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13,7603 – Der Umrechnungskurs von Schilling in Euro stellt für Kopfrechner eine Herausforderung dar.

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Für die meisten war es ein Tag der Freude. Am 1. Jänner 2002 wurde in Österreich und weiteren elf EU-Staaten der Euro als Bargeld eingeführt. Im Schengenraum können sich Bürger seither ohne Grenzkontrollen bewegen und ohne Währungsumtausch in anderen Ländern zahlen – ein starkes Symbol für das Zusammenwachsen des Kontinents am Anfang eines neuen Jahrhunderts. Dazu sollte die Wirtschaft im Außenhandel vom Wegfall der Kosten im Umgang mit Fremdwährungen profitieren.

Zwei Dekaden später sieht die Bilanz eher durchwachsen aus. Das liegt weniger an den Euromünzen und -scheinen, an die sich die Menschen gewohnt haben. Weniger glücklich sind viele mit der Europäischen Zentralbank (EZB), deren Nullzinspolitik Sparguthaben entwertet und Wohnkosten in die Höhe treibt.

Aber das ahnte zum Jahreswechsel 2002 wohl niemand. Vielmehr überwog bei den meisten die Vorfreude auf den Euro. Ausgestattet mit sogenannten Starterkits – für 200 Schilling gab es 33 Münzen im Gesamtwert von 14,54 Euro –, tätigten viele in der Silversternacht die ersten Zahlungen in der neuen Währung. Allerdings war der Umrechnungskurs in Österreich ziemlich sperrig. Ein Euro entsprach 13,7603 Schilling. Leichter hatten es die Deutschen: Für knapp zwei D-Mark gab es einen Euro.

Euro als Teuro

Verkaufspreise mussten damals bis zum Ablauf der bis Ende Februar währenden Übergangszeit, in der mit beiden Währungen gezahlt werden konnte, doppelt ausgezeichnet werden, um einen Preissprung im Zuge der Umstellung zu unterbinden. Trotzdem hatte der Euro einen wenig schmeichelhaften Spitznamen ausgefasst: nämlich Teuro.

Aber hat er sich diesen auch verdient? Obwohl in den amtlichen Teuerungsraten davon nichts zu bemerken war, glaubten viele Bürger Preissprünge bei vielen Waren und Dienstleistungen im Zuge der Währungsumstellung zu spüren. Wie auch immer, die Aufregung erwies sich als Sturm im Wasserglas, und hohe Inflation war im Euroraum, zumindest bis zum Jahr 2021, kein großes Thema mehr.

Seltene Exemplare

Die ersten Jahre für den Euro, im Hintergrund eigentlich schon seit Anfang 1999 Verrechnungswährung der Eurozone, verliefen reibungslos. Die Münzen und Banknoten bewährten sich im Alltag, viele sammelten Exemplare anderer Länder – wobei sich finnische oder irische Münzen zunächst nur selten nach Österreich verirrten. Bei Geldscheinen ist schon die zweite Serie in Umlauf. Die EZB erwägt, bald eine dritte ins Rennen zu schicken.

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Für 200 Schilling bekam man zur Einführung ein Euro-Starterkit im Wert von 14,54 Euro.
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Ungemach braute sich im Hintergrund ab Mitte der 2000er-Jahre zusammen, das 2008 in der Lehman-Pleite und der Finanzkrise gipfelte. Bald wurde der Euro einer Belastungsprobe unterzogen, wobei lange unklar war, ob er standhalten wird. Sollten die vielen Kritiker, etwa der US-Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, recht behalten, die dem Euro ein baldiges Ende vorhersagten?

Maastricht oder nicht

Schließlich war es Deutschland, das zwar auf die strengen Maastricht-Kriterien – nur drei Prozent Neuverschuldung bei einem Höchststand von 60 Prozent des BIPs – gepocht hatte, selbst aber ebenso wie Frankreich zuerst dagegen verstoßen und damit unterlaufen hatte. Zudem stellte sich heraus, dass Griechenland, schwächstes Glied der Kette, 2001 mit geschönten Haushaltszahlen dem Eurosystem beigetreten war.

Wenig überraschend waren es die Helenen, die den Schuldenberg, den die Staaten zu Dämpfung der Schockwellen der Finanzkrise auf sich genommen hatten, nicht mehr stemmen konnten. An den Finanzmärkten erhielt Griechenland ab 2010 nur zu untragbar hohen Zinsen frisches Geld, der Staatsbankrott drohte. Ein erstes Rettungspakt wurde geschnürt, weitere sollten folgen.

Abgesang auf Euro

Neuerlich war von etlichen Auguren ein Abgesang auf den Euro zu vernehmen – darunter auch Krugman. Er riet dazu, zu den nationalen Währungen zurückzukehren. Sein Hauptargument: Länder wie Griechenland könnten nur durch Währungsabwertungen wirtschaftlich konkurrenzfähig bleiben, was als Mitglied der Eurozone unmöglich ist. Zu unterschiedlich seien die Volkswirtschaften, sodass der Euro ohne Ausgleichszahlungen zum Scheitern verurteilt sei. Innerhalb eines Landes ist dies zwar üblich – aber für die Schulden anderer Staaten einzustehen, das scheuen etwa Deutsche wie der Teufel das Weihwasser. Als 2012 auch noch Italien, Spanien und andere Euroländer ins Wanken gerieten, schien Krugman recht zu behalten.

Doch der US-Ökonom hatte offenbar die Entschlossenheit der Europäer unterschätzt, ihr Prestigeprojekt Euro zu verteidigen – und den hemdsärmeligen Italiener Mario Draghi, der damals die EZB leitete. Mitte Juli setzte dieser zu seinem legendären Befreiungsschlag an. "Whatever it takes", ließ Draghi die staunende Öffentlichkeit wissen – also, dass die EZB alles Erdenkliche tun werde, um den Zusammenhalt der Eurozone zu sichern. "Und glauben Sie mir, es wird genug sein", fügte er hinzu. Man glaubte ihm, die Staatsschuldenkrise ebbte sukzessive wieder ab.

DER STANDARD

Allerdings servierte Draghi auch ein geldpolitisches Menü, das vor allem dem ehemaligen Hartwährungsblock rund um die D-Mark, den Schilling und niederländischen Gulden schwer im Magen lag. Im März 2016 senkte er den Leitzins auf null und führte Strafzinsen für Banken sowie Wertpapierkäufe ein. Die Folge: Bürger können mit Sparguthaben keinen Kapitalstock mehr aufbauen, dafür gehen Vermögenspreise wie Aktien und Immobilien durch die Decke. Wer daran nicht teilhaben kann oder will, schaut durch die Finger – und das bei wegen des Immobilienbooms stark gestiegenen Wohnkosten.

Draghis Erbe

Mit diesem Erbe muss nun Christine Lagarde, die Draghi an der Spitze der EZB nachfolgte, umgehen. Die Französin steht vor einem Dilemma: Die Corona-Krise hat die Verschuldung Italiens oder Griechenlands auf höhere Stände als nach der Finanzkrise getrieben, aber auch für ein Comeback der Inflation gesorgt. Will Lagarde die Teuerung in den nunmehr 19 Ländern der Eurozone auf den Zielwert von zwei Prozent drücken, könnte wegen höherer Zinsen auf Staatsanleihen wieder eine Schuldenkrise in der Eurozone aufflammen.

Eigentlich ist die EZB dem Mandat der Preisstabilität verpflichtet, nicht günstigen Finanzierungsbedingungen für Staaten. Aber, wie es Eurokritiker Krugman schon 2001 mit spitzer Zunge formulierte: "Der Euro ist der Triumph eines Symbols über die Substanz." (Alexander Hahn, 31.12.2021)