Stoff für kirchliche und weltliche Prachtgewänder kam aus Fernost.

KHM Museumsverband

Mit einem weit verbreiteten Missverständnis räumt die Ausstellung auf: Die eine Seidenstraße gibt es nicht und gab es nie. Denn die legendäre Handelsroute zwischen China und Europa war ein verzweigtes Netzwerk aus vielerlei Straßen, mit Abzweigungen und komplexer Logistik. Von ca. 100 vor Christus bis ins 14. Jahrhundert war sie die Hauptschlagader interkontinentalen Austauschs und eine erste Ahnung davon, was man später Globalisierung nennen wird.

Heute forciert China mit seiner "Belt and Road"-Initiative, auch "Neue Seidenstraße" genannt, eine Wiederbelebung der alten Handelsrouten. Quer durch Eurasien, im Nahen und Mittleren Osten, bis nach Nordafrika und Südostasien ausstrahlend, werden Infrastrukturprojekte vorangetrieben – nicht unumstritten freilich und unter gänzlich anderen geopolitischen Vorzeichen als noch vor Jahrhunderten.

Äpfel und Seuchen

Die Ausstellung Staub und Seide – Steppen- und Seidenstraßen, aktuell im Wiener Weltmuseum zu sehen, hat beides im Blick, Vergangenheit und Gegenwart. Gezeigt werden etwa Videos von gigantischen Straßenbauprojekten in Zentralasien, geschildert die Reiserouten von Marco Polo (1254–1324) bis hin zu Ethnologen des 19. und 20. Jahrhunderts, auf die viele Sammlungen zurückgehen. Die Ausstellung, kuratiert von Maria Katharina-Lang, entstand in Kooperation mit dem Hamburger Museum MARKK. 200 Objekte sind zu sehen, darunter natürlich edle Stoffe und Porzellan, gehandelt wurde aber vieles mehr: Gewürze, Tee, Gold, Pferde, in Europa davor unbekanntes Obst wie Äpfel – und, ja, auch Seuchen bahnten sich schon damals ihren Weg.

Ein Manko der Ausstellung ist, dass offensichtliche Bezüge zur heimischen Lokalgeschichte, wie etwa der bei Trachten verwendete "Kalmuck-Stoff", trotz eines Kapitels über das mongolische Reitervolk der Kalmücken unerwähnt bleiben. Und eine klarere Struktur hätte der Schau gutgetan. Ein Reiseführer kann also nicht schaden. (Stefan Weiss, 28.12.2021)