Der Professor und die Termiten: Edward O. Wilson 1992 in Trinidad.
Foto: imago/Nature Picture Library

Der Ameisenforscher und Evolutionsbiologe Edward O. Wilson ist tot. Im Alter von 92 Jahren verstarb er am Sonntag in Burlington im US-Bundesstaat Massachusetts, wie die Stiftung E.O. Wilson Biodiversity Foundation mitteilte. Wilson ist vor allem für seine Beiträge zur Biologie der Ameisen und zur Erhaltung der Artenvielfalt bekannt und wurde angesichts seiner Beiträge zu evolutionsbiologischen Theorien auch als "Erbe Darwins" bezeichnet. Mit seinen Thesen zur Sozialbiologie sorgte der Harvard-Professor für heftige Diskussionen.

Wilson erhielt für zwei seiner Sachbücher den renommierten Pulitzer-Preis – darunter für das Standardwerk über Ameisen, "The Ants", das er mit dem deutschen Verhaltensforscher Bert Hölldobler verfasste. Der Forscher wurde 1929 im Bundesstaat Alabama geboren. Er gelte als einer der bedeutendsten und anerkanntesten amerikanischen Wissenschafter der modernen Geschichte, so die E.O. Wilson Biodiversity Foundation. Er sei liebevoll als "der Ameisenmann" bezeichnet worden und Autor von mehr als 30 Büchern sowie Hunderten wissenschaftlichen Abhandlungen. Das "Time"-Magazin zählte Wilson 1996 zu einem der 25 einflussreichsten Menschen Amerikas. Er wurde unter anderem mit der National Medal of Science ausgezeichnet, die vom US-Präsidenten an herausragende Persönlichkeiten der Wissenschaft verliehen wird.

Wesentlich gestaltete Wilson die Debatte über evolutionäre Selektion mit – und zeigte dabei, dass ein Forscher nicht sein Leben lang den gleichen Thesen anhängen muss, sondern bei veränderter Einschätzung auch zu anderen Folgerungen gelangen kann. In den 1970er-Jahren führte er den Begriff Soziobiologie für die Erforschung biologischer und evolutionärer Grundlagen des Verhaltens ein. Dabei geriet er vor allem durch Werke in die Kritik, in denen er teilweise bei Tieren beobachtete Prinzipien auf biologische Grundlagen des Menschen übertrug.

"Freude am Streben nach Wissen"

Später distanzierte sich der Biologe von einer sozialdarwinistischen Interpretation dieser Überlegungen. Und er wandte sich vom Gen als wichtigstem Antrieb der Evolution (ein Gedanke, der von Richard Dawkins mit dem Stichwort "egoistische Gene" weit verbreitet wurde) über Konzepte der Verwandtenselektion zur Ablehnung dieser Ansätze.

Stattdessen näherte er sich der eher umstrittenen Theorie der Gruppenselektion an. Diese geht auf Charles Darwin zurück und sieht stattdessen Populationsgruppen als wichtigste Einheit der Evolution – nicht nur bei Ameisen, sondern auch beim Menschen. Es sei also nicht der individuelle Erfolg das Ziel – oder der Erfolg von engen Verwandten, um damit auch eigenes genetisches Material für künftige Generationen durchzusetzen –, sondern der Nutzen der sozialen Gruppe, der auch durch altruistische, selbstlose Taten unterstützt wird.

"Eds Heiliger Gral war die schiere Freude am Streben nach Wissen", sagt die Präsidentin der Stiftung, Paula J. Ehrlich. Wilson hatte sich besonders in den vergangenen Jahren für den Erhalt der Artenvielfalt und der Ökosysteme eingesetzt. An der Universität Harvard wurde mit seiner und weiteren Spenden ein nach ihm benanntes Stipendium ins Leben gerufen, das Postdoc-Forschende im Bereich der Entdeckung und Beschreibung von Tierarten unterstützt. (red, APA, 28.12.2021)