Die Corona-Krise habe viele Probleme verschärft. Vor allem mehr psychologische Unterstützung und die Digitalisierung des Schulsystems stehen ganz oben auf der Liste der Bildungseinrichtungen.

Gewerkschafter: Riesenherausforderung durch Omikron

Paul Kimberger vertritt die Pflichtschullehrer.
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Mit dem Schulstart nach den Ferien am 10. Jänner komme wieder eine "Riesenherausforderung" auf die Schulen zu, sagt Paul Kimberger, Vorsitzender der Lehrergewerkschaft der Pflichtschullehrer (FCG). Angesichts der neuen Coronavirus-Variante Omikron sei unklar, wie und ob der Betrieb an den Standorten aufrechterhalten werden könne. Der Gewerkschafter will sich aber für den Unterricht direkt an den Schulen einsetzen – solange er möglich ist.

Kimberger hofft, dass der zugesicherte zweite PCR-Test pro Woche für jeden Schüler umgesetzt wird. Ein erstes Gespräch mit dem neuen Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) sei konstruktiv und gut verlaufen. Von dem Politiker erwartet sich der Pädagoge im kommenden Jahr vor allem Investitionen in zusätzliches Personal. "Gerade durch Corona ist die Situation sehr angespannt."

Kimberger fordert flächendeckend administrative Mitarbeiter für alle Pflichtschulen. Derzeit haben nur die Schulleitungen höherer Schulen regulär einen Administrator oder eine Administratorin, Mittelschulen und Volksschulen haben oft keine Unterstützung. "Die bürokratische Belastung der Schulleiterinnen und -leiter ist enorm", sagt Kimberger. Angesichts der prekären psychischen Situation vieler Kinder und Jugendlichen durch die Pandemie seien auch Investitionen in mehr Psychologen für die Schulen notwendig.

Hohen Nachholbedarf sieht Kimberger auch in Sachen Digitalisierung. Zwar seien die fünften und sechsten Schulstufen mit Laptops und Tablets ausgestattet worden, nun sei es aber Zeit für gute pädagogische Konzepte im täglichen Schulbetrieb. "Die Laptops waren viel zu spät und sie können nur der Anfang sein", sagt Kimberger.

Kindergarten: Bundesweit gleiche Regeln

Judith Hintermeier vertritt die Elementarpädagogen.
Foto: privat

Für die Kindergärten fehlt nach wie vor eine flächendeckende Teststrategie, kritisiert Judith Hintermeier, Pädagogin und Bundesfrauenreferentin der Gewerkschaft Younion, die unter anderem Elementarpädagoginnen vertritt. "Wir brauchen bundesweit gleiche Regeln, nur so kommen wir aus dieser Pandemie raus", fordert sie vom neuen Bildungsminister. Aktuell würden an den unterschiedlichen Standorten völlig verschiedene Regeln gelten. Hintermeier regt an, die Lollipoptests, die auch schon bei ganz kleinen Kindern angewandt werden können, in ganz Österreich regelmäßig einzusetzen.

"Das Testen kann aber nicht an den Pädagoginnen hängenbleiben", sagt die Gewerkschafterin. Sie hofft, dass die Eltern bereit sind, ihre Kinder vor dem Besuch des Kindergartens zu Hause zu testen.

Die Forderungen an Martin Polaschek bleiben dieselben, die Hintermeier an seinen Vorgänger Heinz Faßmann (ÖVP) gestellt hat: die Aufstockung des Budgets für Kindergärten auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts. "Wir brauchen mehr Ausbildungsstätten für Pädagoginnen, kleinere Gruppen, mehr Pädagoginnen und mehr Standorte", sagt Hintermeier. "All das geht nur mit mehr Budget." Das Geld für den Ausbau der Kindergärten müsse vom Bund kommen, auch wenn Länder und Gemeinden für die Kinderbetreuungsstätten verantwortlich sind. "Ich weiß, Geld wächst nicht an den Bäumen, aber gerade der elementare Bildungsbereich sollte der Regierung dieser Ausbau wert sein."

Von Polaschek erwartet Hintermeier auch, dass er sich als Bildungsminister für die Kindergärten zuständig fühlt, auch wenn er es rein rechtlich nicht ist. Faßmann hatte der Gewerkschaft kurz vor seiner Ablöse einen Platz im neu gegründeten Beirat für Elementarpädagogik versprochen. "Der neue Minister hält dieses Versprechen hoffentlich aufrecht", sagt Hintermeier. Der Beirat aus Expertinnen und Experten soll die seit Jahren geforderte Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen für Kindergärten in ganz Österreich voranbringen.

Lehrlinge: Wenig Praxis durch Kurzarbeit

Lorenzo Agbogbe vertritt Lehrlinge und Berufsschüler.
Foto: privat

Lorenzo Agbogbe befürchtet, dass die Lehrabschlussprüfung im Sommer schlechter ausfallen wird als üblich. "Den Lehrlingen fehlt die Praxis", sagt er. Viele seien während der Lockdowns in Kurzarbeit gewesen und hätten ihren Beruf nicht ausüben können. Auch im Distance-Learning seien viele Inhalte verloren gegangen. "Das muss nachgeholt werden", fordert Agbogbe. Als Vorbild nennt er den "Ausbildungsverbund" der Stadt Wien, in dem Lehrlinge der Hotellerie und Gastronomie praktische Erfahrungen aufarbeiten können.

Agbogbe ist Bundeskoordinator der BerufsschülerInnen-Vereinigung. Die Organisation wurde unter anderem von der Gewerkschaftsjugend gegründet und will die Anliegen von Lehrlingen verstärkt in die öffentliche Debatte einbringen.

"Berufsschulen und Lehrlinge werden schon seit zwei Jahren bei der Pandemiebekämpfung kaum berücksichtigt", kritisiert Agbogbe. "Das sind 108.000 junge Menschen, die sich von der Politik kaum vertreten fühlen." So habe der ehemalige Bildungsminister Heinz Faßmann etwa am Anfang des vierten Lockdowns nicht klargestellt, ob Berufsschüler, die sich dafür entscheiden, daheim zu lernen, auch nicht in ihrem Betrieb arbeiten müssen. Viele Lehrlinge hätten daraufhin sich widersprechende Informationen von ihrer Schulleitung und ihren Arbeitgebern bekommen.

Vom neuen Minister Martin Polaschek fordert Agbogbe eine Digitalisierungsoffensive für die Berufsschulen. "Die Standorte sind denkbar schlecht ausgestattet", sagt er. Auch die Lehrinhalte seien teilweise veraltet. "Die Arbeitswelt wird digital. Wenn wir die Lehrlinge nicht darauf vorbereiten, werden wir das in nicht allzu ferner Zukunft zu spüren bekommen", sagt Agbogbe, der seine Lehre als Bürokaufmann bereits abgeschlossen hat. Auch Investitionen in psychologische Betreuung an Berufsschulen seien notwendig. "Die ist so gut wie nicht existent", sagt Agbogbe. Gerade jetzt im Zuge der Pandemie seien viele Jugendliche aber darauf angewiesen.

Schulsprecherin: Faire Anpassung der Matura

Susanna Öllinger ist Bundesschulsprecherin.
Foto: Robert Newald

Susanna Öllinger wartet auf die Regelung für die Reifeprüfung im Frühsommer 2022. "Der Jahrgang, der demnächst maturiert, war viele Monate mit der Pandemie und Lockdowns konfrontiert", sagt die Bundesschulsprecherin. Eine Konsequenz müsse sein, dass es Erleichterungen für die Maturanten gebe. "Wir wollen die Matura nicht geschenkt, wir wollen eine faire Anpassung", sagt sie. So solle die mündliche Matura wieder freiwillig sein und die Noten der achten Klasse ins Abschlusszeugnis einfließen. Für die Schüler der berufsbildenden höheren Schulen brauche es Angebote, um den fehlenden Praxisunterricht nachzuholen. "Das muss vor der Prüfung sitzen."

Auch Öllinger pocht auf Investitionen in die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen. "Vielen geht es aufgrund der Pandemie nicht gut, wir brauchen Unterstützung", sagt sie. Dafür seien nicht nur mehr Schulpsychologen notwendig, sondern auch eine Enttabuisierung des Themas im regulären Unterricht. "Manche wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen, wenn es ihnen nicht gut geht", sagt die AHS-Schülerin aus Oberösterreich.

Ob Schulen während Lockdowns offen oder geschlossen sein sollen? Da ist Öllinger auf Linie mit dem neuen Bildungsminister Martin Polaschek. "Wir brauchen den Präsenzunterricht", sagt sie. Nirgendwo sonst würden die jungen Menschen zudem dreimal pro Woche getestet. Gerade Schülerinnen und Schüler in den Volksschulen und den Unterstufen könnten im Distance-Learning nicht ausreichend gut unterrichtet werden. Solange es die Situation erlaube, sollen die Standorte also besucht werden können, sagt Öllinger. Wenn es aufgrund der Omikron-Mutation dennoch zur Umstellung auf Distanzlehre kommen muss, will sich die Bundesschulsprecherin dafür einsetzen, dass Abschlussklassen weiter in die Schule gehen können.

ÖH: Universitäten sollen klimaneutral werden

Keya Baier ist Vertreterin der Hochschülerschaft.
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Für viele Studierende bedeute die Pandemie nicht nur Distanzlehre, sondern auch Kurzarbeit oder Jobverlust, sagt Keya Baier, stellvertretende Vorsitzende der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH). Diese fordert vom Bildungsminister eine Erhöhung der Studienbeihilfen sowie eine Einmalzahlung für besonders prekäre Fälle zur Überbrückung der Corona-Krise. "Es gibt so viel finanzielle Hilfe für Betriebe, auch Studierende sollen sie bekommen", sagt Baier. Die Höchstbeihilfen sollen von derzeit zwischen 500 und 715 Euro auf bis zu 1000 pro Monat angehoben werden.

Um den Zugang zur Lehre für alle auch während der Pandemie zu ermöglichen, sei es wünschenswert, dass jede Vorlesung zweimal, also einmal online und einmal in Präsenz, abgehalten werde, so die Idealvorstellung der Studierendenvertreter. "Aufgrund der finanziellen und personellen Ausstattung der Universitäten wird das aber leider nicht möglich sein", räumt Baier ein. Dennoch müssten die Hochschulen besser mit digitalen Endgeräten ausgestattet werden und Lehrende verstärkt ausgebildet, um qualitätsvolle Lehre auch online anbieten zu können, sagt die Jungpolitikerin.

Ganz oben auf der Liste der ÖH-Forderungen an Polaschek steht zudem der Klimaschutz an den Hochschulen. "Die Universitäten sollen klimaneutral werden", sagt Baier. Die Technische Universität Graz zum Beispiel hat sich dieses Ziel bis 2030 vorgenommen. Gelingen soll das etwa über umweltfreundliche Energieversorgung, Förderung des Fahrrad- und öffentlichen Verkehrs von Uni-Mitarbeitern und weniger Dienstreisen des wissenschaftlichen Personals. Der Bildungsminister soll nach der Vorstellung der ÖH steuernd eingreifen und das Budget aller Hochschulen künftig an solche umweltschonenden Maßnahmen koppeln. (Lisa Kogelnik, 4.1.2022)