Wann war ich eigentlich das letzte Mal tauchen? Muss Jahre her sein. Wer weiß, ob sich meine Neoprenanzüge nicht inzwischen auflösen, muss gleich einmal nachsehen.

Warum ich plötzlich aufs Tauchen komme? Weil es eine faszinierende Art ist, sonst uneinsehbare Natur zu erleben und eines ihrer Gesetze, die Erdanziehung, auszutricksen. Schwerelos, Herrschaften, und doch nicht im Weltall verloren.

Kupferakzente außen und innen gehören bei Cupra zur Markenidentität, so auch beim Born. Die Einstiegsedition Alpha ist längst ausverkauft, Wartezeiten sind vorprogrammiert.
Foto: Stockinger

Nein, ich sitze jetzt nicht gerade bei irgendeiner Tauchstation an irgendeinem warmen Meer, sondern im Cupra Born, und der ist es, der mir die Assoziation aufdrängt. Die haben da unter anderem so ein Material verbaut, in der Mittelkonsole, das frappant an Neopren erinnert – aber keines ist, sondern aus Rezyklat hergestellt wird. Ähnliches gilt auch für die Stoffe der Schalensitze, die in einem früheren Leben Plastikmüll an Stränden oder im Meer waren. Prima Sache, für die Umwelt – und für Taucher; die schätzen von Natur aus ein sauberes nasses Element.

Rechte Orientierung

Sonst fällt innen, abgesehen von den markentypischen Kupferelementen, der ergonomische Zugang auf, die mittigen Lüftungsdüsen sind fahrerorientiert wie der große Berührungsbildschirm. Die wesentlichen Daten, knapp zusammengefasst, liest man aber im Instrumentencluster ab, ein inselsächsischer Begriff, der keinen Corona-Reflex wecken sollte. Und keine Ahnung, wie die bei allem ebenfallsigen Kostendruck eine deutlich sympathischere Materialanmutung hinbekommen als VW im ID.3, aber sie tun es.

Die Platzverhältnisse sind so angemessen, wie man das inzwischen schon von einer ganzen Reihe von Fahrzeugen kennt, die auf einer eigenen Elektroplattform stehen. Da kann man die Räder sozusagen an die Ecken platzieren, dazwischen die Batterie unterbringen und hat darüber praktisch eine brettlebene Fläche, ohne störenden Mitteltunnel. Wenn im Born vorne trotzdem so ein Eindruck entsteht, so dient das dem praktischen Aspekt – in der Mittelkonsole lässt sich viel Krimskrams unterbringen, bis hin zur induktiven Ladestation für Handys.

Foto: Stockinger

Design draußen? Obwohl von der Silhouette her ganz nah am VW ID.3, gelingt dem Cupra ein sportiveres, vorwärtsorientiertes Erscheinungsbild. Keine Frage, das erste Elektrofahrzeug der Seat-Submarke genießt bei der realen wie potenziellen Klientel hohe Sympathiewerte.

Erreicht werden sie durch höchst passables Fahrverhalten, und damit zur Testfahrzeugkonfiguration. Born Alpha, mit 150-kW-Maschine und 58-kWh-Akku. 423 km Reichweite wurden im Normtestverfahren ermittelt, jetzt in der kalten Jahreszeit reduziert sich das gleich um einen guten Hunderter, du kommst aber trotzdem weit herum im Land, wenn du nicht gerade auf vollbelegte Ionity-Stationen stößt.

Derweil du noch Zeugs in den Kofferraum räumst, heizt der Born schon einmal vor, sehr willkommen winters. Dann via Touch (jaja, ich weiß, ist nicht das Flavum vom Ovum) noch rasch Sitz- und Lenkradheizung aktiviert (und den leidigen Spurhalt-Assistenten deaktivieren), schon herrscht heimelige Rundumwohlfühlatmosphäre in der unwirtlichen Jahreszeit. Und wenn wir ganz pingelig nach Minuspunkten suchen, dann vielleicht dies: Die Mittelarmlehne (Tauchen! Neopren!) ist nicht höhenverstellbar, Handbremsautomatik (praktisch bei Ampelstopps) gibt es auch keine.

Es geht gleich los

Starten funktioniert übrigens praktischerweise ohne Startknopf, einfach Fuß aufs Bremspedal, Getriebe auf D, auf geht’s. Wie bei den IDs von VW oder bei den Teslas. Und bevor jetzt wer fragt: Nein, das Model 3 ist kein direkter Konkurrent, weil teurer (ab 47.990 €) und größer – 4,32 m lang ist der Born, 4,69 der Model 3. Von den Abmessungen her als direkte Gegner zu benennen wären VW ID.3, Mazda MX-30, Peugeot e-2008, Kia e-Niro, Citroën ë-C4.

Vorbildlich aufgeräumt präsentiert sich der Born innen, der große Mittelschirm ist ergonomisch ausgerichtet. Durchgehend flacher Boden in der zweiten Reihe – wer dort in der Mitte sitzt, wird sich darüber freuen.
Foto: Stockinger

Fahren tut sich der Born, wie angedeutet, tadellos. Das liegt einerseits am Konzept – Heckantrieb –, andererseits an der Abstimmungsphilosophie der Spanier. HUD gibt’s im Alpha nicht, ist bei allen anderen Borns aber Serie, und damit noch ein paar Worte zur Liefersituation.

Die Alpha-Edition, die in Österreich mit 1000 Stück den Auftakt machte, ist längst ausverkauft, wer heute einen Born welcher Motor-Batterie-Konfiguration auch immer ordert, wartet bis mindestens April, Mai – da ist aber nur die Version mit mittlerer Batterie (58 kWh, 150 kW) bestellbar. Die restlichen Versionen laufen in den folgenden Monaten zu.

Lieferstau-Hauptverursacher ist bekanntlich die Halbleiterkrise, und die wird die Branche noch viele, viele Monate plagen. Manche kriegen das besser gebacken, wie die Wienerin sagt – laut Ukas der Chefetage müssen wir bei so was jetzt immer "Achtung: Ironie" dazuschreiben –, (die Koreaner und Toyota), manche schlechter (die meisten Europäer).

Die 35.520 Euro für den Testwagen sind kein Pappenstiel, aber immerhin auf noch einigermaßen leistbarem Niveau. Wäre unter Markennamen Seat vermutlich problematischer, geht als Cupra aber besser: Wie das Erfolgsmodell Formentor schon zeigt, ist die Kundschaft des jungen Ablegers weniger preissensibel als die der Mama.

Grafik: Der Standard

Ursprünglich war es anders geplant, die Studie El Born segelte noch unter Seat-Flagge. Andererseits wurde Seat zum E-Kompetenzzentrum für Mirko-, Pardon: Mikromobilität im VW-Konzern, wir sind gespannt, was aus der katalanischen Ideenschmiede alles auf uns zukommt, vom Roller bis zum Minimó. Bei Cupra geht es in Europa Ende 2024 elektrisch weiter, mit dem Tavascan, in China schon früher.

Picasso

Und woher der Name? El Cid ist ein spanischer Nationalheld aus der Zeit der Reconquista, El Born ein Künstlerviertel mit Picasso-Museum in Barcelona, beim Serienmodell entfiel das El. War ja zu erwarten: Spaßvögel machten durch leichte Initial-Modifikation umgehend was nicht wirklich Jugendfreies daraus.

Gebaut wird der Born, wie ID.3, ID.4 und Audi Q4 e-tron, im schönen sächsischen Zwickau, der einstigen Hauptwirkstätte des genialen August Horch, und damit klappe ich meinen Laptop zu, lasse im Geiste noch ein paar schöne Tauchgänge Revue passieren, werfe den Born wieder an, tauche ein ins Verkehrsgeschehen und fahre gemütlich zurück nach Wien. Um die Batteriekapazität zu schonen. Denn die 50-kW-Ladesäule unten am Neusiedler See war "gerade nicht einsatzbereit". (Andreas Stockinger, 5.1.2022)