Fast die Hälfte der Österreicher glaubt an die Homöopathie, auch eine Fachhochschule bedient die Nachfrage nach alternativmedizinischen Methoden mit einem Lehrgang.

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Hinter einem "Master of Science" kann sich aufgrund einer verwirrenden Titelterminologie etwas anderes verbergen, als man denkt. Denn dieser akademische Grad wird nicht nur nach Abschluss eines ordentlichen natur- oder sozialwissenschaftlichen Masterstudiums verliehen, sondern kann auch bei den kostspieligen hochschulischen Weiterbildungslehrgängen vergeben werden. Diese sind meist berufsbegleitend und bringen im Schnitt einen geringeren Aufwand mit sich. Um die erheblichen Unterschiede beider Arten von Master künftig für Außenstehende deutlicher zu machen, hat das Parlament im Sommer eine Novelle beschlossen, wonach Weiterbildungsmaster künftig den Zusatz "Continuing Education" ausweisen müssen.

Ganzheit und Potenzen

Doch nicht nur der Titel Master ist vielschichtig, auch die Bedeutung des Begriffs "Science" wird mancherorts auf überraschende Weise interpretiert. Die Fachhochschule Campus Wien bietet im Wintersemester 2022 – wie schon erstmals 2017 – für Interessierte aus Gesundheitsberufen den Weiterbildungs-Masterlehrgang "Ganzheitliche Therapie und Salutogenese" an. In vier Semestern, für die man als Teilnehmer insgesamt rund 14.000 Euro zahlen muss, soll ein "fundierter Einblick in ganzheitliche Therapieformen und Methoden" vermittelt werden, und zwar "nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft", wie die FH auf ihrer Website behauptet.

Im ersten Semester des Lehrgangs werden allerdings die Fächer "Anthroposophie" und "Ausleitende und umstimmende Therapieverfahren" gelehrt, zu denen die Initiative für Wissenschaftliche Medizin in einem Beitrag jüngst festhielt: "Das hat mit Wissenschaft nur insofern zu tun, dass die Ergebnisse der medizinischen Wissenschaft keinen Nachweis für deren Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus bringen."

Im zweiten Semester steht dann ein Kurs in Homöopathie auf dem Lehrplan – also eine Behandlungsmethode, für deren medizinische Wirksamkeit abseits von Placebo ebenfalls keine Evidenz vorliegt, wie die wissenschaftliche Forschung seit Jahrzehnten zeigt. Dennoch wird im Homöopathiekurs laut FH-Angaben über "Materia Medica – Die wichtigsten homöopathischen Arzneien" und deren "Rezeptur und Potenzen" gelehrt. Eine weitere Auswahl aus dem Pflichtprogramm des Masterlehrgangs: F.-X.-Mayr-Kuren, Ayurveda, Traditionelle Europäische Medizin und Klostermedizin sowie Homotoxikologie – Letztere wiederum eine Spielart der Homöopathie.

Auf Anfrage des STANDARD schreibt die Fachhochschule gleichwohl, dass sämtliche Fächer "wissenschaftlich erforschte Bereiche der internationalen Komplementärmedizin" seien. Man habe den Lehrgang gemeinsam mit Expertinnen und Experten der Wiener Internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin (Gamed) entwickelt und qualitätsgesichert. Mit der Gamed kooperiere man überdies laufend auf wissenschaftlicher Ebene.

Harmonische Schwingungen

Ein Arzt, der sowohl als Mitwirkender des Lehrgangs auftritt als auch im Vorstand der Gamed sitzt, ist der Wiener Allgemeinmediziner Gerhard Kögler. Sein Name scheint bei den Unterzeichnern jenes offenen Briefes auf, in dem 200 Ärzte mit irreführenden und teils falschen Argumenten den Nutzen der Covid-Impfung herunterspielen. Eine Nachfrage zum Brief ließ Kögler unbeantwortet. Auf der Homepage seiner Praxis in Wien-Hietzing gibt er sich weniger wortkarg. Da preist er etwa die Behandlung mit einer Klangliege an, weil diese die Schwingungen der Moleküle im Körper zu harmonisieren vermöge. Bei der Bioresonanztherapie, so erfährt man weiter, würden "Schwingungen verabreicht, die krankhafte Schwingungsmuster wieder ausgleichen sollen". Angeboten wird in Köglers Arztpraxis auch eine "Planeten-Zuordnung", die mit Denkmustern der folgenden Art arbeitet: Ein als Uranus typisierter Mensch neige zur Originalität, aber auch zu Unfällen und Herzrhythmusstörungen. Ihm wird ein anderes ätherisches Öl zuteil als einem Saturn, der mit Weisheit und schwachen Knochen assoziiert wird.

Homöopath als Lehrgangsleiter

Zurück zum FH-Lehrgang: Als dessen Leiter fungiert der Allgemeinmediziner Gerhard Hubmann, der zugleich Vizepräsident der Gamed ist. Hubmann wird in der Personenbeschreibung der FH ganz offen als "Homöopath" bezeichnet. In seinem Wiener Therapiezentrum bietet er Holopathiesitzungen an, bei denen angeblich die "Blockaden des Energiesystems" der Patienten aufgespürt werden, als Gegenmittel werden ihnen dann "optimale Frequenzspektren als Energieinformationen" verabreicht. Immerhin räumt Hubmann in einer Fußnote ein, dass dieses "Behandlungsverfahren" wissenschaftlich nicht anerkannt ist. Er und die Gamed kooperieren denn auch mit der Metatron-Apotheke in Meidling, die sich nach eigenen Angaben den Spezialthemen "Homöopathie, Spagyrik und Blüten" verschrieben hat – so sieht auch die Produktpalette aus. Diese Apotheke habe maßgeblich zum Start ihres Lehrgangs beigetragen, hob die FH Campus 2018 dankend hervor. Anfang 2021 kam die Metatron-Apotheke ins Gerede, weil sie eine homöopathische Covid-"Impfstoffnosode" feilbot, der sie die "Ausleitung" von Impfnebenwirkungen zuschrieb.

Fortbildungspunkte der Ärztekammer

Die Fachhochschule sieht derzeit keinen Grund, den von Hubmann geführten Lehrgang aus dem Programm zu nehmen, zumal er "von allen Fachleuten aus den Gesundheitsberufen nach wie vor sehr gut nachgefragt wird", wie es in einer Stellungnahme heißt. Darüber hinaus verweist die Hochschule auf den Rückhalt der Ärztekammer, die ihrerseits Zusatzdiplome für Anthroposophische Medizin oder Homöopathie vergibt – was allerdings innerhalb der Ärzteschaft vielfach für Kopfschütteln sorgt. Für den besagten FH-Lehrgang konnten sich Ärztinnen und Ärzte in den vergangenen Jahren im Diplom-Fortbildungs-Programm DFP-Punkte holen, was einer Förderung durch die Ärztekammer gleichkommt. Auch für den im Herbst 2022 startenden Lehrgang werden von der FH für das erste Semester 96 DFP-Punkte der Kammer in Aussicht gestellt.

Akademie der Ärzte ortet "Ungereimtheiten"

Günther Ochs ist Geschäftsführer der Akademie der Ärzte, die für die organisatorische Abwicklung der Ärztefortbildung zuständig ist. Er bestätigt dem STANDARD, dass der Lehrgang in vergangenen Jahren tatsächlich approbiert war. Für die Neuauflage 2022 gelte das aber noch nicht, wie Ochs betont: "Insofern sehe ich es auch als problematisch, dass auf der FH-Website für den künftigen Lehrgang mit DFP-Punkten geworben wird. Bis jetzt wurde bei uns kein neuer Antrag eingebracht." Ochs fügt hinzu: "Wir werden die FH auf diese Ungereimtheit ansprechen." Inhaltlich könne die Akademie der Ärzte den Lehrgang jedoch nicht kommentieren, da man nur die Vorgaben der Ärztekammer umsetze, die ein sehr breites Spektrum an Angeboten zulasse.

Die Österreichische Ärztekammer erklärt zu ihrer Förderung der Lehre in Homöopathie und Co: "Qualitätsgesicherte komplementäre Therapien können durchaus gute ergänzende Therapien sein. Der große Unterschied zu allen anderen Berufsgruppen ist, dass Ärztinnen und Ärzte gesetzlich verpflichtet sind, nach dem Stand der Wissenschaft zu behandeln, und auch die rechtlichen Konsequenzen für ihr Tun tragen. Daher ist es auch gut, fundierte und umfangreiche Fortbildungen in diesem Bereich anzubieten, um genau die Grenzen und die möglichen Einsatzbereiche komplementärmedizinischer Ansätze zu kennen." Welche konkreten Qualitätskriterien sie bei ihren Förderentscheidungen anwendet, beantwortete die Ärztekammer nicht. (Theo Anders, 29.12.2021)