Auf einer Intensivstation im Queen Alexandra Hospital in der südenglischen Stadt Portsmouth wird ein Covid-19-Patient versorgt. Für ungeimpfte Personen ist die Wahrscheinlichkeit ungleich höher, intensive Pflege zu benötigen, als für geimpfte.

AFP / APA / Adrian Dennis

Es ist das entscheidende Argument für die Impfungen gegen Covid-19: Sie mögen zwar keinen allzu hohen Schutz vor Infektionen und keine sterile Immunität bringen, aber sie schützen sehr gut vor schweren Verläufen, also vor Aufenthalten in Krankenhäusern und Intensivstationen sowie letztlich auch vor Todesfällen. Das bewahrt unser Gesundheitssystem vor Überlastungen und hilft, weitere Lockdowns zu vermeiden – selbst wenn die Infektionszahlen stark steigen.

Dennoch schaffen es die heimischen Impfskeptiker, Zweifel an dieser Tatsache zu schüren. Das liegt nicht allein an der Kampfrhetorik Herbert Kickls, sondern auch am österreichischen Datenchaos. Den irreführenden Argumenten und Halbwahrheiten des FPÖ-Obmanns ist mit harten heimischen Zahlen nämlich nicht immer leicht beizukommen: Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages), die eigentlich die entsprechenden Informationen liefern sollte, schafft genau das nur sehr unzureichend.

Peinliche Lücke bei den Daten

Eine bezeichnende Passage in der ersten österreichischen Studie über die Schutzwirkung der Impfung offenbart die peinliche Datenmalaise des heimischen Gesundheitssystems. Auf Seite 8 heißt es da: "Der Ages liegen derzeit keine verlässlichen Daten zum Schweregrad der Covid-19-Erkrankung vor bzw. keine Information über Hospitalisierung oder erforderliche Intensivpflege des Covid-19-Erkrankten. Aus diesem Grund kann die Wirksamkeit der Impfstoffe in Bezug auf die Verhinderung von schweren Verläufen sowie letalen Ausgang einer Sars-CoV-2-Infektion nicht berechnet werden."

Diese Untersuchung, die aus dem Oktober stammt, bestätigt zwar eine Schutzwirkung vor symptomatischen Infektionen. Doch über die Anteile der Geimpften und Ungeimpften, die wegen Covid-19 in den Krankenhäusern und Intensivstationen behandelt werden müssen, liegen nach wie vor nur sporadische Zahlen aus den Bundesländern vor, die von den Impfgegnern prompt immer wieder in Zweifel gezogen werden.

Vorbildliches Großbritannien

Zum Glück gibt es andere Länder, die mit der Erfassung und Aufbereitung der Patientendaten deutlich weiter sind als Österreich. Großbritannien zum Beispiel. Dort erscheint jede Woche ein umfassender Überblick über die aktuelle Lage, der auch Infektions-, Spitals- und Sterbezahlen nach Altersgruppe und Impfstatus inkludiert. (Hier etwa der zur Kalenderwoche 50.)

Da in dieser Auflistung die Zahlen für die Geimpften zum Teil höher sind als die der Ungeimpften, versuchen Impfskeptiker daraus abzulesen, dass die Impfung nicht schütze. Sie unterschlagen dabei aber, dass in Großbritannien je nach Altersgruppe 80 bis 95 Prozent der Personen zumindest zwei Stiche erhalten haben und die Grundgesamtheit der Geimpften entsprechend viel größer ist.

In Großbritannien gibt es auch eine eigene Forschungseinrichtung, die regelmäßig Daten aus den Intensivstationen der britischen Spitäler auswertet, das sogenannte Intensive Care National Audit and Research Centre (ICNARC). Dessen Fachleute veröffentlichten vor wenigen Tagen einen Bericht mit Daten über den Impfstatus der Personen, die von 1. Mai bis 15. November in britischen Krankenhäusern (ohne Schottland) wegen Covid-19 auf Intensivstationen behandelt werden mussten.

60-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit

Dabei zeigte sich etwa für die Gruppe der 60- bis 69-jährigen Doppeltgeimpften, dass die durchschnittliche wöchentliche Intensivpflegerate bei 0,6 Fällen pro 100.000 geimpften Personen lag. Bei den Ungeimpften hingegen betrug diese durchschnittliche Sieben-Tage-Inzidenz 37,3, war also um mehr als das 60-Fache höher.

Bei jüngeren Patienten war der Unterschied nicht mehr ganz so deutlich, aber immer noch eindrucksvoll: Nichtgeimpfte zwischen 30 und 39 Jahren mussten zehn- bis 15-mal häufiger wegen Covid-19 intensivmedizinisch behandelt werden als gleichaltrige Zweifachgeimpfte. Generell war das Durchschnittsalter der ungeimpften CoV-Patienten auf Intensivstationen mit 49 Jahren deutlich geringer als das der geimpften (65 Jahre).

Erfreuliche neue Zahlen zu Omikron

Diese Zahlen beziehen sich noch auf die Delta-Variante, da sich Omikron in Großbritannien erst im Dezember durchsetzte. Augenscheinlich ist, dass Omikron zum Glück für weniger schwere Verläufe als Delta sorgt, weil sich das Virus in der Lunge schlechter verbreitet, wie mehrere unabhängige Studien zeigen konnten. Die britischen Behörden gehen deshalb in ihrer aktuellen Analyse davon aus, dass Omikron im Vergleich zu Delta bei weniger Infizierten einen Spitalsaufenthalt nötig machen dürfte. Die Schwankungsbreite der Schätzungen ist aber noch relativ hoch und liegt bei minus 15 bis minus 80 Prozent.

Eine neue südafrikanische Studie ermittelte zudem, wie gut zwei Impfungen mit Comirnaty (also dem Impfstoff von Biontech/Pfizer, der auch in Österreich vorrangig verimpft wird) vor einem Krankenhausaufenthalt nach einer Infektion mit Omikron schützen. Laut der Untersuchung, die im "New England Journal of Medicine" erschien, sank die Wirksamkeit auf 70 Prozent. Bei Delta hatte der Schutz noch 93 Prozent betragen. Gesundheitsbehörden rund um den Globus raten daher dringend zu einer Boosterimpfung auf, die diese Schutzwirkung wieder deutlich erhöht. (Klaus Taschwer, 29.12.2021)

Anm. der Red.: Der Text wurde am 30.12. um die Studiendaten aus Südafrika ergänzt.