Die Venus ist eine Art kleine Zwillingsschwester der Erde und im Sonnensystem unser innerer Nachbar im All. Sie ist gerade einmal 40 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Venus ähnelt in den Hauptparametern der Erde: Größe, Masse, Dichte sowie innerer Aufbau stimmen annähernd überein. Auch die Schwerkraft ist nahezu identisch: Ein 80 Kilogramm schweres irdisches Wesen würde auf der Planetennachbarin 72 Kilogramm auf die Waage bringen.

Die Venus ist auch in etwa zur gleichen Zeit entstanden wie die Erde, nämlich vor mehr als vier Milliarden Jahren. Wissenschafter vermuten aufgrund all der Ähnlichkeiten, dass es auf der Venus in den ersten zwei Milliarden Jahren ihrer Existenz Ozeane und vielleicht sogar eine Art von Leben gegeben haben könnte. Ihre Distanz zur Sonne beträgt zwar "nur" 108 Millionen Kilometer (zum Vergleich: Die Erde ist rund 150 Millionen Kilometer entfernt). Dennoch könnten die Temperaturen früher niedriger gewesen sein als heute.

Lebenshoffnung in den Wolken

Doch irgendwann, so die Vermutungen, wurde die Venus zu einer Höllenlandschaft mit Oberflächentemperaturen von rund 450 Grad Celsius. Diese Temperaturen, die höher sind als auf dem sonnennäheren Planeten Merkur, kommen vor allem wegen des Treibhauseffekts zustande. Und der wiederum ist Resultat der sehr dichten Atmosphäre, die vor allem aus Kohlendioxid besteht. Die Tröpfchen, aus denen diese Dunst- und Wolkendecke besteht, sind so sauer, dass sie sofort Löcher in unsere Haut brennen würden.

Das sind fürwahr keine besonders guten Bedingungen, um Leben zu beherbergen. Astrobiologen haben aber schon länger kühlere Bereiche in den Wolken der Venus im Blick, wo zumindest der Temperatur nach lebensfreundliche Bedingungen herrschen könnten. Und im Herbst 2020 behauptete ein Forscherteam vom angesehenen Massachusetts Institute of Technology (MIT) fündig geworden zu sein.

Schematische Darstellung der Atmosphäre und der temperierten Zone der Venus, in der Leben in Mikrobenform zumindest theoretisch denkbar wäre.
Illustration: J. Petkowska

Verfrühter Monophosphan-Fund

Sara Seager und William Bains erregten im September des Vorjahres weltweites Aufsehen, als sie behaupteten, Monophosphan in der dichten Wolkendecke der Venus entdeckt zu haben. Das ist zwar eine hochgiftige Verbindung aus Wasserstoff und Phosphor. Auf der Erde gibt es aber nur zwei bekannte Quellen dafür: Chemie-Laboratorien und einige wenige Bakterien, die in sauerstofffreier Umgebung leben. Unter Astrobiologen gilt Monophosphan daher als möglicher Kandidat für einen Hinweis auf außerirdisches Leben, zumindest in Bakterienform.

Bisher konnte freilich keine weitere Untersuchung den Monophosphan-Fund bestätigen, er gilt ein Jahr später als höchst umstritten. Die MIT-Fachleute Seager und Bains, die auch eine eigene Life-on-Venus-Seite im Netz betreiben, ließen sich aber nicht beirren, setzten ihre Forschungen fort und stießen nun laut eigenen Angaben auf weitere Hinweise, die organisches Leben in den Wolken der Venus plausibel erscheinen lassen.

Neue Hoffnung: Ammoniak

Für ihre neue Studien – eine im Fachblatt "Astrobiology" und eine in "PNAS", die erst dieser Tage erscheint,– haben sie ein Modell der Venus-Atmosphäre erstellt und ließen dort simuliert verschiedene chemische Prozesse ablaufen. Die nicht ganz unumstrittene Ausgangshypothese ihrer Experimente: In der Atmosphäre der Venus findet sich Ammoniak. Ein Vorkommen dieser Verbindung war in den 1970er-Jahren in der Atmosphäre des Nachbarplaneten nachgewiesen worden – allerdings bis heute mit einem Fragezeichen.

Diese Skepsis rührt daher, dass die Entstehung von Ammoniak in den gemessenen Mengen mit den uns bekannten chemischen Prozessen auf der Venus nicht zu erklären ist. Genau hier setzen Saeger und ihr Team an: Sie verweisen darauf, dass auf der Erde bestimmte einfache Lebensformen ihre extrem sauren Umgebungen über die Bildung von Ammoniak lebensfreundlich machen würden. Genau das könnte sich laut ihren Simulationen auch in der Venus-Atmosphäre in der "temperierten Zone" abspielen – und würde zudem das Vorkommen von molekularem Sauerstoff und die bisher nicht nachvollziehbaren Verteilungen von Schwefeldioxid und Wasser erklären.

Künstlerische Darstellung der Bakterien in der Venus-Atmosphäre. Die Mikroben könnten durch chemische Prozesse ihre unmittelbare Umgebung lebensfreundlich gestalten.
Illustration: J. Petkowska

Magenbakterien als Vorbilder

Sara Saegers Resümee: "So gut wie kein uns bekanntes Leben könnte in der extrem sauren Atmosphäre der Venus überleben. Aber der Punkt ist, dass es dort vielleicht Leben gibt, das seine Umgebung so verändert, dass sie bewohnbar wird." Mögliche Beispiele dafür tragen wir übrigens in unseren Mägen herum, wo Bakterien ebenfalls eine sehr saure Umgebung neutralisieren und für sie bewohnbar machen.

Ob es tatsächlich Ammoniak in der Venus-Atmosphäre gibt und noch dazu Leben in Form von säureresistenten Bakterien, sollte sich noch in diesem Jahrzehnt klären lassen. In den nächsten Jahren sollten nämlich die geplanten Venus-Missionen entsprechende Daten liefern. So will die US-Raumfahrtagentur Nasa im Rahmen ihres Discovery-Programms gleich zwei Missionen zur Venus schicken. Zudem wollen Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate den Planeten genauer erkunden. Um womöglich doch extraterrestrisches Leben zu entdecken. (Klaus Taschwer, 24.12.2021)