Die ehemalige Grünen-Politikerin wurde 2016 auf Facebook beschimpft.

Foto: Christian Fischer

Unter falschem Namen beschimpfte ein Facebook-User die ehemalige Grünen-Politikerin Eva Glawischnig 2016 als "miese Volksverräterin", "korrupten Trampel" und Mitglied einer "Faschistenpartei". Das Handelsgericht Wien hat im Hauptverfahren nun entschieden: Die Plattform muss das Hassposting sowie wort- und sinngleiche Beiträge weltweit löschen und die Daten des verantwortlichen Nutzers bekanntgeben. Darüber hinaus muss das Urteil auf der Startseite Facebooks veröffentlicht werden. Sichtbar für alle Besucher und gefasst in fett liniertem Rahmen.

Ins Auge springt vor allem letzterer Punkt. Bei Abruf der Webseite muss das Urteil für die Dauer von sechs Monaten einsehbar sein, ohne zu scrollen. Was als Startseite gilt, wurde allerdings nicht spezifiziert. Ebenso wenig, ob die verpflichtende Veröffentlichung nur innerhalb Österreichs gilt oder weltweit. Laut Glawischnigs Anwältin Maria Windhager (sie vertritt auch den STANDARD in medienrechtlichen Angelegenheiten) vermittle das Gericht damit allerdings die wesentliche Botschaft, dass der Fall von öffentlichem Interesse ist.

Was bisher geschah

Der Weg zu dieser nicht rechtskräftigen Entscheidung war lang. Glawischnig klagte Facebook schon 2016 auf Löschung des eingangs erwähnten Postings und beantragte eine einstweilige Verfügung beim Handelsgericht Wien. Dieses verfügte die Löschung, Facebook beschränkte die Sperre aber nur auf Österreich. Über den Obersten Gerichtshof (OGH) gelangte die Klage deshalb zum Europäischen Gerichtshof (EuGH), der im Oktober 2019 entschied, dass nationale Gerichte die weltweite Löschung verordnen können. Auch die Verpflichtung zur Suche und Entfernung von wort- und sinngleichen Äußerungen verstößt laut ebendiesem nicht gegen EU-Recht.

Der OGH verhängte die Unterlassung anschließend international. Auch sinngleiche Äußerungen sind betroffen. Gültig ist diese rechtskräftige Entscheidung allerdings nur für die Dauer des sogenannten Sicherungsverfahrens.

Neue Entwicklungen

Hier kommt das jüngste Urteil des Handelsgerichts ins Spiel, mit dem die Unterlassung in vollem Umfang erstinstanzlich auch im Hauptverfahren bestätigt wurde. Hinzu kommt, dass Facebook als Host-Provider, der Dritten die Möglichkeit der Inhaltsveröffentlichung bietet, zur Zahlung eines Schadenersatzes in Höhe von 4.000 Euro verurteilt wurde. Auch die Verfahrenskosten muss das IT-Unternehmen übernehmen. Laut Windhager zwinge das Facebook dazu, seine Moderation ernster zu nehmen. Laut Facebooks Gemeinschaftsstandards ist die Erstellung von Fake-Accounts verboten.

Apropos: Das Gericht verordnete die Herausgabe des Vor- und Nachnamens sowie der Adresse des Urhebers des Hasspostings von 2016 – und die eingangs beschriebene Urteilsveröffentlichung. Wie auch die Unterlassungsverfügung dürfte Letztere laut der Anwältin aktuell weltweit gelten. Ob dieser Punkt halten wird, ist derzeit allerdings noch offen.

Windhager geht davon aus, dass Facebook sich zur Wehr setzen wird. In einer schriftlichen Stellungnahme teilte das Unternehmen dem STANDARD mit, dass man mit der Entscheidung des Gerichts nicht einverstanden sei und es erwäge, in Berufung zu gehen. Dass der Prozess bereits sein Ende finden wird, ist eher unwahrscheinlich. Schon bald könnten sich die Beteiligten erneut vor dem OGH – und auch dem EuGH wiederfinden. (Mickey Manakas, 23.12.2021)