In über 60 Filmen ist die deutsch-französische Schauspielerin zu sehen.
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Als die 16-jährige Romy Schneider die Hauptrolle im Historiendrama "Sissi" bekam, war vermutlich den wenigsten klar, welchen Einfluss das fortan auf ihr Leben haben würde – allen voran ihr selbst. Während Ernst Marischkas dreiteilige Filmreihe in den 1950er-Jahren eine willkommene Ablenkung im Nachkriegsösterreich war, ist sie heute vielmehr eine Wiederbelebung einer ewiggestrigen Welt. Einer Welt, in der Frauen bestenfalls zu gefügigen, sich aufopfernden, dem Kaiserreich dienenden, unmündigen Personen deklariert wurden, deren Freiheiten und Lebensentscheidungen immer von Männern abhängig und somit eingeschränkt waren. Der Anblick der mädchenhaften Romy Schneider in den einengenden Korsettkleidern und der erdrückend schweren Perücke erfreut aber auch heute noch unzählige Zuseherinnen und Zuseher. Viel zu sehr hängen sie an der heilen Welt des Films, der die Weihnachtsfeiertage mit seinem Kitsch abrundet.

Romy Schneider litt in den Sisi-Verfilmungen nicht nur unter der falschen Haarpracht.
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Und Romy Schneider? Sie wurde durch ihre Rolle regelrecht zur Reinkarnation der Kaiserin Sisi. Man könnte auch sagen, sie wurde zum wunderschönen Erbe und Eigentum der österreichisch-deutschen Geschichte – ungeachtet dessen, wie sehr sie dieses Image letzten Endes selbst verachtete und sich davon befreien wollte.

Französische Freiheit

Doch was passiert mit einem Publikumsliebling, der nicht mehr gewillt ist, des Publikums Liebling zu sein? Auf die harte, wenn auch durchaus übliche Tour musste Romy Schneider, wie viele berühmte Frauen vor und nach ihr, lernen, wie sehr ihre Lebensentscheidungen in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt, verdreht, kritisiert und verurteilt wurden.

Dass sie Deutschland letztlich den Rücken zukehrte, um in Frankreich einen Neustart zu wagen, wurde ihr von vielen Menschen bis an ihr Lebensende nicht verziehen. Von der Klatschpresse als junges "deutsches Mädel" und Tochter der bekannten Schauspielerin Magda Schneider einst hochgejubelt, wurde sie bis zu ihrem frühen Tod auf Schritt und Tritt verfolgt – immer daran gemessen und kritisiert, wie sie Stück für Stück von ihrem jugendlichen Image abwich. Romy Schneider war plötzlich nicht mehr nur das hübsche, liebe Mädchen, das sich gefügig den Erwartungen des Publikums hingab. Sie war eine Frau, die selbstbestimmt handelte und Entscheidungen traf – was damals so gar nicht im Sinne der Öffentlichkeit war.

Das führte auch zu familiären Spannungen und einer Loslösung, die längst überfällig war. Einerseits von ihrer Mutter, die Romy Schneider seit der Kindheit in ihre eigenen Fußstapfen zwängte und darüber bestimmte, was sie tun sollte und was nicht. Andererseits von ihrem Stiefvater und Manager Hans Herbert Blatzheim, der als ihr "Daddy" nicht nur ihre gesamten Gagen verwaltete und veruntreute, sondern sie auch immer wieder bedrängt haben soll. Ihr Ausbruch aus dem fremdbestimmten Leben wurde für Schneider zur Chance, sich im Privatleben und in der Filmbranche neu zu behaupten.

Die schwierige Suche nach Identität

Was sie allerdings nicht ablegen konnte, war der starke Wunsch zu gefallen. Biografien, Dokumentationen und einem Gespräch, das Alice Schwarzer 1976 mit Schneider führte, ist zu entnehmen, dass sie trotz aller Erfolge, ihres Engagements und der Wertschätzung vieler Kolleginnen und Kollegen starke Selbstzweifel plagten. Denn Romy Schneider wurde nicht nur von der Presse zerrissen, sie war es – und das schmerzte sie wohl am meisten – vor allem tief in ihrem Inneren.

1976 sprach Romy Schneider mit Alice Schwarzer im Interview. 2018 wurden die Aufnahmen im Rahmen der Dokumentation "Ein Abend mit Romy" auf Arte veröffentlicht.

Sie wollte sich voll und ganz ihrer Karriere widmen und in ihrem Beruf aufgehen, sah sich aber in einem Widerspruch begriffen. Nämlich dem, dass Frauen immer in einer Abhängigkeit zu den in der Filmbranche dominanten Männern standen, die ihren Werdegang maßgeblich mitbestimmten. Sie wollte intakte Beziehungen zu ihren Partnern führen. Doch diese fühlten sich durch ihren Erfolg häufig angegriffen. Romy Schneider war außerdem davon getrieben, die zu ihrer Zeit weitverbreiteten gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen erfüllen zu müssen. Das bedeutete vor allem, eine liebende Ehefrau und Mutter zu sein und diese Funktion über alles andere zu stellen. Doch auch diese Erwartungen führten zu einem Widerspruch und zur Trennung von ihrem ersten Mann und Vater ihres Sohnes, Harry Meyen. Einerseits wollte sie dieser Rolle entsprechen, andererseits verlor sie sich selbst darin. Romy Schneider war nicht mehr das Mädchen, das von allen möglichen Seiten zurechtgeschneidert und verbogen werden konnte. Weder im Film noch im echten Leben wollte sie jene "unschuldige und reine Frau" sein, als die sie ihr früherer Partner Alain Delon einst bezeichnete.

Ein beinahe kaiserliches Erbe

Das alles blieb freilich nicht unbemerkt. Kaum eine Schauspielerin erfuhr in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren so viel Aufmerksamkeit wie Romy Schneider. Sie wurde noch Zeit ihres Lebens zur faszinierend-tragischen Ikone der Film- und Medienwelt. An ihrer Widersprüchlichkeit und ihren Selbstzweifeln, dem Wunsch, gesehen, akzeptiert und respektiert zu werden, an ihrer Abhängigkeit von Alkohol und Medikamenten, an dem Misstrauen in die Medien und andere Menschen und letztlich an dem Verlust ihres Sohnes – an all diesen Dingen ist Romy Schneider letztlich zerbrochen. Sie starb am Höhepunkt ihrer Karriere mit 43 Jahren in Paris.

Dass ihr Sein und Wirken bis heute Menschen bewegt, gehört vermutlich zu dem Mythos um ihre Person. Dass auch Jahre nach ihrem Tod, der sich im Jahr 2022 bereits zum 40. Mal jährt, Diskussionen darüber entbrennen, welcher Nation sie wirklich angehört, warum sie "Sissi" den Rücken zugekehrt hat, ob sie eine gute Mutter war, ja eine wirklich so herausragende Schauspielerin, ist vermutlich schlicht und einfach darauf zurückzuführen, dass Romy Schneider eine Frau war. Eine Frau, die in der Öffentlichkeit stand und sich nicht den Mund verbieten ließ. Die sich trotz aller Widrigkeiten behaupten konnte. Die ihren Beruf liebte und dafür geschätzt und respektiert werden wollte. Die als die Frau gesehen werden wollte, die sie war. Nicht als Kaiserin der Herzen. (Magdalena Waldl, 31.12.2021)