Auch zu Weihnachten kamen Menschen über den Ärmelkanal nach Großbritannien.

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Tausende Menschen haben sich im vergangenen Jahr in ein unsicheres kleines Boot gesetzt und versucht, von Frankreich nach Großbritannien zu gelangen. Ihre Hoffnung: Asyl im Vereinigten Königreich. Laut Recherchen der BBC waren es sogar mindestens 28.431 Geflüchtete, die die gefährliche Überfahrt gewagt haben – und damit dreimal so viele wie im Jahr davor. Vor allem im November machten sich viele Personen auf den Weg. Nämlich fast 7.000. Es war auch der Monat der größten Tragödie: Am 24. November starben 27 Menschen im kalten Wasser.

Dabei hat die britische Regierung vieles darangesetzt, um die Überfahrten zu stoppen. Mit immer harscheren Maßnahmen wollte Innenministerin Priti Patel die Route schließen. Doch alle Versuche blieben erfolglos. Angefangen von einstudierten Manövern der britischen Küstenwache, die die kleinen Boote wieder in französische Gewässer drängen sollte. Über einen Multimillionen-Pfund-Deal mit den Franzosen, um die Überwachung auf der südlichen Seite des Kanals zu erhöhen – bis hin zu dem Plan, jedem Asylwerber im arbeitsfähigen Alter eine Fußfessel zu verpassen.

"Pull-Faktor" eliminieren

In den kommenden Wochen soll laut Berichten britischer Medien – allen voran des "Guardian" – ein entsprechendes Vorhaben des Innenministeriums publikgemacht werden. Laut einem nicht genannten Beamten aus dem Ministerium soll es dadurch den Menschen schwerer gemacht werden, illegal Arbeit anzunehmen. Damit soll ein sogenannter "Pull-Faktor" eliminiert werden. Also einer von jenen Beweggründen, die Asylsuchende in ein Land ziehen.

Die Fußfesseln sollen es außerdem den Behörden erleichtern, abgelehnte Asylwerber wieder in die Herkunftsstaaten abzuschieben. Mit dabei Menschen, die sich vor den Behörden verstecken – nur ein Grund, warum Großbritannien im vergangenen Jahr weniger Menschen abgeschoben hat als zuvor. Ein weiterer Grund ist etwa, dass das Königreich aus der Europäischen Union und somit aus dem Dublin-Abkommen austreten ist. Somit können Asylsuchende nicht einfach wieder an die Länder der EU-Außengrenze gebracht werden.

Höhere Strafen für Menschenhändler

Einen Gang höher schalten will die britische Regierung im Jänner auch mithilfe eines Gesetzesvorhabens, das unter dem Namen "Nationality and Borders Bill" durch die britischen Medien geht.

Sollte der Entwurf demnächst im Oberhaus, dem House of Lords, angenommen werden, würden alle illegalen Grenzübertritte zu einer Straftat. Bisher dürfen aber rechtlich nur jene Menschen einen Asylantrag im Vereinigten Königreich stellen, die sich auch physisch im Land befinden. Außerdem würde dadurch die Höchststrafe für Menschenhändler auf lebenslängliche Haft hochgeschraubt werden.

Keine automatische Anklage mehr

Bisher wurden automatisch jene Personen des Schmuggels angeklagt, die die kleinen Schlauchboote über den Kanal lenkten. Seit Anfang 2020 wurden so 67 Menschen als Menschenhändler verurteilt. Doch diese Methode der britischen Regierung soll nun ein Ende finden.

Ein Berufungsgericht hat geurteilt, dass diese Fälle wieder angehört werden. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft eine neue Richtlinie veröffentlicht, wonach die Behörden prinzipiell davon ausgehen sollen, dass alle Menschen in den Schlauchbooten vulnerable Asylsuchende sind – auch jene am Steuer.

Ausgelöst wurde die Debatte um die Schmuggel-Verurteilungen durch den Fall von Fouad Kakaei. Einem Iraner, der im Mai nach 17 Monaten in Haft wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, weil das Urteil gegen ihn in einem Berufungsprozess aufgehoben wurde. Er hatte den Behörden gesagt, dass er das Ruder ergriffen hatte, um zu verhindern, dass das Schlauchboot sinkt. (Bianca Blei, 5.1.2022)