Meryl Streep gibt in "Don’t Look Up" das Zerrbild einer US-Präsidentin.

Foto: 2021 Netflix, Inc.

Von der US-Politik heißt es häufig, dass sie längst über das Stadium der Parodierbarkeit hinaus ist. Es passt zu Meryl Streep, dass sie sich davon nicht beeindrucken lässt. Im aktuellen Netflix-Film Don’t Look Up spielt sie eine öffentlich rauchende (!!!) US-Präsidentin, die so hirnverbrannt agiert, dass selbst Donald Trump dagegen wie ein rationaler Politiker wirken könnte.

Wie man den erratischen GröPräsaZ kennt, wird er es am Ende sogar noch als Kompliment nehmen, dass die erste Schauspielerin ihrer Generation in Amerika ihn aufs Korn genommen hat. Dabei ist das Urteil von Don’t Look Up über die Medien zwischen Fox News und Facebook nichts anderes als vernichtend.

Streep hat natürlich zur Genüge bewiesen, dass es anders geht. Sie ist nicht einfach ein Leitstern im Starsystem, sie steht auch für das liberale Amerika, das selbst auf Hollywood mit einer gewissen Distanz schaut. Ihre Anfänge im Kino fielen in eine Zeit, als dort eine neue Generation antrat. Es war Robert De Niro, der sie für eine Hauptrolle in Die durch die Hölle gehen (1978) vorschlug, einen der größten Vietnam-Filme.

Realistisches Frauenbild

Streep war damals als Bühnenschauspielerin schon berühmt, und sie lebte mit dem Kollegen John Cazale zusammen, der in fast allen Schlüsselfilmen dieser Zeit mit dabei war. Er starb im selben Jahr, in dem die Karriere von Meryl Streep abhob. Sie half sich mit intensiver Arbeit über den Verlust hinweg. Die Fernsehserie Holocaust brachte einem breiten Publikum das Menschheitsverbrechen an den Juden nahe.

In dieser Phase ließ sie sich auf das Kino immer noch zögerlich ein. Von ihrer Jugend in New Jersey her, wo sie 1949 zur Welt gekommen war, von ihrer Ausbildung am renommierten Vassar College und später in Yale stand ihr das Theater immer näher. Für ihre wegweisende Rolle in dem Scheidungsdrama Kramer gegen Kramer (1980) brachte sie auch mit Bestemm ein realistisches Frauenbild ein.

Sie gewann damals ihren ersten Oscar, es folgten zwei weitere für Sophies Entscheidung und Die Eiserne Lady. Ihre großen Rollen sind kaum zu zählen: Jenseits von Afrika,Die Brücken am Fluss,Der Teufel trägt Prada waren besonders erfolgreich. Politisch engagierte sie sich zuletzt für Hillary Clinton. Für deren Niederlage 2016 ist Don’t Look Up keine Genugtuung. Nur ein Beweis für eine Kunst, die auch zu sich selbst auf Distanz gehen kann. Damit gibt sie noch in der Entstellung ein Zeugnis für das entglittene menschliche Maß ab. (Bert Rebhandl, 28.12.2021)