Wright küsst die Sid Waddell Trophy.

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Peter Wright beim Werfen.

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Nahaufnahme von Snakebite.

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Michael Smith beim Werfen.

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Kostüme haben im Alexandra Palace Tradition.

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London – Peter Wright lehnte seinen Kopf ungläubig an die Darts-Scheibe, dann kämpfte der gerührte Schotte mit seinen Emotionen. Der 51 Jahre alte Routinier mit dem Spitznamen "Snakebite" bezwang am Montagabend den Engländer Michael Smith im Weltmeisterschaftsfinale 2022 der Professional Darts Corporation (PDC) mit 7:5 und sicherte sich damit nach 2020 zum zweiten Mal den größten Titel des Jahres. "Ich bin überglücklich. Ich habe es geschafft", sagte der stets bunt gekleidete und frisierte Wright, der in London ein Preisgeld von 500.000 Pfund (rund 595.000 Euro) und die etwa 25 Kilogramm schwere Sid Waddell Trophy eroberte.

Platz eins in Reichweite

In der Weltrangliste bleibt Wright zwar die Nummer zwei, rückt aber ganz nah an Primus Gerwyn Price aus Wales heran und könnte bald erstmals selbst Ranglistenerster werden.

In den vergangenen zwölf Monaten hat Wright mehr als doppelt so viel Preisgeld eingespielt als alle Widersacher. Der Schotte hatte aber auch Rückschläge zu verkraften: Das lange Fehlen seiner Frau Joanne, die ihren Ehemann wegen schwerer Rückenprobleme und einer missglückten Operation nicht mehr begleiten konnte, hemmte den 51-Jährigen.

Als seine größte Stütze erstmals wieder dabei war, gewann er prompt das World Matchplay im Juli, das zweitwichtigste Turnier der Welt. Wright fand wieder zur alten Stärke zurück und gewann auch die Team-WM gemeinsam mit John Henderson. Die kniffligste WM-Partie vor dem Finale war wohl das Viertelfinale gegen Englands Callan Rydz, als Wright mit größter Mühe mit 5:4 siegte.

Erneute Finalniederlage für Smith

Für "Bully Boy" Smith ging indes auch das zweite WM-Endspiel nach 2019 verloren – damals unterlag er dem Niederländer Michael van Gerwen mit 3:7. Der 31-Jährige hatte zuvor bei dieser WM geglänzt und mit seinen Topleistungen die beiden Favoriten Price und Jonny Clayton (ebenfalls Wales) aus dem Turnier genommen.

Smith wartet noch immer auf seinen ersten großen Major-Titel und hat schon viele wichtige Endspiele verloren. Dass das Publikum im vollbesetzten Alexandra Palace zu ihm hielt, reichte dem Lokalmatador am Ende auch nicht. Er konnte die Szenerie kaum mit ansehen, mit Tränen in den Augen wendete er sich unmittelbar nach der schmerzlichen Niederlage ab. "Michael wird bald dran sein", versprach Wright im folgenden Interview – die Fans feierten und besangen unterdessen Verlierer Smith. Dieser sagte: "Ich werde mich bereit machen für den nächsten Anlauf."

Hin und Her

Das Finale eines hochklassigen Turniers, das neben einigen Weltklasse-Matches auch vom Corona-Chaos und daraus folgenden Spielabsagen geprägt war, startete mit vielen Fehlern. Gleich im ersten Satz warfen Wright und Smith aberwitzig viele Pfeile am Doppel vorbei. Im zweiten Leg (Um einen Satz zu gewinnen, muss man jeweils drei Legs gewinnen. Um ein Leg zu gewinnen, muss man sich von 501 Punkten auf Null herunterspielen und am Ende ein Doppelfeld treffen, Anm.) konnte Smith erst im 13. Versuch die Sieben ausmachen, Wright konnte sich parallel dazu nicht von der 40 runterspielen. Pro Aufnahme kann ein Akteur jeweils drei Darts werfen.

Zwischenzeitlich hatten beide Weltklasseakteure eine Doppelquote im einstelligen Prozentbereich. Smith, die Nummer neun der Welt, wirkte allgemein fahrig und leistete sich zunächst einige Fehler. Wright ging, unter anderem auch aufgrund eines 148er- und 124er-Finishs, 2:0 in Sätzen in Führung.

Ab dem dritten Satz wurde das Match deutlich hochwertiger. Smith gelang ein 167er-Finish, das höchste des Abends, und traf die Triple-Felder plötzlich wie in den vorherigen Runden. Er hatte bereits nach vier gespielten Sätzen elf Aufnahmen mit der Höchstpunktzahl von 180 (Dreimal aufs Triple-20-Feld, Anm.). Routinier Wright hingegen wechselte mal wieder während der Begegnung die Darts, ließ aber zu Beginn deutlich mehr Chancen liegen als tags zuvor beim 6:4 gegen Landsmann Gary Anderson.

Je länger das Spiel dauerte, desto spannender wurde es. Der leichte Finalaußenseiter Smith schnappte sich mit ungeheurer Effizienz die beiden nächsten Sätze und machte aus einem 0:2-Rückstand eine 4:3-Führung. Er wirkte von Satz zu Satz sicherer. Es entwickelte sich ein Duell auf Augenhöhe und das spannendste WM-Finale seit Jahren. Am Ende waren es 41 Aufnahmen mit dem Maximum von 180 Zählern. Wrights Drei-Darts-Durchschnitt lag am Ende bei 98,34 Punkten, seine Doppelquote bei 39,1 Prozent. Smiths Werte lagen bei 99,22 und 35,4 Prozent.

Wright mit längerem Atem

Im achten Satz vergaben beide Akteure jeweils Chancen, mit Treffern aufs Doppelfeld Legs einzufahren. Letztlich behielt Wright mit einem 72er-Finish die Nerven und breakte zum 4:4-Satzausgleich. In Satz neun vergab der Schotte jedoch sechs Satzdarts, in Satz zehn "Bully Boy" dafür eine 2:0-Leg-Führung. Und das Momentum blieb diesmal auf der Seite von "Snakebite".

Denn Satz elf gewann Wright, unter anderem mit einem 80er- und 96er-Finish, souverän. In Satz zwölf gelang ihm das entscheidende Break zum 1:0 in Legs. Der Widerstand war gebrochen. Kurz darauf verwertete der Schotte seinen ersten Matchdart auf die Doppel-16. (APA, dpa, sid, ag, 3.1.2022)