Beim Lichtermeer in Gedenken an die Verstorbenen und zum Dank an das Gesundheitspersonal zeigten über 40.000 Menschen Einigkeit und Zusammenhalt.

Foto: Christian Fischer

Manchmal ist das Leben schön. Manchmal grausam. Und manchmal tragikomischer als ein jüdischer Witz. Das ist vermutlich immer noch besser als ein großgermanischer Witz, denn dieser endet meistens tödlich, aber das ist nur ein geringer Trost. Gott soll einen bekanntlich bewahren vor dem, was noch ein Glück ist, wie die Tante Jolesch zu sagen pflegte. Und fast noch ein Glück ist schon mehr oder minder ein Unglück.

Das Leben spielt jedenfalls Stückln am schmalen Grat. Ob man sie nun bestellt hat oder nicht. Das neueste Stück in diesem Lichtspieltheater ist also 2022. Es wurde heiß ersehnt und mit Misstrauen beobachtet, es verspricht viel und könnte wenig halten, das Ende der Wellen oder das Ende der Nerven.

Rückkehr zur alten Normalität

Am Ende der Nerven war bis jetzt jedenfalls immer noch genug Welle da. Diese Rückkehr zur alten Normalität, der seit fast zwei Jahren sehnsuchtsvoll nachgelaufen wird, wie der klassischen Karotte vor der Nase, wird vielleicht nicht stattfinden.

Vielleicht ist es eher so, dass stattdessen eine neue Normalität einziehen wird. Es ist nicht abzusehen, wie diese Normalität aussehen wird.

Die gesellschaftliche Drift wird nicht geringer werden. Wird wie die kontinentale Drift Stücke aus dem großen Ganzen reißen und neue Landschaften bilden, Gräben und Plateaus. Das Miteinander stärken. Oder Risse vertiefen. Das ist eine Chance. Und eine Bedrohung. Es ist, was wir alle daraus machen. (Julya Rabinowich, 2.1.2022)