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Thiel ist Mitbegründer von Paypal und ein früher Investor von Facebook.

Foto: AP / Ben Margot

Ex-Kanzler Sebastian Kurz wurde nun von dem deutsch-amerikanischen Hightech-Investor Peter Thiel angeheuert, mit dem er schon seit mehreren Jahren bekannt ist. Die Jobbeschreibung lautet "globaler Stratege", was man wohl als Lobbyist für die Interessen von Thiel bei geneigten (osteuropäischen?) Regierungen übersetzen kann.

Thiel ist mehr als der typische exzentrische Silicon-Valley-Superkapitalist. Der Journalist Max Chafkin hat seine Thiel-Biografie (die ohne Kooperation von Thiel entstand) "The Contrarian" genannt. Das bedeutet etwa: "jemand, der immer konträr zur herrschenden Übereinkunft agiert". Chafkin sagte in einem "Time"-Interview, es gebe Grund dafür, die Macht von Peter Thiel zu fürchten. Nicht nur, dass Thiel seinerzeit als nahezu einziger Tech-Investor Donald Trump unterstützt habe und auch einige andere, ursprünglich skeptische Silicon-Valley-Tycoons mit Trump zusammengebracht habe, das wahre Problem sei seine "postdemokratische" Philosophie. Etwas zugespitzt lautet diese, dass die Demokratie ein veraltetes und zu wenig leistungsstarkes System ist und am besten durch die Herrschaft von genialen Unternehmerpersönlichkeiten ersetzt würde.

"Der Pate des Silicon Valley"

Der Businessdienst Bloomberg brachte im September einen Auszug aus Chafkins Buch (dessen Untertitel in der deutschen Ausgabe lautet: "Wie der Pate des Silicon Valley die Welt beherrscht"). Darin schreibt Chafkin:

"Thiel wird manchmal als der Quoten-Konservative der Tech-Industrie beschrieben, eine Sicht, die seine Macht dramatisch unterspielt. Mehr als jeder andere lebende Silicon-Valley-Investor oder -Unternehmer, mehr sogar als Bezos oder Page oder der Facebook-Gründer und Protegé von Thiel, Mark Zuckerberg, war er verantwortlich für die Erschaffung der Ideologie, die heute Silicon Valley definiert: dass nämlich der technologische Fortschritt unablässig vorangetrieben werden soll, mit wenig oder gar keiner Rücksichtnahme auf mögliche Kosten und Gefahren für die Gesellschaft. Thiel ist nicht der reichste Tech-Mogul, aber er war, auf vielfältige Weise, der einflussreichste."

Wer sich mit ihm anlegt, sollte das bedenken. Thiel wurde von einer US-Publikation ("Gawker") als homosexuell geoutet, die er dann mit einem juristischen Vernichtungsfeldzug zum Schweigen brachte. 2017 heiratete er (angeblich in Wien) den Finanzfachmann Matt Danzeisen.

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Thiel als Sprecher auf der Parteiversammlung der Republikaner in Cleveland im Jahr 2016.
Foto: AP / J. Scott Applewhite

Thiels oft freimütig geäußerte Überzeugungen und Konzepte für eine "bessere", jedenfalls aber "andere" Welt beschreibt Chafkin als "extremistisches libertäres politisches Projekt: eine Reorganisation der Zivilisation, die die Macht von traditionellen Institutionen – etwa Mainstreammedien, demokratisch gewählten Parlamenten – zu Start-ups und den Milliardären, die sie kontrollieren, verlagern würde".

"Libertär" (englisch: libertarian) ist eine im angelsächsischen Raum verbreitete politisch-wirtschaftliche Denkrichtung, die extremen Individualismus, "Freiheit" und vor allem Absenz von allen oder den meisten staatlichen Regulierungen und Institutionen predigt. Sie gilt als die Philosophie von "selfmade-men" (weniger von "selfmade-women"), die aus ihren besonderen Leistungen das Recht auf schrankenlose Selbstverwirklichung ableiten. Thiel vertritt das in Universitätsvorträgen, Reden und in seinem Buch "Zero to One". "Für ihn sind Monopole gut, Ein-Mann-Herrschaften effizient und Gründer von Hightech-Firmen gottähnlich", schreibt Chafkin.

Die Hauptaussage von "Zero to One" lautet, dass freier Wettbewerb Profite senke. Daher sollten Firmengründerinnen und -gründer so oft wie möglich nach Monopolen streben. "Wettbewerb ist etwas für Verlierer", fasste Thiel seine Philosophie zusammen. Monopole seien die eigentlichen Fortschrittsmotoren, und Wettbewerb vernichte nur wertvolle kreative Ressourcen. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg gestand einmal ein, dass ihn die "Thielosophie" stark beeinflusst habe.

Antichrist und Armageddon

Sebastian Kurz hätte im Herbst anlässlich der Verleihung des Frank-Schirrmacher-Preises die Laudatio auf Peter Thiel halten sollen. Wegen der Schwierigkeiten mit der Justiz kam es nicht dazu. Thiels Rede ist aber wegen ihres apokalyptischen Charakters trotzdem bemerkenswert: "Neue Ideen sind gefährlich. Aber wir werden sie brauchen für unsere Rettung. Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Parole des Antichrist 'Frieden und Sicherheit' lautet. Und heute müssen wir eher den Antichrist fürchten als Armageddon (…)." Thiel entwarf drei mögliche Zukunftsszenarien: "Hinter der Tür Nummer eins: islamische Theokratie, jede Frau ist gezwungen, eine Burka zu tragen. Hinter der Tür Nummer zwei: chinesischer Überwachungskommunismus, jede Bewegung von jeder Person wird jederzeit von einer zentralen KI registriert. Schließlich, hinter der Tür Nummer drei: Gretas grüne Zukunft, jeder fährt Fahrrad."

Bereits 2009 schrieb Thiel in einem Essay für das amerikanische Cato-Institut, das Zentrum der libertären Weltanschauung: "Ich glaube nicht länger, dass Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar sind." Die große Aufgabe für Libertäre sei es, einen Ausweg aus der Politik in all ihren Formen zu finden. Der Weltraum und einsame Inseln seien die Fluchtorte für antipolitische Libertäre . "Politik macht die Leute zornig, zerstört Beziehungen und polarisiert die Vision der Bevölkerung. Politik ist Einmischung in anderer Leute Leben ohne ihre Zustimmung. Daher vertrete ich die Linie, dass wir unsere Energie auf andere, friedliche Projekte konzentrieren sollten, die manche für utopisch halten mögen." Dahinter verbirgt sich allerdings eine immer klarer zutage tretende elitäre bis verkappt rassistische Einstellung. In dem Essay "The Diversity Mythos" sprach sich Thiel gegen Multikulturalismus aus.

Unterstützung für Trump

Diese Philosophie hat Thiel allerdings nicht daran gehindert, Donald Trump 2016 zu unterstützen – er durfte sogar eine Rede beim Nominierungsparteitag der Republikaner halten – und zu versuchen, auf dessen Regierungsmannschaft Einfluss zu nehmen. Trumps Abwahl hat seinen Einfluss auf die Republikaner nicht merkbar verkleinert.

Die Basis all dessen sind eine Reihe von Tech-Firmen, mit denen Thiel zum mehrfachen Milliardär wurde. Der Sohn deutscher Immigranten, der an der Stanford University lehrte, gründete das Bezahlsystem Paypal und verkaufte es äußerst lukrativ. Er investierte unter anderem in Facebook und gründete die "Data Mining"-Firma Palantir (so benannt nach einer Kristallkugel aus "Herr der Ringe"), die etwa 50 Milliarden Dollar wert ist. Palantir wurde von der CIA und der NY Police eingesetzt und gilt als Tool für "Überwachungs-Kapitalismus". Zuletzt dehnte Thiel seine Aktivitäten stärker auf Europa aus, seine Investmentfirmen beteiligten sich an etlichen europäischen Unternehmen.

Hier kommt wohl Thiels neuer "global strategist" Sebastian Kurz ins Spiel, die beiden hatten sich schon bei einem Besuch im Silicon Valley kennengelernt. Anzunehmen ist, dass Kurz seine guten Kontakte zu osteuropäischen Regierungen, etliche davon ausgesprochen autoritär, einbringen soll, um dieses Feld für die Thiel-Firmen zu bearbeiten.

Kurz ist nicht der einzige Ex-Politiker mit österreichischem Pass, der für Thiel arbeitet. Seit 2015 macht die ehemalige SPÖ-Geschäftsführerin Laura Rudas "business development" für Palantir in Palo Alto, Kalifornien. (Hans Rauscher, 30.12.2021)