Über Namen macht man keine Witze. Wer sollte das besser wissen als einer, der seit fast 50 Jahren Gluschitsch heißt? Aber in diesem Fall war das ja ganz anders. Der Jessner – ein noch älter aussehender Steirer, der sich einst als Auto-Journalist einen Namen gemacht hat – rief an, weil er mich zu einem Hatzerl mit dem Motorrad in einer Karthalle überreden wollte.

Dieser Polestar 2 ist der mit Allradantrieb und großen Akkus. Es gibt ihn auch als Fronttriebler mit mehr Reichweite oder kleineren Akkus.
Foto: Guido Gluschitsch

"Da müssert ich erst den Polestar aufladen, sonst komm ich morgen in der Früh nicht so weit", war meine Antwort. Was der Jessner gesagt hat, weil er verstanden hatte, dass ich erst meinen Polster aufladen müsse, kann ich hier leider, aus Ihnen bestimmt verständlichen Gründen, nicht wiedergeben. Und das war nicht die erste Überraschung mit diesem Auto. Die erlebte ich bei der Übergabe des Testfahrzeugs.

Gute alte Zeit

Vor ein paar Jahren lief eine solche Übergabe so ab, dass man mit einem Experten des Herstellers über die Prozent der Differenzialsperre sprach, über das Gewicht der Kipphebel, das Material der Trockenkupplung, Federbein-Innovationen – Sie verstehen schon. Inzwischen läuft das anders ab. Auch beim Polestar 2. Im Auto. Eine halbe Stunde erklärte man mir freundlich und geduldig, wie inzwischen üblich, was man auf dem riesigen Tabletten in der Mitte des Armaturenträgers alles wischen kann. Was man macht, wenn das Kastl abstürzt. Wie man Einstellungen personalisiert. Man wies mich aber auch auf die gelbe Farbe der Gurte und Bremssättel hin, die zeigt, dass es sich hier um das begehrte Performance-Modell handelt. Und dass sich Polestar – ein Joint Venture von Volvo und Geely – nicht als Volvo-Tochter versteht. Dass das Auto in China gebaut wird, betont niemand.

Alles dreht sich um das riesige Tablet. Weil es modern ist. Unnötig lästig ist es aber nicht.
Foto: Guido Gluschitsch

Kein Wort über Leistung, Fahrwerksabstimmung, Sperren oder Ähnliches. Das gab es früher auch schon. Und es war ein eindeutiges Zeichen, wenn ein Hersteller lieber etwa über das Design als die Fahreigenschaften sprach. Das Auto war eine überzeichnete Krücke. Ihnen fallen da sicher auch gleich mehrere Modelle ein. Überzeichnet ist der Polestar 2 nicht.

Grafik: Der Standard

Vorsicht – eine dramatische Wendung –, eine Krücke ist er auch nicht. Im Gegenteil. Der Polestar 2 ist nicht weniger als eine Sensation. Er nimmt alle Stärken eines Volvo – ups! – und treibt sie in Kombination mit dem E-Antrieb auf die Spitze. Der Innenraum ist nicht nur nordisch unaufgeregt desingt, sondern auch so hochwertig, dass man die fast 60.000 Euro, die der Wagen kostet, für günstig hält. Immerhin ist rund um das Interieur ein 300 kW starkes, solides, feines, allradgetriebenes E-Auto mit fast 500 Kilometer Reichweite gebaut. Allein das koste schon mehr, dachten wir bis jetzt. Ja, der dauert ein bisserl.

Fahrdynamik

Sogar im Fahrkapitel begeistert der Polestar 2 mit seiner Dynamik – zumindest wenn wir darüber hinwegschauen, dass er im Fall des Falles lieber fad über die Vorderräder schiebt, statt frech mit dem Heck zu wedeln. Dennoch herrlich, wie sich zwei Tonnen umaschupfen lassen.

Die Heckansicht des Polestar2.
Foto: Guido Gluschitsch

Der Polestar 2 überzeugt also nicht nur die Kunden, die es cringe finden, dass ich bis jetzt noch nicht erwähnt habe, dass hier zum ersten Mal Android Automotive zum Einsatz kommt. Nein, auch alte weiße Männer wie ich, die immer noch gern im Winter Motorradl fahren und in zwei Wochen keine drei Mal auf das Display greifen, sind vom Polestar begeistert. Auch wenn sie ihn heimlich Toni nennen. (Guido Gluschitsch, 10.01.2022)