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Die Sprachvielfalt der Aborigines in Australien ist stark zurückgegangen: Von 250 indigenen Sprachen sind heute nur mehr 40 übrig, die anderen gelten sprachwissenschaftlich als "schlafend".
Foto: David Gray / Reuters

"Er malen alle plan fi bauen alle haus" – dieser Satz ist nach den Regeln der Sprache Unserdeutsch korrekt und bedeutet in der Übersetzung: "Er hat die Pläne für den Bau der Häuser gezeichnet." Unserdeutsch entstand im 19. Jahrhundert als vereinfachte Form des Deutschen in Papua-Neuguinea, wo Deutschland für 30 Jahre eine Kolonie hatte. Damit ist die Sprache eine der jüngsten der Erde und die einzige Kreolsprache, die auf dem Deutschen basiert. Doch bald wird es wohl niemanden mehr geben, der sie spricht: Jetzige Muttersprachlerinnen und Muttersprachler sind fortgeschrittenen Alters.

Auch zahlreiche andere Sprachen sind akut vom Aussterben bedroht, wie eine australische Studie zeigt. Von den weltweit rund 7.000 anerkannten Sprachen sei ungefähr die Hälfte bereits gefährdet, und 1.500 könnten bis zum Ende des Jahrhunderts ausgestorben sein. "Ohne Intervention könnte sich der Sprachverlust innerhalb von 40 Jahren verdreifachen, wobei mindestens eine Sprache pro Monat verloren gehen wird", schreibt das Forschungsteam.

Einfluss der Infrastruktur

Die von der Australian National University (ANU) geleitete Studie wurde im Online-Fachmagazin "Nature Ecology and Evolution" veröffentlicht. Bei der Untersuchung von mehr als 6.500 gesprochenen Sprachen seien auch unerwartete und überraschende Gründe für Sprachbedrohung entdeckt worden, sagt Co-Autorin Lindell Bromham. Dazu gehöre etwa ein gut ausgebautes Straßennetz. "Wir haben festgestellt, dass das Risiko einer Gefährdung von Sprachen umso höher ist, je mehr Straßen es gibt, die ländliche mit urbanen Regionen und Dörfer mit Städten verbinden. Es ist, als ob Straßen den dominanten Sprachen helfen, andere, kleinere Sprachen plattzuwalzen."

Der Kontakt mit anderen lokalen Sprachen sei hingegen – "entgegen der landläufigen Meinung" – nicht das Problem: Tatsächlich seien Sprachen, die mit vielen anderen indigenen Sprachen in Kontakt kämen, weniger gefährdet.

Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass auf den Ausbau von Infrastruktur verzichtet werden soll, um seltene Sprachen zu erhalten. Vielmehr lautet die Empfehlung der Fachleute: Man sollte Lehrpläne anpassen und beispielsweise zweisprachigen Unterricht unterstützen. Regional dominante sowie indigene Sprachen sollten gelehrt und benutzt werden.

Schlafende Sprachen

Gerade Australien könne im Hinblick auf den Umgang mit der eigenen indigenen Bevölkerung von den Ergebnissen der Studie lernen. Dem Land gebühre "der zweifelhafte Ruhm, eine der höchsten Raten an Sprachverlust weltweit zu haben", sagt Co-Autorin Felicity Meakins. Von den einst 250 Sprachen der indigenen Bevölkerung seien nur noch 40 übrig – und die Kinder würden davon überhaupt nur noch ein Dutzend Sprachen lernen.

"Wenn eine Sprache verloren geht oder 'schläft', wie wir für Sprachen sagen, die nicht mehr gesprochen werden, dann verlieren wir so viel von unserer menschlichen kulturellen Vielfalt", betont Bromham. Jede Sprache sei auf ihre Weise brillant.

Dekade der indigenen Sprachen

Viele der Sprachen, die in diesem Jahrhundert voraussichtlich verloren gingen, würden derzeit noch aktiv verwendet, sagt die Expertin: "Es besteht also immer noch die Möglichkeit, in die Unterstützung von Gemeinschaften zu investieren, um indigene Sprachen wiederzubeleben und sie für künftige Generationen zu erhalten."

Dies ist auch das erklärte Ziel der Vereinten Nationen, die mit dem Ausruf der Unesco-Dekade der indigenen Sprachen von 2022 bis 2032 den Fokus auch auf das Problem der schwindenden Sprachen richten. Dazu gehört auch, dass für Menschen aus Minderheitengruppen bessere Möglichkeiten geschaffen werden sollen, um ihre (Co-)Muttersprachen beizubehalten. (red, APA, 2.1.2022)