Kritische Infrastruktur wie die Impfstraße im Austria Center Vienna (ACV) wird bei Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen bereits verstärkt von den Behörden gesichert.

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Die organisierten Corona-Leugner und Impfgegner radikalisieren sich zunehmend. Die Entwicklung ist seit langem zu beobachten und zeigt sich nicht nur bei Demonstrationen, sondern auch in immer häufigeren Angriffen und Bedrohungen gegen Gesundheitspersonal, Wissenschafterinnen und Wissenschafter sowie kritische Infrastruktur wie Spitäler oder Impfstraßen. In den letzten Wochen wurde von mehreren Seiten der Wunsch nach erhöhtem Schutz für Gesundheitseinrichtungen laut, vor allem aus den Bundesländern, auch die Ärztekammer forderte mehr Schutz.

Vor knapp zwei Wochen wurde Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) schließlich vom Nationalrat mittels Entschließungsantrag dazu aufgefordert, den Schutz des Gesundheitspersonals angesichts der akuten Bedrohungslage sicherzustellen. Nun arbeitet das Innenministerium an Konzepten. Anfang 2022 soll ein konkreter Vorschlag vorliegen, sagte Karner am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz.

In der ZiB2 der ORF verteidigte Karner die Wiener Polizei gegen Vorwürfe, gegen Corona-Demonstranten im Gegensatz zu linken Aktivisten nicht konsequent vorzugehen. So hätten die Beamten bei einer der letzten Demonstrationen 700 Anzeigen aufgenommen.

Rechte und Pflichten

In welche Richtung es gehen soll, deutete der Innenminister bereits an: "Wir denken auch darüber nach, dass wir Schutzzonen für Gesundheitseinrichtungen errichten werden." Konkret dürfte es wohl um das Verbot von Demos und Kundgebungen vor Spitälern oder Gesundheitseinrichtungen generell gehen. "Mir ist klar, dass das Demorecht ein hohes Gut ist, aber es gibt nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten", sagte Karner dazu relativ allgemein.

Wäre es möglich, Demos vor Spitälern pauschal zu untersagen? Die kurze Antwort wäre wohl: Ja, unter bestimmten Umständen. Derzeit kann die zuständige Behörde – in Wien ist das die Polizei – nur im konkreten Anlassfall handeln. Soll heißen: Wenn eine Versammlung angezeigt wird und triftige Gründe dafür vorliegen, kann die Polizei die Demo oder Kundgebung untersagen. Diese Gründe liegen dann vor, wenn der Zweck der Versammlung "den Strafgesetzen zuwiderläuft" oder wenn anzunehmen ist, dass die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet sind. Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass Versammlungen von den Behörden zuerst genehmigt werden müssen, damit sie stattfinden dürfen. Auch spontane Versammlungen sind erlaubt.

Wenige Ausnahmen

Eine generelle Bannmeile existiert bisher nur in wenigen Ausnahmefällen, und zwar dann, wenn Nationalrat, Landtag oder Bundesrat zu einer Sitzung zusammenkommen. Dann darf im Umkreis von 300 Metern keine Versammlung stattfinden.

Das Sicherheitspolizeigesetz ermöglicht es außerdem, Platzverbote auszusprechen – man denke etwa an die Proteste gegen den WKR-Ball (später Akademikerball), bei denen großflächige Bereiche der Wiener Innenstadt zur Sperrzone erklärt wurden. Auch "Schutzzonen" können errichtet werden – die Regelung zielt allerdings vor allem auf den Schutz Minderjähriger und demnach auf Schulen und Kindergärten ab.

Änderung des Versammlungsgesetzes

Wollte man eine solche Art Bannmeile auch für Spitäler beziehungsweise Gesundheitseinrichtungen generell, dann müsste man allerdings das Versammlungsgesetz ändern, erläutert Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk im STANDARD-Gespräch. "Wenn eine echte Bedrohungslage vorherrscht und der Missbrauch des Versammlungsrechts droht – und das ist offensichtlich der Fall –, dann dürfte eine solche Maßnahme rechtlich zulässig sein." Die Schutzzonen-Regelung im Sicherheitspolizeigesetz für die vorliegenden Fälle anzuwenden wäre verfehlt, meint Funk.

Der Vorteil einer solchen Lösung – im Gegensatz etwa zu individuellen Untersagungen – liege in einer "Signalwirkung". Zudem würde es sich um eine generelle Lösung handeln, die dann auch Spontanversammlungen einschließe und die der Exekutive das Handeln leichter mache, sagt Funk. Es wäre allerdings juristisch herausfordernd: Denn die Regelung könne wohl nicht nur auf Spitäler abzielen, sondern müsse wohl Gesundheitseinrichtungen im weitesten Sinne umfassen, um treffsicher zu sein: etwa auch Impfstraßen, Impfstellen in Supermärkten und Kirchen oder Teststationen. "Ich halte es für möglich, eine Formulierung zu finden, die das alles umschließt und verfassungskonform ist." Man müsse wohl auf "Versammlungen abzielen, deren Zweck und Mittel darauf ausgerichtet sind, Menschen an der Ausübung ihrer Grundrechte zu hindern." Also zum Beispiel, wenn jemand dadurch medizinische Versorgung nicht in Anspruch nehmen kann.

Gegendruck

Zugleich müsse man damit rechnen, dass eine solche Bannmeile auch eine Gegenreaktion hervorrufen werde: "Jede Schraube, an der man dreht, erzeugt auch Gegendruck." Und obwohl eine solche Bannmeile wohl ein "taugliches und verhältnismäßiges Mittel" sein könne, um Gesundheitseinrichtungen zu schützen, würden Maßnahmen dieser Art auch zwangsläufig in Diskussionen über andere Bereiche führen. Kürzlich untersagte die Polizei an einem Einkaufswochenende zum Beispiel Demonstrationen, die in Einkaufsvierteln und vor 18 Uhr stattfinden hätten sollen. (Vanessa Gaigg, 30.12.2021)