Das James-Webb-Weltraumteleskop soll seinen Vorgänger Hubble ablösen. Astronomen erhoffen sich davon revolutionäre Daten über Exoplaneten und uralte Sterne.

Foto: Nasa/Esa/Hubble/STScI/AURA, Westerlund

Der Jahreswechsel ist für viele Menschen eine Gelegenheit, um auf das Vergangene zurückzublicken und einen Ausblick in die Zukunft zu wagen. Es ist die jährliche Blütezeit von Horoskopen und Bleiguss-Vorhersagen. Wenn man sich aber für evidenzbasiertes Wissen interessiert, bleibt nur eines: der Blick in die Sterne. Und damit ist nicht die Astrologie gemeint.

Während die Prognosen für das nächste Jahr immer nur Spekulation bleiben können, gibt es für die nächsten Jahrmillionen relativ gesicherte Vorhersagen dank der Gesetze der Physik. Erst wenn wir den Untergang unseres Universums in den Blick nehmen, liegen mehrere Szenarien im Bereich des Möglichen. Was wissen wir also über unsere kosmische Zukunft – und was ergibt sich daraus für das ultimative Ende von allem?

Tag des Jüngsten Gerichts

Seit jeher haben sich Menschen gefragt, ob und wie unsere Welt eines Tages untergehen wird. Viele Religionen operieren mit der Vorstellung einer Apokalypse, einem Tag des Jüngsten Gerichts, der eine Zäsur setzen und letztlich eine Trennung zwischen Recht und Unrecht ziehen soll. Der Wunsch danach ist mehr als nachvollziehbar, wenn man bedenkt, wie ungleich Zufälle – die oft als Schicksalsschläge interpretiert werden – das Leben von Menschen beeinflusst. Oder wie scheinbar tadelig sich manche Menschen verhalten – vermeintlich ohne Konsequenzen.

Die Aussicht, dass sich letztlich die Wege zwischen Himmel und Hölle spalten, verspricht überirdische Gerechtigkeit für eine Welt voller himmelschreiender Ungerechtigkeit. Im Gegensatz zu unseren Vorfahren sind wir aber heute in der komfortablen Situation, uns nicht an den Glauben halten zu müssen, wenn wir wissen wollen, wie es mit uns und der Welt weitergeht.

Mehrere mögliche Apokalypsen

Unser Ass im Ärmel ist: Wir haben Daten! Immer leistungsfähigere Teleskope liefern immer genauere astronomische Messungen zu fernen Sternen und Galaxien, zudem werden die kosmologischen Modelle stetig ausgefeilter, um die Daten entsprechend interpretieren zu können. Während wir unser Wissen vom Anfang des Universums, dem Urknall, bereits seit Jahrzehnten verfeinern, machen wir nun endlich auch signifikante Fortschritte bei der Erforschung der Frage, wie es nach unserer eigenen bescheidenen Existenz und jener unserer Erde im Universum weitergeht.

Zunächst die gute Nachricht: Die ultimative Zukunft des Universums ist noch nicht besiegelt. Die schlechte: Nach allem, was wir heute wissen, wird das Universum eines Tages zu Ende gehen. Fraglich ist noch, welche der möglichen Apokalypsen sich letztlich durchsetzen wird.

Das große Zerreißen

Die besten Karten dafür, weil die überzeugendsten Daten, hat nach aktuellem Stand der sogenannte Big Rip, der auf Deutsch als "Das große Zerreißen" oder auch als "Endknall" bezeichnet wird. Dass es das Universum einmal in seinen größten und kleinsten Strukturen auseinanderreißen wird, gilt heute als etwas wahrscheinlicher als ein völliges Einfrieren durch ewige Expansion (Big Freeze) oder das Kollabieren des Universums unter Einwirkung der Schwerkraft (Big Crunch).

"Die besten kosmologischen Daten, die wir haben, sprechen dafür, dass der Big Rip aus mehreren Gründen etwas wahrscheinlicher ist als alle anderen Szenarien", schreibt die US-Kosmologin Katie Mack in ihrem Buch "Das Ende von allem" (Piper, 2021), in dem sie den aktuellsten Stand der Forschung zu den möglichen Untergangsszenarien dargelegt. "Auf diesem Gebiet werden unglaubliche Fortschritte gemacht, die uns die Möglichkeit geben, am Rande des Abgrunds zu stehen und in die tiefste Finsternis zu spähen", beschreibt sie die Motivation für ihre Zusammenschau. Bevor wir uns der Apokalypse zuwenden, interessiert uns aber zunächst, wie es mit der Erde weitergeht.

Feuriger Untergang

Die Datenlage ist dazu bereits ziemlich klar, wenn auch nicht unbedingt erbaulich. "Die Welt wird in Feuer untergehen", fasst Mack die Sache prägnant zusammen. "In etwa fünf Milliarden Jahren wird die Sonne zu einem sogenannten Roten Riesen anschwellen, den Merkur und vielleicht auch die Venus verschlingen und die Erde so stark aufheizen, dass die Ozeane kochen und die Erdoberfläche vollständig steril geworden ist."

Doch das Ende der Erde bedeutet ja noch lange nicht das Ende von allem. Wie geht es also mit unserer Sonne weiter, wie mit unserer Galaxie? Antworten darauf liefert abermals ein Blick in die Sterne: Wenn man sich auf der Nordhalbkugel befindet und in den dunklen und idealerweise mondlosen Nachthimmel blickt, kann man unterhalb des Sternbilds Kassiopeia (ein breites W) einen verschwommen Fleck erkennen, etwa so breit wie der Vollmond. Das ist die Andromedagalaxie, die mit 2,5 Millionen Lichtjahren Entfernung die der Milchstraße nächstgelegene Spiralgalaxie ist.

Die Andromeda-Galaxie liegt in der kosmischen Nachbarschaft der Milchstraße. Sie ist das am weitesten entfernte Objekt, das – unter guten Bedingungen – ohne technische Hilfsmittel gesehen werden kann.
Foto: AFP / Ye Aung THU

Im Prinzip ist Andromeda die freundliche Nachbargalaxie von nebenan, das Dumme ist nur, dass sie sich auf unaufhaltsamem Crashkurs mit unserer Galaxie befindet. Sekunde für Sekunde rast sie 110 Kilometer auf uns zu – mit kalkulierbarem Ausgang: In etwa vier Milliarden Jahren werden Andromeda und die Milchstraße in einer großen Lichtershow kollidieren, die jedes Neujahrsfeuerwerk ziemlich alt aussehen lässt: Sterne werden aus ihren Bahnen geschleudert und bilden Ströme, die in unzähligen Explosionen neue Sterne bilden.

Beobachtungen derartiger Ereignisse ermöglichen bereits jetzt, eine Bilanz des uns bevorstehenden Infernos zu ziehen: "Unser Sonnensystem wird im Großen und Ganzen wohl erhalten bleiben", beschreibt Mack. "Nicht aber das Leben auf der Erde." Denn diese ist dann bereits ein verkohlter Gesteinsbrocken.

Früher als gedacht

Was unserer Milchstraße oder ihren Überbleibseln letztlich zum Verhängnis werden könnte, wird als Dunkle Energie bezeichnet. Sie wurde als Verlegenheitslösung als hypothetische Form von Energie eingeführt, um plausibel zu machen, warum das Universum mit immer größerer Geschwindigkeit expandiert – mangels besserer Erklärung.

Eine äußerst unangenehme Nebenerscheinung ist, dass die Dunkle Energie laut Mack "das Universum vielleicht gewaltsam zerstören könnte, und zwar viel früher, als das Ende der Welt je einem Physiker möglich erschien". Nun sind wir bei der Apokalypse namens Big Rip, und sie gestaltet sich so: Zuerst sind die größten, am wenigsten fest gefügten Dinge an der Reihe. In gigantischen Galaxienhaufen werden die Bahnen immer länger.

Im weiteren Verlauf verschwinden die Sterne an den Galaxienrändern. Für einen Beobachter sieht es zunehmend so aus, als ob sich der Nachthimmel verdunkelte, da die große Milchstraßenschwade verblasst. Schließlich driften die letzten verbleibenden Planeten jeweils in einsame Dunkelheit ab.

Suche nach Sinn

Doch die Ruhe ist nicht von Dauer, denn nun erfasst der sich ausdehnende Raum auch die kompakteren Objekte. Die Atmosphären der letzten Planeten dünnen sich aus, bis sie letztlich explodieren. Auch die Überreste sind in Auflösung begriffen: Die elektromagnetischen Kräfte, die Moleküle und Atome zusammenhalten, können der stetigen Expansion des Raumes in der gesamten Materie nicht mehr standhalten. "Im letzten Augenblick wird das Gefüge des Weltraums selbst zerrissen", beschreibt Mack das wahrscheinlichste Ende von allem. Ausgehend von Beobachtungsdaten des Planck-Satelliten berechnete sie den frühestmöglichen Zeitpunkt für den Big Rip und kam auf 200 Milliarden Jahre von heute an gerechnet.

Bleibt noch die Frage, welchen Schluss wir daraus ziehen. Gehen wir anders ins neue Jahr, wenn wir wissen, dass nichts von Dauer ist? "Die Erkenntnis, dass alles einmal endgültig zu Ende sein wird, versetzt uns in einen Kontext, verschafft uns Bedeutung", lautet Macks Antwort, "sie macht uns Mut und ermöglicht uns, unsere kleinlichen Alltagssorgen zu vergessen und mehr im Augenblick zu leben. Vielleicht kann sie der Sinn sein, den wir suchen." (Tanja Traxler, 31.12.2021)