Wer aus der Spitzenpolitik den Rückzug antritt, hat ein Anrecht auf einen Broterwerb und eine gewisse Privatsphäre. Doch die Entscheidung für einen neuen Job sagt auch viel aus über die Werte hinter der Politik.

Alfred Gusenbauers Lobbytätigkeit für asiatische Autokraten zeugt von seinem Mangel an politischen Überzeugungen. Bei Sebastian Kurz ist es anders: Seine Entscheidung, beim US-Investor Peter Thiel anzudocken, macht deutlich, wie sehr er in seinen Kanzlerjahren in das rechtspopulistische Lager abgewandert ist – oder von Anfang an dort hingehört hat.

Der neue Chef von Sebastian Kurz: Peter Thiel.
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Thiel ist nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer, sondern auch ein ungewöhnlicher und spannender politischer Denker. Der Kern seiner radikalen Philosophie aber ist die Ablehnung der Grundprinzipien einer liberalen Demokratie – Toleranz und Bereitschaft zum Kompromiss. Als einer von wenigen im Silicon Valley hat er Donald Trump offen unterstützt.

Die politische Welt ist heute weniger zwischen links und rechts gespalten als zwischen wahren Demokraten und jenen, die autoritäre Macht anstreben und diese dann mit allen Mitteln verteidigen: von Trump über Brasiliens Jair Bolsonaro bis zu Ungarns Viktor Orbán. In dieser Welt wurde Kurz gefeiert, dort fühlte er sich wohl. Von den Werten, denen die ÖVP seit 1945 verpflichtet war, hat er sich dadurch immer weiter entfernt. In der Geschichte der Zweiten Republik war Kurz ein Fremdkörper. Gut, dass er nur eine Episode blieb. (Eric Frey, 30.12.2021)