"Wie lange noch?" fragen sich viele seit bald zwei Jahren.

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Manche von uns haben nicht mehr daran geglaubt, vielen ist zwischendurch die Hoffnung ausgegangen. Doch heute ist endlich der Tag gekommen: "Ein Tag, an dem wir wirklich stolz auf uns sein können", wie Alexander Van der Bellen gleich morgens in seinem täglichen Tiktok-Video sagt. "Heute, den 26. April 2029, werden wir uns als ein ganz besonderes Datum merken: Denn heute wird die letzte Covid-19-Patientin aus dem Spital entlassen. Österreich ist frei vom Coronavirus."

Es ist, als wagte ein ganzes Land, erstmals wieder tief durchzuatmen – und das ohne Maske! Van der Bellens Rede löst eine landesweite Party aus. Radio- und TV-Sender spielen den Donauwalzer, aus Polizeilautsprechern ertönt wieder "I am from Austria" – diesmal singen jedoch alle mit. Nur Servus TV entscheidet sich für die Bundeshymne, was aber niemand mehr mitbekommt. Für das Wochenende sind Konzerte in allen großen Sportstadien des Landes geplant mit freiem Eintritt für alle Geimpften.

Wildfremde Menschen wagen, einander auf offener Straße erstmals ohne Babyelefant dazwischen näherzukommen. Neun Monate später wird es einen Geburtenboom geben, den Gazprom-Aufsichtsratschef Sebastian Kurz via Twitter so kommentiert: "Konrad und ich freuen uns, dass wir so vielen unserer Landsleute Mut machen konnten, den Schritt in diese ganz besonders innige Beziehung zu wagen." Das Posting wird fünf Minuten später auf den richtigen Namen korrigiert, hatte aber ohnehin nur einen Kommentar: "(Emoji drei Herzerln)!! PS: Ab Mittwoch hab ich Freigang! Kaffeetscherl? (Bussi-Emoji) Thomas".

Sieg gegen Tschad und Haiti

Dass wir es nun – zugegeben als eines der letzten Länder weltweit – auch endlich geschafft haben, wurde von vielen Expertinnen und Experten bis zuletzt bezweifelt. Lange hat es so ausgesehen, als würde Österreich im Ranking der Corona-freien Staaten auf den letzten Metern doch noch vom Tschad und von Haiti überholt werden. Doch dann sprach Van der Bellen, gerade erst zum Bundespräsidenten auf Lebenszeit ernannt und seit kurzem Nichtraucher, ein ungewohnt klares Machtwort ("Mir reicht’s jetzt") und bestimmte die Pädagogin Katharina Saalfrank zur 20. Gesundheitsministerin nach Wolfgang Mückstein. Als drei Tage später Van der Bellens Nikotinpflaster wieder lieferbar waren, hatte er Saalfrank bereits angelobt.

Impfen wirkt.
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Die erste Amtshandlung der früher als TV-"Super Nanny" bekannten Ministerin galt der Impfkampagne der Krisenkoordination. Statt "Geimpfte mag man eben" lautete der neue Slogan nun: "Keine Impfung? Keine Nachspeise!" Wer sich die jährlichen Booster-Impfungen (JB-Regel) nicht holte, durfte nicht mehr ins Freibad oder auf einen Skilift. Alle anderen durften einmal pro Quartal zu schnell fahren oder gratis zum Friseur. Daraufhin stieg die Durchimpfungsrate innerhalb von drei Monaten auf 95 Prozent.

Der letzte harte Kern der Impfverweigerer wanderte wie angekündigt auf eine menschenleere Südseeinsel aus, die bald wieder menschenleer war.

Am heutigen "Freedom Day" sind die Medien voll mit Corona-Rückblicken. Jetzt, wo die "größte Pandemie aller Zeiten" überstanden ist, können viele Menschen leichter darüber reden. Bei Barbara Stöckl erzählen Prominente, welcher der 14 Lockdowns für sie der härteste war. Elisabeth Köstinger, mittlerweile Etsy-Österreich-Chefin, erzählt von ihren ersten selbstgestrickten Pullovern und den Lieferschwierigkeiten bei Mohairwolle während des siebenten Lockdowns. "Ich hab dann als Ersatz die Puzzles meiner Kinder gemacht – mit verbundenen Augen." Andreas Gabalier, im elften Lockdown von seiner Freundin heimlich bei dem Versuch gefilmt, seinen Staubsauger in Betrieb zu nehmen, berichtet von seinem neuen Job bei Miele als Werbefigur für besonders einfach zu bedienende Haushaltsgeräte ("für richtige Männer!"). "Die Lockdowns", sagt Gabalier, "haben mich zu einem besseren Partner gemacht. Jetzt muss ich nur noch die Waschmaschine lernen."

"Ich habe heute drei Stunden lang versucht, mich bei Microsoft Teams einzuloggen. Wie konnte man jemals ernsthaft glauben, dass Sie es schaffen sollten, Mikrochips in Impfstoff zu verstecken?" Armin Wolf befragt Bill Gates im Jahr 2029

Conny Bischofberger interviewt die Hundefriseurin Nina Proll ("Tiere verstehen mich nie falsch"), und in Woman stellen Modedesignerinnen ihre ärmellosen Frühjahr/Sommer-Kollektionen vor. Freie Oberarme oder zumindest strategisch platzierte Cut-outs liegen vor allem seit Billie Eilishs Insta-Post im Trend, bei dem sie sich 2024 statt mit dem üblichen Pflaster auf dem Oberarm mit einem speziellen Tattoo ("X marks the spot") zeigte. Der Run auf die Tattoostudios in den folgenden Wochen brachte die WHO auf die Idee, den jährlichen Booster-Impfungen von 2030 einen jeweils eigenen Farbcode zuzuordnen. In Zukunft wird die Impfstelle beim Boostern also auch gleich mit einer speziellen, von Dr. Beckmanns mitentwickelten Farbe markiert, die so lange hält wie der Impfschutz und als JB-Nachweis gelten wird, etwa in Geschäften und Clubs. Worauf das Wiener Flex twitterte: "Machen wir schon seit 1990."

Armin Wolf, Newsroom-Editor-at-Large, darf noch einmal vor die Kamera und für die ZiB 2 Bill Gates interviewen. Über Wolfs Einstiegsfrage "Mr Gates, ich habe heute drei Stunden lang versucht, mich bei Microsoft Teams einzuloggen. Wie konnte man jemals ernsthaft glauben, dass Sie es schaffen sollten, Mikrochips in Impfstoff zu verstecken?" muss auch Gates lachen.

Dieses Aufatmen, gemeinsam die Pandemie besiegt zu haben, geht auch durch die sozialen Medien. Unter #AllesWiederGut posten Menschen ihre selbstgeschnittenen Corona-Frisuren, über die man nun, da weitere Lockdowns ausgeschlossen sind, endlich wieder lachen kann. Auf einer speziellen Internetseite gibt es einen Countdown, der vorhersagt, wann die letzte Klopapierrolle aus dem ersten Lockdown aufgebraucht sein wird (aktueller Stand: 12. März 2031). Überhaupt ist die Stimmung im Land spürbar besser. Seit im Rahmen einer Krankenpflegeausbildung auch das Erlernen einer Nahkampftechnik verpflichtend vorgeschrieben wurde, räumt Österreich bei internationalen Wettkämpfen alle Preise ab. "Da bleibma scho dran", schreibt Philipp Jelinek, seit 2027 Sportbeauftragter der Bundesregierung, auf Facebook. "Auch wenn ich vor lauter Ehrungen scho wieder fünf Kilo zugenommen hab."

Harmonie im Parlament

2027 konnte Nationalratspräsidentin Sigrid Maurer auch endlich die JB-Regel für das gesamte Parlamentsgebäude durchsetzen, worauf für Herbert Kickl, Dagmar Belakowitsch und den einzigen noch lebenden MFG-Abgeordneten auf der Galerie ein eigener Glaskasten installiert wurde. Seither dauern Plenarsitzungen nur noch halb so lang und enden mit dem inoffiziellen Tagesordnungspunkt "Bericht Häupl", was lediglich bedeutet, dass nach dem Abschalten der Kameras im Plenarsaal fraktionsübergreifend Spritzwein getrunken wird. Auch die Arbeit der grün-rot-pinken Koalition verläuft nun viel harmonischer.

Nur die Mustereinsprüche, zu denen die FPÖ Ende 2022 aufgerufen hatte, werden den Verfassungsgerichtshof voraussichtlich noch bis zum Frühjahr 2032 komplett blockieren.

Die letzten warnenden Stimmen kommen nur noch von der Firma Odol, die in ihrer Werbung nach wie vor das Tragen von Mundschutz empfiehlt, "um sich rundum sicher zu fühlen". Sinkende Verkaufszahlen, seit FFP2-Masken nicht mehr vorgeschrieben sind, dementiert der Mundwasserhersteller jedoch.

Die Erleichterung ist weltweit zu spüren. Erstmals seit zehn Jahren wagt sich der deutsche Virologe Christian Drosten ohne Polizeischutz auf die Straße, trauen sich die Entwicklerin und der Entwickler des Biontech-Impfstoffes, ein neues Auto zu kaufen, ohne dass ihnen die Bild-Zeitung das vorhält, und bald wird es in der Genfer WHO-Zentrale sogar ein arbeitsfreies Wochenende geben: sobald die letzten geheimen Unterlagen geschreddert sind, in denen steht, was in den Impfungen wirklich drin ist. (Sigrid Neudecker, 31.12.2021)