Über die Feiertage wieder die übliche "Kaiserin Sissi"-Völlerei. Im ORF die dreistöckige Romy-Schneider-Torte, jetzt auch eine etwas pikanter angerührte, aber trotzdem eher unverdauliche "Sisi", außerdem köchelt ein Netflix-Projekt vor sich hin. Sisi forever. Das ist die Faszination einer bildschönen jungen Frau, Kaiserin eines europäischen Imperiums.
Die Realität ist inzwischen historisch sehr gut aufgearbeitet: ein überforderter Teenager, mit 16 verheiratet mit ihrem Cousin, einem pedantischen Langweiler, der sie mit einer Geschlechtskrankheit ansteckte (nachdem er angesichts ihrer zeitweiligen Verweigerung anderwärts Entspannung suchte). Sie schubste ihm dafür später eine Schauspielerin ins Bett. Der Sohn und Thronfolger (der als Kind zeitweise eine sadistische "militärische Erziehung" erhielt) ein Mörder und Selbstmörder. Sie selbst als Frau immer exzentrischer und depressiver, ein manischer Körper- und Schönheitskult (in der Schönbrunner Wagenburg ein Kleid mit unglaublicher Wespentaille), halsbrecherisches Parforcereiten, rastloses Reisen. Lange nicht selbstbestimmt, immer auf der Suche nach einer Identität.
In den frühen "Sissi"-Filmen sah das Unterrichtsministerium "die charakteristischen Merkmale österreichischer Wesensart". Richtig: Depression, Erziehung zum Gehorsam statt zur Freiheit, neurotische Züge sind ja nach Erwin Ringel fixe Bestandteile der "österreichischen Wesensart". Vielleicht darum der "Sisi"-Kult. (Hans Rauscher, 27.12.2021)