Mit Gästen wie Ursula Strauss, Ernst Molden, dem Nino aus Wien und Voodoo Jürgens singt sich André Heller durch eine Tradition, die er mitgestaltete und erhalten wissen will.

Foto: Daniel Shaked

Auf der Geruchsebene glaubt man sich in einem teuren orientalischen Spa, betritt man André Hellers Wohnung am Franziskanerplatz. Geht man dann weiter in den Salon, in dem auch das Hauskonzert aufgenommen wurde, übernehmen die visuellen Stimuli. Da brechen die klassische Moderne inklusive Folgen auf einen herein – in Petersburger Hängung bedecken Miró, Warhol, Baselitz die Wände.

Es gäbe hier viel zu schauen, wenn die Augenpaare der Anwesenden nicht längst auf André Heller gerichtet wären, der mittlerweile in den Raum geschwebt ist. Es reicht ja auch, ihn anzuschauen, denn jedes Stück in der Wohnung spiegelt ohnehin nur einer Facette Hellers wider. In ihm steckt ganz Wien, glanzvoll, blümerant, intellektuell und gewieft, ein bisserl französisches "je ne sais quoi" und italienische Sprezzatura, Spiritualismus, Guruhaftigkeit und Geschäftssinn. Er mag es ja nicht sonderlich, sich Journalisten nach Hause einzuladen, sagt er. Vermutlich, weil sie dann so etwas schreiben. Gleichzeitig kann er so besser ein Auge auf sie haben. Vertrauen ist gut, Kontrolle besser.

Und es juckt ihn doch

Seit das Phänomen André Heller sich in den Siebzigern zuerst als Chansonnier und Liedermacher, später als Universalkünstler einen Namen gemacht hat, finden ihn die Menschen entweder prätentiös oder magisch. "Er kann schon zaubern auf eine Art", formuliert es der Nino aus Wien bei der Aufnahme des Hauskonzerts in den Heller-Hallen. Im Herbst wurde es dort aufgezeichnet, und ebendort wird es einigen wenigen Journalisten vorab gezeigt. Man sitzt also vor einem Bildschirm, darin ein singender Heller, während der echte Heller schweigend hinter einem sitzt und die Lage überwacht. Mal was anderes.

Hellers Hauskonzerte für ORF III wurden ursprünglich aus der Not der Pandemie heraus geboren, er lud Künstlerinnen und Künstler ein, damit diese im Salon aufspielten. Dass er auch selbst ein Konzert geben sollte, dazu musste er erst ordentlich bekniet werden.

Seit 1983 war er nicht im großen Rahmen aufgetreten, auch nicht, als 2019 nach langer Zeit sein Album Spätes Leuchten erschienen war. Seit er mir den Drogen aufgehört hatte, fiel es ihm, der sich immer wieder als "Angstkind" bezeichnet, schwer, den Entertainer auf einer Bühne zu geben, wie er erzählt. Robert Rotifer, der bereits Spätes Leuchten koproduzierte, stellte Heller junge Liedermacher wie den Nino aus Wien oder Voodoo Jürgens vor, eine Szene, die Heller davor nicht im Blick hatte. Irgendwann juckte es ihn dann doch.

Freilich hatte Heller seine Bedingungen. Das Konzert sollte nicht gesendet werden, wenn er damit nicht zufrieden wäre, außerdem wollte er es in Schwarz-Weiß ausgestrahlt wissen. Das passt gut, ist doch auch die Musikauswahl recht kontrastreich ausgefallen.

Mehr als Heller

"Zur Musik als Ausdrucksform greife ich, wenn es um Schmerz geht. Für die Freude habe ich andere Projekte wie den Zirkus, die Gärten", sagt Heller. Und so befinden sich einige Lieder des aktuellen Albums wie das wunderschöne Es gibt, Klassiker wie Wean, du bist a Taschenfeitl oder die bekannten ins Wienerische gebrachten Versionen von Bob Dylans Forever Young und Eric Claptons Tears in Heaven in der Auswahl. Mit seiner Interpretation des jiddischen Lieds Dem Milners Trern, dem Onkel Jakob und Leon Wolke als Hommage an den Holocaust-Überlebenden Leon Zelman gibt er jüdischer Identität, Geschichte und Erinnerung Platz.

Bald wird die Grenze von etwas, das man zuerst als Selbstbeweihräucherung (miss)verstehen kann, überschritten. Das Konzert löst sich von der (eigenen) Vergangenheit, öffnet sich in Richtung Zukunft. Es geht nicht mehr nur um Heller selbst, sondern um eine Tradition, die wie ein Erbe weitergegeben wird, damit die Nachkommenden es erhalten, sich aber auch daran abarbeiten, es weiter- und anders denken können.

Je länger das Konzert dauert, desto mehr gewinnt es an Festlichkeit, die so ein Überlieferungsakt auch verdient. Darin steckt mehr Können und Erfahrung als Zauberei, aber ein bisschen magisch ist es schon. (Amira Ben Saoud, 5.1.2022)