händen der ÖVP, zuletzt unter Hartwig Löger (links) und Gernot Blümel (rechts).

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Die Verdachtsmomente gegen ehemalige türkise Politikerinnen, deren Kabinettsmitarbeiter und ihnen freundlich gesinnte Manager sind mannigfaltig. Unter der Aktenzahl 17 St/5 19d wird gegen dutzende Personen ermittelt, die vermuteten Delikte reichen von Untreue über Bestechung bis hin zur Falschaussage. So vielfältig die Sachverhalte sind, eines eint sie doch: Sie führen alle ins Finanzministerium, und bei fast allen fällt der Name Thomas Schmid.

Das liegt einerseits daran, dass sich das Smartphone des einstigen Spitzenbeamten als Goldgrube für die Ermittler entpuppte: Mehr als 300.000 Chatnachrichten wurden auf einem Backup entdeckt, sie werden nach wie vor ausgewertet. Andererseits war Schmid offenbar eine Schaltzentrale der türkisen ÖVP, er kümmerte sich um "Probleme" im großen Einflussbereich des so wichtigen Finanzressorts.

Causa Postenschacher

Dort lag beispielsweise das Beteiligungsmanagement des Bundes, also die frühere Öbib – das "Familiensilber" der Republik. Rund um Postenbesetzungen und Privatisierungen gab es stets ein Gerangel, unter Türkis-Blau intensivierte sich dieses rund um die Casinos Austria AG (Casag). Sie ist der Ausgangspunkt der breitflächigen Korruptionsermittlungen, die nach dem Erscheinen des Ibiza-Videos begonnen haben. In der Finca meinte der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Novomatic "zahlt alle", was er später zurücknahm. Ob Novomatic die ÖVP "zahlte", wollte die WKStA unter anderem durch eine Hausdurchsuchung beim damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) herausfinden. Er hatte 2016, also noch vor seiner Ministerzeit, eine zweideutige SMS von Novomatic-Manager Harald Neumann erhalten.

Eine wichtige Rolle spielte die Novomatic jedenfalls im März 2019, als der Konzern als Miteigentümer der Casag einen wichtigen Part bei deren Vorstandsrochade übernahm. In der Causa Casag-Postenschacher fanden zahlreiche Hausdurchsuchungen statt, auch Schmids Handy wurde sichergestellt.

Die dort gefundenen Chats ermöglichten erstmals einen ungeschönten Einblick in die Funktionsmechanismen des Ministeriums, das sich seit fast zwanzig Jahren in den Händen der ÖVP befindet. Mittlerweile besteht der Verdacht, dass der ÖVP nahestehende Spender eine bevorzugte Behandlung im Ministerium erhalten haben. Die Chats offenbarten, dass nach Leaks über Steuerpraktiken von ÖVP-Großspender Stefan Pierer eine interne Maulwurfjagd stattfand, die sogar zu einem Verfahren bei der Datenschutzbehörde führte.

Neue Ermittlungsansätze beschäftigen sich mit der Frage, ob Thomas Schmid die Leiterin eines Finanzamts bestochen hat, um eine bevorzugte Behandlung des Kurz-Beraters und Unternehmers Siegfried Wolf zu ermöglichen. Dieser gehörte zu den ersten Wirtschaftstreibenden, die Events für den damaligen Außenminister Sebastian Kurz organisierten.

Verdacht auf Falschaussage

Um Wolf und Schmid geht es auch in den Ermittlungen gegen Altkanzler Kurz: Ihm wird vorgeworfen, Falschaussagen vor dem Ibiza-U-Ausschuss getätigt zu haben. Das betrifft seine Involvierung in die Entstehung der neuen Staatsholding Öbag, in deren Planung Schmid involviert war – und bei der er dann selbst als Alleinvorstand mit luxuriösem Jahresgehalt andockte. Kurz präferierte offenbar Wolf als Aufsichtsratsvorsitzenden, der Plan scheiterte jedoch. Vor dem U-Ausschuss erwähnte Kurz das nicht.

Für die größten Konsequenzen sorgte ein anderer Verfahrensstrang, in dessen Zentrum Kurz aus Sicht der WKStA steht: die Inseraten- und Umfragenaffäre. Die Korruptionsbehörde vermutet, dass sich das Finanzministerium von der Mediengruppe Österreich mit positiver Berichterstattung bestechen ließ und ihr dafür den Vorteil einer Inseraten- und Medienkooperation gewährte. Außerdem sollen manipulierte Umfragen platziert worden sein, die per Scheinrechnung im Finanzministerium abgerechnet wurden. Zentraler Player: Thomas Schmid.

Bislang schweigt der zu den Vorwürfen, demnächst soll es dem Vernehmen nach jedoch zu seiner Einvernahme vor der WKStA kommen. Mit den Aufräumarbeiten hat der neue Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) jedenfalls viel zu tun. Er kündigte in der Causa Wolf "volle Transparenz" an, in der Inseratenaffäre lieferte die Interne Revision bereits einen vernichtenden Bericht ab und sprach von fehlender Kontrolle bei Auftragsvergaben in der Öffentlichkeitsabteilung. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, 23.12.2021)