Omikron steht nicht nur vor der Tür, es hat Österreich längst erreicht.

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Änderungen stehen an, so viel ist klar. Am Donnerstag treffen sich Bund, Länder, Expertinnen und Experten, um über weitere – oder andere – Corona-Maßnahmen zu sprechen, am Dienstag tagte die Gecko-Kommission.

Frage: Wie sieht der Fahrplan aus?

Antwort: Dass es erneut schärfere Maßnahmen braucht, ist angesichts der Lage klar. Am Dienstag machten die Neuinfektionen einen großen Sprung: 5496 positive Testungen auf das Coronavirus wurden gemeldet. Nur: Welche Regelungen nun auf uns zukommen, ist nach wie vor offen. Zur Debatte steht auf der einen Seite ein genereller Lockdown – auch wenn dieser als unwahrscheinlich gilt. Auf der anderen Seite ist von einer Lockerung der Quarantäneregel die Rede, selbst das "Durchrauschenlassen" wird zur Diskussion gestellt. Letzteres ist für das Gesundheitsministerium jedoch keine Option. Am wahrscheinlichsten scheint es aber momentan, dass an einzelnen bestehenden Regelungen geschraubt wird – etwa die Maskenpflicht auszudehnen.

Frage: Worüber hat am Dienstag die Gecko gesprochen?

Antwort: Das Gremium hat darüber beraten, wie sich Omikron auf die Infrastruktur auswirkt, wie sich die Lage international entwickelt und was man für Österreich daraus ableiten kann. Auch die "Zukunft der Kontaktpersonenregelung" wird diskutiert, hieß es von einem Sprecher. Konkrete Maßnahmen sollten aber nicht verkündet werden, der Termin fand hinter geschlossenen Türen statt. Am Donnerstag beraten die Regierungen der Länder mit den Experten und Expertinnen, danach ist eine Pressekonferenz geplant.

Frage: Wie könnten sich die Quarantäneregeln ändern?

Antwort: Momentan müssen auch geimpfte Kontaktpersonen von Omikron-Infizierten in Quarantäne. Das könnte sich ändern. Schon im Dezember hieß es von Katharina Reich, der Gecko-Vorsitzenden und Generaldirektorin für Öffentliche Gesundheit, man prüfe die Lockerung der Quarantäneregeln. Im Raum steht sogar die Möglichkeit, dass Geimpfte, die sich mit Omikron infizieren, dennoch arbeiten gehen dürfen – mit Maske. So praktiziert das momentan etwa Italien. Dahinter steht die Sorge, dass durch erwartete massive Infektionszahlen zu viele Arbeitskräfte in der kritischen Infrastruktur ausfallen.

Frage: Wie hat sich die Politik bisher dazu positioniert?

Antwort: Zu Wochenbeginn sprachen sich bereits mehrere Landeschefs für eine Verkürzung der Quarantäne aus: Oberösterreich, Kärnten und Vorarlberg plädieren für Lockerungen. In Wien kann sich Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) eine Verkürzung der Quarantäne auf "fünf Tage bis eine Woche" vorstellen. Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) will eine Lockerung vor dem Schulstart am Montag. Im Bund wird die Lockerung nicht ausgeschlossen.

Frage: Was sagt die Politik zu einem weiteren Lockdown?

Antwort: Im Gesundheitsministerium will man den Beratungen der Gecko sowie dem Treffen mit den Landeshauptleuten nicht vorgreifen. Allerdings verweist man auch darauf, dass in Österreich bereits strenge Regeln gelten, das Land soeben erst einen Lockdown hinter sich gebracht hat und überall 2G gilt. In Wien, das in der Vergangenheit bereits einen strengeren Kurs gefahren hat als der Rest des Landes, fordert Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bundeseinheitliche Maßnahmen und "eine konsequente und geschlossene Vorgangsweise". Man müsse zwar alles daran setzen, den Lockdown zu verhindern. Aber: "Ausschließen kann man in der jetzigen Situation gar nichts."

Frage: Muss die Regierung auf die Entscheidung der Gecko hören?

Antwort: Das, worauf sich die Gecko verständigt, sind lediglich Empfehlungen. Entschieden wird von der Politik. Generell kann man aber davon ausgehen, dass mögliche Maßnahmen nicht stark von den Empfehlungen abweichen.

Frage: Wie beurteilen Experten und Expertinnen all das?

Antwort: Recht gemischt. Molekularbiologe Ulrich Elling etwa kritisierte am Dienstag auf Twitter: "Wir stehen mit Omikron kurz vor einem Rekord an erkrankten Menschen und eventuell wieder vor überfüllten Krankenhäusern und den überforderten Pflegern und Ärzten. Und worüber macht man sich Sorgen? Dass der Wirtschaft die Arbeitskräfte fehlen." Gecko-Mitglieder wollen und können den Beratungen freilich nichts vorwegnehmen.

Von Infektiologe Herwig Kollaritsch heißt es etwa: "Man muss sich fragen: Ist es mir wichtiger, die Infrastruktur aufrechtzuerhalten? Wir haben ein dynamisches Geschehen, und je nachdem, mit welcher Situation wir uns konfrontiert sehen, müssen wir abstimmen, wie wir die Regeln gestalten."

Christiane Druml, Gecko-Mitglied und Vorsitzende der Bioethikkommission, sagt: "Aus ethischer Sicht ist man immer in der gleichen Grundsituation: Man muss abwägen zwischen den Mitteln, die man hat, und daraus das gelindeste wählen, das noch wirksam ist." Einig sind die beiden sich darin, dass etwas geschehen muss. Kollaritsch formuliert das so: "Wir sollten den Vorteil, den uns der harte Lockdown beschert hat, nicht verspielen."

Zurückhaltend zeigte sich laut "Kurier" vor der Sitzung Gecko-Mitglied und Epidemiologin Eva Schernhammer. Es sei "schwer abzuschätzen, was auf uns zukommt". So lange die Unsicherheit über die mögliche Dramatik der Entwicklung nicht abschätzbar ist, ist aus ihrer Sicht "Vorsicht sehr angebracht". Ein Lockdown sei jedenfalls immer die Ultima Ratio. "Das versucht man zu vermeiden. Aber ob das zu hundert Prozent möglich ist, weiß man nicht." In einer "massiv problematischen Situation" würde ein Lockdown nach wie vor wirken, ist die Wissenschafterin überzeugt.

Epidemiologe Gerald Gartlehner von der Donau-Uni Krems plädierte am Dienstagabend in der "ZiB2" auch für eine Lockerung der Quarantäneregeln für Dreifachgeimpfte. Einen weiteren Lockdown könne er nicht ausschließen. Den Rekord an täglichen Neuinfektionen von Mitte November (rund 16.000) werde man aber wohl jedenfalls übertrumpfen, so seine Erwartung.

ORF

Frage: Würde eine Lockerung der Quarantänemaßnahmen die Spitäler nicht erst recht wieder füllen?

Antwort: Ob und in welchem Ausmaß, ist noch nicht klar. Erste Studien weisen darauf hin, dass eine Erkrankung mit Omikron milder verläuft als mit bisherigen Varianten. Zudem ist die Inkubationszeit kürzer, damit wäre auch die Zeit, in der man ansteckend ist, früher vorbei. Dafür können sich auch Geimpfte leichter mit Omikron infizieren – wobei Kollaritsch ins Treffen führt: Mit drei Stichen sei man "optimal" vor einem schweren Verlauf geschützt. Virologin Dorothee von Laer warnt davor, sich als ungeimpfte, aber von Omikron genesene Person zu sicher fühlen: Man sei so nicht gegen Delta geschützt, beide Varianten würden weiterhin kursieren.

Frage: Apropos Impfen – steht der vierte Stich demnächst an?

Antwort: Nicht in der breiten Bevölkerung. Pharmakologe Markus Zeitlinger von der Med-Uni hält einen solchen bei Menschen in sehr exponierten Berufen, beim Gesundheitspersonal und bei jenen, die auch nach dem dritten Stich nur eine reduzierte Antikörperantwort hatten, für sinnvoll. Allen anderen empfiehlt er nicht, den vierten Stich vorzuziehen: "Hat man den Booster in den vergangenen drei Monaten bekommen, sollte das reichen." Ist der dritte Stich sechs Monate her, "macht ein weiterer Booster Sinn." Zumindest mit dem jetzigen Impfstoff. Zeitlinger sagt, dass für Omikron anders als für Delta ein angepasster Impfstoff nötig sei: Damit bestünde die Hoffnung, "dass es nur einen Booster braucht". Daten gibt es dazu noch nicht. (Oona Kroisleitner, Pia Kruckenhauser, Gabriele Scherndl, 4.1.2022)