Seit bald vier Wochen hält die Omikron-Variante ganz Europa in Atem. Immer noch ist nicht ganz klar, was diese neue Mutation für den weiteren Verlauf der Pandemie bedeutet. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Österreich die bis dato höchste Welle bevorsteht, mit täglichen Infektionszahlen im fünfstelligen Bereich bereits Anfang Jänner. Gleichzeitig erhärten sich erste Berichte, dass diese Variante tatsächlich weniger schwere Verläufe verursacht. Ein klares Bild haben Expertinnen und Experten nach wie vor nicht. Schon aus zeitlichen Gründen konnten wichtige Daten dafür noch nicht ausreichend generiert werden. Doch es gibt einige positiv stimmende Studien.

Große Silvesterfeiern fallen dieses Jahr einmal mehr aus. Doch erste Studiendaten geben einen – leicht – positiven Ausblick.
Foto: imago images/Marius Schwarz

Ein britisches Forscherteam etwa kommt in Laborversuchen mit Pseudoviren in Zellkulturen zum Schluss, dass die Omikron-Variante weniger schwere Krankheitsfälle hervorrufen dürfte als Delta. Der Grund für ihre Annahme, die sie bisher nur als Preprint und also noch nicht begutachtet publizierten: Bei den Laborversuchen mit den Omikron-Pseudoviren zeigte sich, dass die Viren Lungenzellen weniger gut infizieren können als die bisherigen Varianten.

Erkenntnisse aus dem Reagenzglas

Diese Erkenntnisse sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, wie Isabella Eckerle, Leiterin der Forschungsgruppe Emerging Viruses an der Universität Genf, betont: "Das sind interessante und wichtige Daten. Ich würde sie aber nur sehr vorsichtig auf die tatsächliche Situation im Menschen umlegen. Dort verläuft die Infektion wesentlich komplexer als in einem Organoid, wichtige Komponenten wie das adaptive Immunsystem fehlen hier."

Doch auch einige Beobachtungen aus dem echten Leben scheinen die Hoffnung auf mildere Verläufe zu bestätigen. Gleich mehrere unterschiedliche Wissenschaftsteams auf zwei Kontinenten kamen zu diesem Schluss. Untersucht wurde der Verlauf von Omikron-Infektionen in Populationen in Südafrika, Schottland und England. Die – vorläufigen – Ergebnisse deuten alle darauf hin, dass mit Omikron die Wahrscheinlichkeit für einen Krankenhausaufenthalt geringer wird.

Die südafrikanische Studie untersuchte den Anstieg der Omikron-Fälle seit November. Das Risiko für einen Krankenhausaufenthalt war um etwa 70 Prozent geringer als bei jenen Personen, die sich mit einer anderen Variante infiziert hatten. Die Autoren spekulieren, dass das daran liegen könne, dass mit Omikron Infizierte häufiger eine Reinfektion hatten. Zwar könne die Variante einen bereits vorhandenen Immunschutz besser umgehen, doch der Schutz vor schwerer Erkrankung sei immer noch gegeben.

"Auch wenn die Menschen nur halb so oft ins Spital müssen mit Omikron, kommt das System bald an seine Grenzen." Dorothee von Laer

Ein Forscherteam am Londoner Imperial College untersuchte Daten der ersten Dezemberwochen und stellte ebenfalls weniger Hospitalisierungen fest. Die Wahrscheinlichkeit, mit Omikron stationär aufgenommen zu werden, sei um 40 bis 45 Prozent geringer. In die Zahlen ist auch der Immunstatus der Betroffenen eingeflossen. Und es zeigte sich, dass eine erworbene Immunität, sei es durch Infektion oder durch Impfung, relativ gut vor einer schweren Erkrankung schützt.

DER STANDARD

In Schottland wiederum untersuchten Forscher im November und Dezember, wie viele Menschen mit Delta und wie viele mit Omikron ins Krankenhaus kamen. Im Verhältnis zu Delta stellten sie um zwei Drittel weniger Hospitalisierungen fest.

Tatsache ist aber auch, dass die Omikron-Variante besonders häufig zu Reinfektionen und Impfdurchbrüchen führt, das zeigen aktuelle Daten aus Dänemark. In absoluten Zahlen betreffen dort 79,1 Prozent aller Omikron-Fälle doppelt Geimpfte, 10,6 Prozent dreifach Geimpfte. Auf Ungeimpfte entfallen nur 8,5 Prozent. Zum Vergleich die Verhältnisse beim Impfstatus: 42,5 Prozent der Däninnen und Dänen sind doppelt Geimpfte, 35 Prozent sind dreifach Geimpfte, 18,5 Prozent sind ungeimpft. Das zeigt, dass in Dänemark die doppelt Geimpften bei den Omikron-Infektionen anteilsmäßig deutlich überrepräsentiert sind.

Noch keine Entspannung

Kann man sich angesichts dieser Daten entspannen? Leider nicht. Sowohl das Londoner als auch das schottische Wissenschafterteam warnten, dass ihre Erkenntnisse vorläufig seien. Das liege auch daran, dass Omikron sich aktuell unter jungen Leuten ausbreite und bisher noch nicht in der älteren Bevölkerung angekommen sei. Mark Woolhouse, Infektiologe an der Universität Edinburgh und Mitautor der schottischen Studie, betont außerdem, dass aufgrund des Infektionsanstiegs trotzdem die Gefahr bestehe, dass viele Menschen eine Spitalsbehandlung brauchen – auch wenn sich die Daten zu milderen Verläufen bestätigen sollten.

Diese Einschätzung bestätigt auch Dorothee von Laer, Virologin an der Med-Uni Innsbruck, im Ö1-"Mittagsjournal": "Selbst wenn die Menschen nur halb so oft ins Krankenhaus müssen mit Omikron, kommt das System bei hohen Infektionszahlen wieder rasch an seine Grenzen. Wir können dann mehr Erkrankte tolerieren, aber es macht immer noch zu sehr krank, als dass man es ohne Maßnahmen durchlaufen lassen könnte." Laut von Laer haben geimpfte Genesene den besten Schutz, gleich gefolgt von jenen mit drei Stichen. (Pia Kruckenhauser, 24.12.2021)