Nicht nur die gewaltigen Baumriesen der Regenwälder sorgen dafür, dass Schadstoffe gebunden werden.
Foto: Achim Edtbauer

Die Zerstörung des brasilianischen Amazonas-Regenwaldes hat zuletzt erneut einen Rekordwert erreicht. Wie die brasilianische Weltraumbehörde Inpe Ende November aus aktuellen Satellitenbildern schloss, wurde binnen eines Jahres so viel Regenwald vernichtet wie zuletzt vor 15 Jahren: Zwischen August 2020 und Juli 2021 wurden 13.235 Quadratkilometer Regenwald vernichtet – fast 22 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, wo man ebenfalls einen Rekordwert verzeichnet hatte.

Der tropische Regenwälder wie jene des Amazonasbeckens sind für das globale Klima von zentraler Bedeutung. Nicht umsonst spricht man von der "grünen Lunge" der Erde. Doch es sind nicht alleine die gewaltigen Baumriesen, die Schadstoffe und Treibhausgase binden und für die Reinigung der Atmosphäre sorgen. Eine internationales Forschergruppe konnte nachweisen, dass die viel unscheinbareren Moose und Flechten eine entscheidende Rolle dabei spielen.

Nicht auf die Kleinen vergessen!

Im Schatten der riesigen Bäume und des Unterwuchses in Regenwäldern kann man sie leicht übersehen: Die Flechten und Moose, die einen Großteil der Baumstämme, Lianen und teilweise auch selbst die Blätter der immerfeuchten Wälder der tropischen Klimazone überziehen. Weltweit tragen sie zu etwa sieben Prozent zur Bindung von schädlichem Kohlendioxid bei, bei Stickstoff betrage die Bindung sogar rund 50 Prozent, teilte das Team von der Universität Graz, aus Deutschland und Brasilien mit.

Flechten (wie diese im Bild) und Moose mögen unscheinbar wirken, tragen aber erheblich zur Selbstreinigungskraft der Atmosphäre und zur Wolkenbildung bei.
Foto: Achim Edtbauer

In Zeiten des Klimawandels dürfe daher deren Bedeutung keinesfalls unterschätzt werden, betonte Bettina Weber, Professorin am Institut für Biologe der Universität Graz. Die Biologin hat mit Wissenschaftern des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz sowie des brasilianischen Instituto Nacional de Pesquisas da Amazônia in Manaus die Situation in Regenwäldern über einen Zeitraum von zwei Jahren (2016 und 2018) untersucht und die Erkenntnisse im Fachjournal "Nature Communications Earth & Environment" publiziert.

Sesquiterpenoid wirkt auf den Regen

"Wir messen vom Regenwald emittierte flüchtige organische Verbindungen in verschiedenen Höhen", berichtete Jonathan Williams, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. "Wenn man die Menge der Emissionen von Moosen und Flechten hochrechnet, kommt man auf ähnliche Werte wie bei den Bäumen", resümierte Achim Edtbauer, Wissenschafter am Max-Planck-Institut für Chemie und Erstautor der Studie.

Wie die Forschenden erkannten, produzieren Moose und Flechten erhebliche Mengen chemischer Verbindungen vom Typ Sesquiterpenoid. Diese reagieren rasch mit Ozon und bilden sauerstoffhaltige Verbindungen sowie Partikel in der Luft. Insgesamt beeinflussen diese Vorgänge die Wolkenbildung und den Niederschlag, sie stoßen außerdem die Selbstreinigungskraft der Erdatmosphäre an. Hochgerechnet auf die weltweite Fläche von tropischen Regenwäldern dürften demnach Flechten und vor allem Moose, die fast zehn Mal so viel wie die Flechten emittieren, substanziell zu den globalen Emissionen von Sequiterpenoiden beitragen.

Video: Moose und Flechten im brasilianischen Regenwald.
Max-Planck-Institut für Chemie

Weitere Untersuchungen

Folgestudien, die den Austausch der flüchtigen organischen Verbindungen von Moosen und Flechten unter kontrollierten Laborbedingungen messen, seien wichtig, hielt Bettina Weber fest. Sie will weiter klären, welche Rolle Temperatur, Licht und Luftfeuchtigkeit bei der Freisetzung der Sesquiterpenoide spielen. Dadurch könnten deren Emissionen in Atmosphären- und Klimamodelle integriert werden, um zum Beispiel die Auswirkungen von Trockenheit auf den Regenwald genauer abzubilden.

Dass eine Gemeinschaft aus Moosen, Flechten, Pilzen, Cyano- und anderen Bakterien für die Befestigung von Böden in Trockengebieten sehr wesentlich sind, wurde bereits erkannt. Das bestätigte auch Bettina Weber aufgrund ihrer Forschungsarbeit: "Sie fixieren nämlich sehr effektiv das Substrat und bremsen hierbei die Wüstenbildung. Zum Beispiel umschließen Pilze und Cyanobakterien Sandkörner und verkleben diese mit Schleim". Damit würden sie die Abtragung durch Winde verhindern, Nährstoffe einbringen und zugleich die Grundlage für andere Pflanzen schaffen. (red, APA, 30.12.2021)