Billigfleisch hat einen Namen: Spanien. Nirgends wird so billig und so viel produziert wie hier. Mit 32 Millionen Schweinen ist Spanien der Schweinestall Europas und liegt hierin noch vor Deutschland. Jede Schweineaufzucht produziert pro Jahr und Stallplatz fast zwei Tiere. Das zeigt die Zahl der geschlachteten Schweine, die 2020 bei 56,1 Millionen Tieren lag. Diese Massenproduktion beeinträchtigt nicht nur das Tierwohl, sondern schadet auch der Umwelt. Spanien wurde jetzt wegen mangelnden Grundwasserschutzes von der EU-Kommission vor dem Gerichtshof der Europäischen Union angezeigt.

"Die Kommission hat beschlossen, Spanien vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, weil das Land keine ausreichenden Maßnahmen gegen die Verunreinigung durch Nitrat ergriffen hat", heißt es im Schreiben von Anfang Dezember. Im "europäischen Green Deal" werde ein Null-Schadstoff-Ziel für die EU festgelegt, was der öffentlichen Gesundheit, dem Umweltschutz und der Klimaneutralität zugutekommen solle. "Die Kommission ist der Auffassung, dass die bisherigen Bemühungen der spanischen Behörden unzufriedenstellend und unzureichend waren", klagt die Kommission.

Die spanischen Großbetriebe können so billig produzieren wie nirgendwo sonst in der EU – und verdrängen kleinere Züchter.
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"Nichts ist so wenig nachhaltig wie die Schweinezucht", erklärt Luis Ferreirim, Spezialist für industrielle Viehzucht bei Greenpeace Spanien. Er hat zusammen mit seinem Team eine Studie vorgestellt, die aufzeigt, wie der Sektor zu dem wurde, was er heute ist, und was dies für die Tiere und die Umwelt bedeutet. Laut Eurostat gibt es heute in Spanien rund 30 Prozent mehr Schweine als 2012. "80 Prozent der 88.000 Zuchthöfe sind industrielle Großbetriebe", sagt Ferreirim.

Kleine müssen schließen

Diese wachsen Jahr für Jahr, während immer mehr kleine Züchter schließen müssen. Sie können einfach nicht so billig produzieren wie die großen. Das Kilogramm Schweinefleisch kostet ab Schlachthof in Spanien 1,61 Euro ohne Mehrwertsteuer und ist damit so billig wie nirgends in der EU. In Österreich sind es 1,75 Euro, in Deutschland 1,78 Euro und im teuersten europäischen Land, in Schweden, 2,08 Euro.

Die Schweinezucht macht 14 Prozent der landwirtschaftlichen Endproduktion in Spanien aus und ist mit 39 Prozent der Produktion der wichtigste Sektor innerhalb der Viehzucht. Im Jahr 2020 wurden rund fünf Millionen Tonnen Schweinefleisch produziert, womit Spanien derzeit nach China und den USA weltweit zu den größten Erzeugern gehört. Spanien könnte sich mit der Schweineproduktion 1,7 Mal selbst versorgen. Und das, obwohl die Spanier laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) mit 271 Gramm (Österreich 238 g, Deutschland 216 g) pro Kopf am Tag so viel Fleisch und Fleischprodukte essen wie sonst niemand in Europa. "Neben dem Binnenmarkt leben die Schweinezüchter vom Export nach China und in die restliche EU", erklärt Ferreirim.

Große Schweinerei

Greenpeace drang vor wenigen Wochen in die größte Schweinezucht Spaniens im südspanischen Castilléjar ein. Dort mästet das Unternehmen Grupo Fuertes, zu dem Marken wie El Pozo und Cefusa gehören, jährlich 651.000 Ferkel. "Was wir dort vorfanden, war Verwahrlosung, Dreck. Wir waren auf vieles vorbereitet, doch was wir sahen, übertraf alle Erwartungen", sagt Ferreirim.

Spaniens Schweineindustrie ist kräftig gewachsen. Das wirkt sich auf die Umwelt aus.
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Während in Österreich der Bestand seit 2012 stabil ist und er in Deutschland gar um rund acht Prozent zurückging, stieg der Bestand in Spanien um 30 Prozent. Das wirkt sich auf die Umwelt aus. 69,4 Millionen der 313 Millionen Tonnen des Klimagases CO2, die Spanien jährlich verursacht, kommen aus der Viehzucht. Die Hälfte davon stammt von Schweinen. Die Fleischindustrie ist außerdem für 94 Prozent der Ammoniakemissionen in Spanien verantwortlich. Allein die Schweineindustrie verursacht 69 Prozent. Während in der gesamten EU die Ammoniakemission in den Jahren 1990 bis 2015 um 24 Prozent zurückging, nahm sie in Spanien um zwölf Prozent zu.

Verseuchte Böden

Die EU-Kommission beklagt, dass in Spanien in immer mehr Regionen Böden und Grundwasser nitratverseucht sind. Eine der betroffenen Gegenden ist Katalonien. Zwischen Lleida und Girona befindet sich eine der Hochburgen der spanischen Schweinemastindustrie. "Die Gemeinden hier im Kreis Osona entnehmen jedes Jahr Grundwasserproben. Die Hälfte davon liegt deutlich über dem Grenzwert für Nitrat", sagt Joel Vidal von der Bürgerinitiative zum Schutz des Flusses Ter. "Kleine Höfe gibt es nicht mehr", sagt Vidal. Laut Greenpeace betreiben in Katalonien 99,9 Prozent der Höfe industrielle, intensive Schweinezucht. Allein in Osona beläuft sich der Bestand auf über eine Million Tiere. "Die Gülle wird auf Feldern ausgebracht", erklärt Vidal. Doch die Menge ist so groß, dass das Grundwasser verseucht wird.

Neben den Zuchtbetrieben gibt es in der Region auch mehrere große Schlachthöfe. Das bringt weiteren Lkw-Verkehr, Lärm und Gestank mit sich. Die lokale Bevölkerung hat wenig davon. Denn die Arbeitsbedingungen in den Farmen und Schlachthöfen sind so prekär, dass meist nur Immigranten hier arbeiten. Die Fluktuation ist enorm. Wer etwas anderes findet, ist weg.

Sowohl Vidal als auch Ferreirim sind sich einig, wenn es um die Lösung des Problems geht: "Der erste Schritt muss ein Moratorium sein. Und dann müssen Kapazitäten abgebaut werden", fordert Greenpeace-Sprecher Ferreirim. (Reiner Wandler aus Madrid, 3.1.2022)