Jochen Summer: 100 Veröffentlichungen und 44 Jahre alt.

Rock Is Hell

Bis zu Katalognummer 100 wollte er kommen und es dann gut sein lassen. Den Hunderter, den hätte er nun erreicht und erledigt, aber er macht weiter. "Warum sollte ich mit etwas aufhören, das mir so großen Spaß macht?", sagt Jochen Summer, und recht hat er.

Summer ist 44 Jahre alt und Herrscher eines Schattenreichs, das Rock Is Hell heißt. Es ist ein Plattenlabel, das er seit den Nullerjahren betreibt und das sich international einen Namen als Special-Interest-Label erarbeitet hat – was allein auf den Ehrgeiz Summers zurückzuführen ist. Er ist ein Mann der Langstrecke. Das hat er zuvor als Radrennprofi gezeigt, und nun eben als Mann auf Mission für sein Label, dessen Name Programm ist.

Acht-LP-Boxset der Melvins

Es geht um Rock, eher heavy, Nische, weit weg vom Mainstream. Die US-Band Melvins hat er sieben Jahre lang bearbeitet, bis sie 2011 bei seinem Label das Werk Endless Residency veröffentlicht haben. Das lange Vorglühen hat sich bezahlt gemacht, nicht weniger als ein Acht-LP-Boxset hat er damals veröffentlicht, das heute um abartige Preise gehandelt wird.

Summer arbeitet von Graz aus, das ist nach einem Ausflug in die Obersteiermark wieder sein Lebensmittelpunkt, neben den Melvins und der Familie.

Summer macht alles mehr oder weniger im Alleingang. Zwar hat er Vertriebe in den USA, Großbritannien und Deutschland und Kundschaft überall in der Welt, am Anfang jeder Produktion steht aber er. Eben hat er die Veröffentlichung mit der Nummer 100 verschickt. Es ist das Boxset From Nowhere und umfasst neun farbige Vinyl-Singles von Bands wie Hella Comet, Fugu oder den Strigglers.

Das Cover der 100. Veröffentlichung "From Nopwhere" – eine bedrucktr Box aus Holz, Hort für neun farbige Singles heimischer Bands des Labels Rock Is Hell.
Foto: Rock is Hell

Verpackt ist die Kompilation in einer aufwendig gestalteten und bedruckten Holzbox, zusammengehalten von vier Flügelschrauben und begleitet von einem selbst gedruckten Katalog. Kein Wunder, schließlich ist Summer im Brotberuf Verpackungsmitteltechniker: Hobby und Beruf mit großer Schnittmenge.

Die limitierte Box hat er natürlich selbst hergestellt. Summer hat eine Vorliebe für, wie er sagt, "roughe Ästhetik". Diese Neigung schlägt sich in der Wahl der Materialien und dem Druck nieder – beides prägt die Ästhetik des Labels und passt zur Musik: "Ich mag das Haptische, und mir taugt das Handwerk."

Exquisite Produkte

Deshalb ist nun auch nicht Schluss, obwohl es zurzeit härter ist als sonst, nicht nur musikalisch. Denn Rock Is Hell ist kein typisches Label. Es betreut seine Bands nicht mit Promotion und Medienarbeit, dafür ist es nicht gedacht, das kann und will Summer gar nicht leisten, er nennt Rock Is Hell "ein Boutique-Label".

King Buzzo von den Melvins live in Judenburg – Rock in Hell machte es möglich.
1912stephan

Also etwas Exquisites für eine bestimmte Klientel. Die wenigsten seiner Bands verkaufen große Mengen, sie verdienen mit Plattenverkäufen auf Tour ihr Geld. Und nachdem Livespielen während der Pandemie ein rares Privileg geworden ist, spürt das auch das Label.

Andererseits hat der zweifache Familienvater Acts wie die aus San Francisco kommenden Thee Oh Sees – von denen verkauft er schon sechs- bis achttausend Stück pro Album. Seine Acts sind einschlägig und dennoch vielfältig, die Liebe für die Melvins schlägt immer wieder durch. Zu den heimischen Gruppen, die eng mit Rock Is Hell verbunden sind, zählen BulBul oder Reflector. Von BulBul kommt eine der geplanten Veröffentlichungen von 2022, eine andere von der australischen Band Dead. Sogar bis in Jahr 2024 denkt Summer schon.

Zum 20. Geburtstag soll es einen besonderen Live-Event in Graz geben. Vom Ende des Labels ist also keine Rede. Es ist wie beim Radfahren, nach einer Etappe kommt immer die nächste. Anstrengend, aber was soll’s. (Karl Fluch, 6.1.2022)