Ex-Kanzler Gusenbauer und Klima: Es gibt ein profitables Leben nach der Politik.

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Wien – Anfang des Monats hat sich Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, zu diesem Zeitpunkt Klubobmann der ÖVP im Nationalrat, aus der Politik zurückgezogen, um sich zunächst seiner neuen Rolle als Vater zu widmen. Diese Phase aber dauert wohl nur zwei "Papa"-Monate.

Nach Berichten vom Weihnachtswochenende hat Kurz einen Vertrag mit dem in Denver, Colorado, etablierten Datenanalyseunternehmen Palantir abgeschlossen. Palantir arbeitet eng mit US-Behörden und US-Diensten zusammen. Kritisiert wurde das Unternehmen unter anderem für seine Zusammenarbeit mit der U.S. Immigration and Customs Enforcement Agency – das ist jene Behörde, die illegale Migration unterbinden soll, gegebenenfalls mit Abschiebungen. Bei Palantir hat seinerzeit auch die ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas (in dieser Funktion 2008 bis 2014) angedockt.

Großkoalitionäre Profis zu Beginn der Republik

Dass ein ehemaliger Bundeskanzler in die Privatwirtschaft wechselt, ist keine ungewöhnliche Entwicklung mehr, auch wenn es zu Beginn der Zweiten Republik anders war.

1945 war der Sozialist Karl Renner Staatskanzler, nach der Nationalratswahl im selben Jahr ließ er sich zum Bundespräsidenten wählen und gelobte Leopold Figl (ÖVP) zum Bundeskanzler an. Figl war ein Mann des Konsenses, man sprach nach durchlebter Verfolgung durch den NS-Staat von einem "Geist der Lagerstraße" in der ÖVP-SPÖ-Koalition, aus der die KPÖ 1947 ausgeschieden war. Der Bauernbündler Figl galt in seiner eigenen Partei als zu nachgiebig gegenüber der SPÖ und musste 1953 das Amt an den Wirtschaftsbündler Julius Raab abgeben. Figl wurde anschließend zunächst Außenminister, dann Nationalratspräsident und schließlich Landeshauptmann von Niederösterreich.

Sein Nachfolger im Kanzleramt, Julius Raab, galt den ÖVP-Ländern aber ab dem Ende der 1950er Jahre als zu wenig dynamisch. 1961 musste er das Amt abgeben. Er kandidierte, schon todkrank, vergeblich bei der Bundespräsidentschaftswahl 1963 und starb kurz danach. Nachfolger wurde Alfons Gorbach. Mit vergleichbarem Schicksal – auch er wurde 1964 Opfer der ÖVP-Ränke; auch er kandidierte vergeblich für die Präsidentschaft und blieb danach Privatmann.

Die Ära der Alleinregierungen

Ähnlich hielt es Josef Klaus (1964–1970), der nach einer Periode Alleinregierung und einer Wahlniederlage gegen Bruno Kreisky (SPÖ) den Hut nahm und sich zurückzog. Den Fehler, bei der Bundespräsidentenwahl antreten zu wollen, vermied Klaus. Er schrieb noch eine Autobiographie und verbrachte seinen Ruhestand teilweise in Italien.

Der erste sozialistische Bundeskanzler Bruno Kreisky blieb bis 1983 mit einer Alleinregierung im Amt. Anschließend in der Pension litt er sehr unter dem Verlust an Einfluss. Er grollte in Interviews über die Fehler der von ihm eingefädelten SPÖ-FPÖ-Regierung, beklagte, von seiner Partei nicht ernst genommen zu werden – und schrieb drei Bände Memoiren. Sein letztes Projekt war ein politisches: Kreisky berief eine hochrangig besetzte "Unabhängige Kommission für Beschäftigungsfragen in Europa" ins Leben und machte damit ein letztes Mal Schlagzeilen.

Nachfolger Fred Sinowatz war ein vergleichsweise unauffälliger Pragmatiker, der die Koalition mit den Freiheitlichen ohne erkennbare Freude führte. Er übergab nach der Wahl Kurt Waldheims 1986 an Franz Vranitzky, blieb aber noch zwei Jahre lang Nationalratsabgeordneter und Parteivorsitzender – bis er über ein von ihm selbst angestrengtes Gerichtsverfahren stolperte.

Die Manager der Republik

Vranitzky, der erste aus dem Management in die Politik gewechselte Mann an der Regierungsspitze, ging 1997 ebenfalls freiwillig. Er übernahm noch mehrere Konsulenten- und Aufsichtsratsmandate.

Viktor Klima (SPÖ, Kanzler von 1997 bis 2000) ging anschließend an die von Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Jörg Haider (FPÖ) vereinbarte Machtübernahme aus der Politik – und für VW nach Südamerika. Auch die Nachfolger (bis auf die Pensionistin Brigitte Bierlein und den Diplomaten Alexander Schallenberg) gingen in die Wirtschaft.

Zunächst war da Wolfgang Schüssel, der sich 2000 von der FPÖ zum Kanzler hatte machen lassen: Nach der knappen Wahlniederlage von 2006 gab er die Obmannschaft in der Partei und einen Anspruch auf ein Regierungsamt ab und wurde Klubobmann im Parlament. Erst 2011 verließ Schüssel die Politik (obwohl es Überlegungen gab, dass er EU-Kommissionspräsident werden könnte) und war in mehreren internationalen Funktionen (bei RWE, Lukoil und dem Kuratorium der wirtschaftsliberalen Bertelsmann Stiftung) tätig.

Der Wahlsieger von 2006, Alfred Gusenbauer (SPÖ, 2007-08), scheiterte teilweise an der eigenen Partei – seine internationalen Kontakte ermöglichten ihm eine Konsulentenkarriere. Nachfolger Werner Faymann (SPÖ, 2008-2016) hatte die SPÖ auch nicht geschlossen hinter sich – nach seinem Abgang zog es ihn in die Immobilienwirtschaft.

In der Person von Christian Kern kam der nächste Mann mit Managementerfahrung ins Kanzleramt – er führte einen erfolgreichen Wahlkampf, die SPÖ legte zu, unterlag aber dennoch der Kurz-ÖVP. Kern blieb noch ein Jahr an der SPÖ-Spitze, verpasste die Spitzenkandidatur für das EU-Parlament und gab sich anschließend Ostgeschäften hin.

Schließlich Kurz: Er wurde zweimal abgelöst – erst durch die pensionierte Höchstrichterin Brigitte Bierlein, die anschließend wieder in Pension ging. Dann durch Alexander Schallenberg, der ebenfalls nach wenigen Wochen in seine frühere Funktion als Außenminister zurückkehrte. (Conrad Seidl, 27.12.2021)