Ein Blick in die Zukunft des klimafreundlichen Schiffsverkehrs offenbart verschiedene Optionen. Jede davon hat ihre spezifischen Pluspunkte und Nachteile.

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Der Verkehr muss klimafreundlicher werden. Bei Autos, Lkws und Eisenbahnen ist das längst erkannt, Politik und Industrie forcieren einen Umbau. Beim Luftverkehr und insbesondere der Schifffahrt tüfteln die Ingenieure zwar ebenfalls, doch der politische Druck ist noch gering, und technische Lösungen lassen sich nur erahnen.

Dabei ist offenkundig, wie bedeutsam die Branche ist: 90 Prozent der international gehandelten Güter werden per Schiff transportiert. Die Seeschifffahrt stößt jährlich 940 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus und damit knapp drei Prozent des weltweiten Ausstoßes. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) will die CO2-Emissionen bis 2050 halbieren (bezogen auf 2008). Nicht genug, meint der Welt-Reederverband ICS und drängt auf Klimaneutralität bis 2050.

Alternative zu schwerölgetriebenen Motoren

Es muss also eine Alternative her für schwerölgetriebene Motoren. Zwar wird an Technologien mit Methanol, Ammoniak und weiteren Energieträgern geforscht. Doch alle haben ihre Nachteile. Und die Technologie muss schnell einsatzfähig sein.

Ein Schritt in diese Richtung sind Antriebe mit verflüssigtem Erdgas (LNG), die seit einigen Jahren laufen: vor allem in LNG-Tankern, die Teile ihrer eigenen Ladung verbrennen, sowie manchen Container- und Kreuzfahrtschiffen. Verglichen mit Schweröl werden viel weniger Stickoxide, Ruß und Schwefeloxide freigesetzt, der Ausstoß an Treibhausgasen ist um bis zu einem Viertel geringer. Aber nur, wenn alles dicht hält. LNG besteht hauptsächlich aus Methan, das 25-mal klimaschädlicher ist als CO2. Schon kleine Lecks können dazu führen, dass der Klimavorteil dahin ist. Das gilt auch für Biomethan, das den "fossilen" Treibstoff in solchen Schiffen ablösen soll.

Unkomplizierter Umstieg auf Methanol

Methanol verspricht besser handhabbar zu sein. Als Grundchemikalie wird es weltweit genutzt, der Umgang damit ist routiniert. Wird der Alkohol aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt, ist auch die Klimabilanz günstig. Vorteilhaft ist, dass existierende Schiffe relativ einfach auf den Treibstoff umgestellt werden können und die Lagerung wenig kostet, wie der Ingenieurdienstleister DNV in einem Vergleich verschiedener Antriebe darlegt.

Methanol wird bereits seit 2015 auf dem Fährschiff Stena Germanica zwischen Kiel und Göteborg genutzt. Auch der 35 Meter lange Forschungskutter Uthörn des Alfred-Wegener-Instituts, der 2022 in Dienst gestellt werden soll, wird über einen Methanolantrieb verfügen. Maßgeblich ist jedoch, wie sich die großen Akteure entscheiden. Die dänische Reederei Maersk hat im Sommer mitgeteilt, acht große Containerschiffe mit einem solchen Antrieb bei Hyundai bestellt zu haben. Sie sollen Anfang 2024 fertig sein.

Zehn Cent für Klimaschutz

Maersk-Chef Søren Skou ist überzeugt, dass fossile Verbrenner aus dem Schiffsverkehr verschwinden müssen. Die Methanol-Entscheidung hat in der Branche Gewicht. Der Weg dorthin ist aber teuer. Der Ökosprit kostet laut Skou zwei- bis dreimal so viel wie herkömmlicher Schiffsdiesel. Umgerechnet auf die transportierten Waren falle das kaum ins Gewicht, erklärte er im Nachrichtenmagazin "Spiegel". Bei einem Paar Turnschuhe mache der klimafreundliche Transport zehn Cent aus.

Das größere Problem besteht darin, ausreichend "grünes" Methanol zu beschaffen. Um dieses herzustellen, braucht es Kohlenstoff – aus Biomasse – und Wasserstoff. Der ist klimafreundlich aus der Elektrolyse von Wasser zu haben, wenn der Strom aus Kernkraftwerken oder erneuerbaren Quellen stammt.

Forscher suchen nach Möglichkeiten, die Giganten der Meere umweltfreundlicher zu machen. Im Bild: Die Ever Given ist eines der größten Containerschiffe der Welt und wurde bekannt dafür, dass sie im vergangenen März den Suezkanal tagelang verstopft hat.
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CO2 als Rohstoff?

Doch die Öko-Option ist vertrackt. "Große Mengen regenerativer Energie dürften künftig in Saudi-Arabien und Nordafrika erzeugt werden", sagt Alexander Dyck, Leiter des Instituts für Maritime Energiesysteme im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Geesthacht. "Dort gibt es aber viel Wüste und nur wenige Pflanzen – woher soll also der Kohlenstoff für Methanol kommen?" Die Alternative wäre, CO2 aus der Luft zu holen. "Das ist aber sehr energieintensiv und steigert nochmals die Kosten."

Das Kohlenstoffproblem umgeht, wer Ammoniak verwendet. Um ihn herzustellen, braucht es neben Wasserstoff nur Stickstoff aus der Luft. Auf der Plusseite stehen die Erfahrungen der Industrie im Umgang damit. Dagegen spricht, dass Ammoniak ätzend ist, sobald er mit Feuchtigkeit, etwa auf der Haut, reagiert. Eingeatmet kann er zu Atemstillstand führen. Glücklicherweise sind Lecks rasch an ihrem Geruch zu erkennen.

Die Qual der Wahl

Die dritte Option ist Wasserstoff, der in einer Brennstoffzelle umgesetzt wird, um Schiffe anzutreiben. Auch hier erscheinen Wasserstofftanker als logische Anwendungen, die den Weg für weitere Schiffstypen bereiten. Wasserstoff lässt sich aber noch schwerer in Tanks und Leitungen halten als Erdgas und ist noch leichter entzündlich. Daher ist viel Entwicklungsarbeit nötig, um den Treibstoff sicher handhaben zu können – so lautet das Fazit eines Firmenkonsortiums, das sich jüngst eingehend mit dem Thema befasst hat.

Welcher der drei Treibstoffe sich durchsetzen wird, kann derzeit keiner vorhersagen. Es sei sinnvoll, Schiffe so zu planen, dass sie umgerüstet werden können, meint der DLR-Experte Alexander Dyck. "Der Standard ist heute eine Bodenplatte, auf die man Motor und Welle setzt." Das sei billig, aber unflexibel, weil die Aggregate kaum zu wechseln sind. "Besser wäre es, Schiffe grundsätzlich zu elektrifizieren."

Optionen für die Zukunft

Die Schiffspropeller werden also von einem Elektromotor angetrieben, der den Strom von einem Generator bezieht. Dieser kann flexibel an Bord integriert und gegebenenfalls getauscht werden – je nachdem, ob er mit Methanol oder Ammoniak betrieben wird oder als Brennstoffzelle ausgelegt ist. "Das löst das Dilemma, sich auf einen bestimmten Antrieb festlegen zu müssen", erklärt Dyck. "Ich erkaufe mir damit weitere Optionen für die Zukunft." (Ralf Nestler, 10.1.2022)