Peter Sittler: "Der geförderte Mietwohnbau wird von der Stadt mit Grundstücken unterstützt. Da könnte man wohl auch für Eigentumsprojekte Grundstücke zur Verfügung stellen."

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Seit rund einem Jahr ist Peter Sittler Wohnbausprecher der Wiener ÖVP, er fühlt sich nun in seiner Funktion "angekommen". Im Interview mit dem STANDARD spricht er sich klar gegen eine Leerstandsabgabe aus, denn es gäbe aus seiner Sicht viel Dringenderes zu tun: beispielsweise die soziale Treffsicherheit im Gemeindebau zu erhöhen, die man aus seiner Sicht "zu einem guten Teil verloren" habe. Er ist auch dafür, das Angebot an gefördertem Eigentum stark auszubauen und die Wiener Gemeindebauten dort, wo es geht, aufzustocken – notfalls auch mit gewerblichen Partnern.

STANDARD: Die ÖVP ist gegen eine Leerstandsabgabe, Sie sprachen diesbezüglich in einer Aussendung von einem Ablenkungsmanöver. Was wäre aus Ihrer Sicht dringender zu tun?

Sittler: Die Informationen sind einfach unzureichend. Es gibt nur eine Studie von 2015, die ist schon veraltet, aktuelle Zahlen sind nicht vorhanden. Ich bin Unternehmer, da ist es Usus, dass man schaut: Wie ist der Ist-Zustand? Dann kann man seriös über Dinge reden. So aber kann man über gar nix reden. Eines der Hauptargumente für die Leerstandsabgabe ist ja, dass so viele neugebaute Wohnungen im Luxussegment leer stehen. Das stimmt zwar, aber die schaffen kein leistbares Wohnen. Die fehlen da also nicht.

STANDARD: Bräuchte es für die Leerstandsabgabe nicht sowieso eine Bundesregelung?

Sittler: Fakt ist, dass die Wiener Regelung einer Leerstandsabgabe in den 80er-Jahren vom VfGH gekippt wurde. Dringender wäre aber, das Thema "leistbares Wohnen" generell anzugehen. Es stimmt, dass 60 Prozent der Wienerinnen und Wiener im geförderten Wohnbau leben, aber der Gemeindebau als Institution hat schon seit längerem seine soziale Treffsicherheit zu einem guten Teil verloren. Mit 3.400 Euro netto ist die Einkommensgrenze an sich schon sehr hoch, und sie wird dann nie wieder überprüft. Hier könnte man schon eine Reform angehen – ist mit der SPÖ aber schwierig.

STANDARD: Das könnte man auch mit befristeten Mietverträgen machen: Will man den Vertrag verlängert haben, muss man das Einkommen wieder nachweisen. In Vorarlberg wird das im geförderten Wohnbau so gemacht.

Sittler: Ja, aber das ist aus meiner Sicht nicht sinnvoll. Man sollte eher einfach alle fünf Jahre überprüfen, wie hoch das Einkommen ist. Denn die Mieter, die zu viel verdienen, sollen ja auch nicht ausziehen müssen, sondern eine Solidaritätsabgabe zahlen, damit die Stadt mehr Geld zum Sanieren hat. Da hinkt Wien hinterher.

STANDARD: Ein anderes Ihnen offenbar sehr wichtiges Thema ist die Eigentumsquote von 20 Prozent in Wien, die aus Ihrer Sicht zu niedrig ist. Warum halten Sie mehr Wohneigentum für wichtig? Die Mobilität der Menschen sinkt dadurch, das ist erwiesen. Und die Verschuldung der Privathaushalte steigt.

Sittler: Der wesentliche Vorteil ist, dass man eine Altersvorsorge hat. Je früher man damit anfängt, umso leichter ist das. Nach der Abzahlung eines Kredits sinken die monatlichen Kosten beträchtlich, und man hat somit eine Altersvorsorge, die heutzutage immer wichtiger wird.

STANDARD: Sie fordern auch, dass es mehr gefördertes Eigentum geben soll. Aber wer soll diese Wohnungen bekommen, wie soll da die Vergabe fair ablaufen? Ist da nicht eine enorm hohe Nachfrage zu erwarten?

Sittler: Das wird die Praxis zeigen. In anderen Bundesländern, wo mehr gefördertes Eigentum gebaut wird, beispielsweise in Niederösterreich, ist das "Griss" jetzt auch nicht so hoch, weil ja auch nicht alle auf einmal kaufen wollen. Aber für die, die kaufen wollen, sollte es das Angebot geben. Der Stadt Wien gehören relativ viele gemeinnützige Bauträger, da gibt’s keinerlei Angebote in dieser Richtung. Auch Miet-Kauf-Varianten werden in Wien nicht angeboten.

STANDARD: In Wien sind die wenigen Eigentumswohnungen, die von gemeinnützigen Bauträgern errichtet werden, neuerdings aber auch bei Spekulanten sehr beliebt. Wie lässt sich das verhindern?

Sittler: Da kann man mit zivilrechtlichen Regelungen dafür sorgen, dass diese Wohnungen über einen gewissen Zeitraum nicht weiterverkauft werden können.

STANDARD: Die Wohnungspreise sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Gemeinnützige Bauträger müssen zwar nach dem Kostenprinzip vorgehen, die liegen aber oft auch schon bei über 5.000 Euro pro Quadratmeter. Kann es überhaupt je wieder günstiger werden?

Sittler: Ich glaube schon, dass die Preise jedenfalls nicht mehr in dem Ausmaß steigen werden wie zuletzt. Da wirken aber halt sehr viele Parameter ein. Der geförderte Mietwohnbau wird von der Stadt mit Grundstücken unterstützt. Da könnte man wohl auch für Eigentumsprojekte Grundstücke zur Verfügung stellen.

STANDARD: Oder auch Gebäude, die aufgestockt werden könnten?

Sittler: Ja, natürlich, da kann man auch schauen, ob man nicht vorhandene Objekte nachverdichtet. Etwa die Gemeindebauten. Ob das dann gleich Eigentum werden soll, ist eine andere Frage. Tatsache ist, dass Wien derzeit nur 250 Wohnungen auf Gemeindebauten errichtet, geplant sind 450. Das ist ein sehr geringer Prozentsatz.

STANDARD: Von den gewerblichen Bauträgern gab es einmal das "Angebot" an die Stadt Wien, die Ausbauten der Gemeindewohnungen zu übernehmen. Sollte das gemacht werden?

Sittler: Nachdem massiv nachverdichtet werden muss in der Stadt – laut Arbeiterkammer wären 130.000 Wohnungen in bestehenden Gebäuden möglich –, ist das ganz wesentlich, ja. Denn nur so kann die grüne Fläche am Stadtrand erhalten werden. Und dort sind die Liegenschaften schon erschlossen, die Infrastruktur ist da. Und etwa im Zuge einer Sanierung gleich auch den Dachboden auszubauen, das schlägt ja die Stadt selbst auch den privaten Hausbesitzern vor: Wenn schon eine Sockelsanierung gemacht wird, sollte man auch gleich eine Aufstockung prüfen.

Wenn es die Stadt nicht schafft, sollen die Privaten das tun dürfen, ja. Die Stadt hat ja auch bisher schon mit Partnern gebaut. Leider ist alles, was die Stadt selber macht, sehr teuer. Fakt ist, dass die Aufgabe der Kommune ist, leistbares Wohnen in ausreichendem Maß bereitzustellen.

STANDARD: Geschieht das in ausreichendem Ausmaß?

Sittler: Was die neuen Gemeindebauten betrifft: Da ist durchaus was in der Pipeline. Aber nur zu sagen, es wird etwas irgendwann errichtet, ist zu wenig. Es muss auch gebaut werden. Und es muss auch die Sanierung innerstädtisch weiter vorangetrieben werden. Da gibt es Landesförderungen, die werden zwar durchaus abgeholt, aber leider nicht in dem Ausmaß, wie es vielleicht notwendig wäre. Denn die Auflagen sind sehr hoch, die Bauträger schrecken da davor zurück. (Martin Putschögl, 16.1.2022)