Abgeschaltet: das norddeutsche Atomkraftwerk Grohnde ist zum 31. Dezember vom Netz gegangen.
Foto: EPA / Focke Strangmann

"De Tijd" (Brüssel): Politischer Kompromiss

"Der lautstarke Protest von grünen Ministern in den Regierungen von Deutschland, Österreich und Luxemburg gegen das europäische grüne Label für Kernenergie ist allzu bequem. Deutschland hat für sich bereits entschieden, aus der Kernenergie auszusteigen. Österreich kann sich komfortabel auf Wasserkraftwerke stützen. Und Luxemburg kauft Elektrizität vor allem im Ausland ein. Mit welchem Recht lesen sie Ländern die Leviten, die sich in einer anderen Energiesituation befinden?"

"Lidové noviny" (Prag): Anderes Leben

"Ist Atomkraft emissionslos? Selbst Grundschulkinder können diese Frage mit Ja beantworten. Zwar entsteht Atommüll, aber es werden keine Abgase ausgestoßen, welche die Atmosphäre belasten würden. Dennoch hat es lange gedauert, bis sich auch die EU-Kommission zu dieser Antwort durchringen konnte.

Aus den ablehnenden Reaktionen des grünen Establishments in Österreich und Deutschland wird ersichtlich, worum es diesem eigentlich geht: nicht um die Vermeidung von Emissionen und eine Dekarbonisierung, sondern um die Umerziehung der Gesellschaft zu einem anderen Leben. Daher gilt es, rationale Argumente zu sammeln, um darzulegen, welche Risiken es birgt, sich allein auf Sonnen- und Windenergie zu verlassen."

"Neue Zürcher Zeitung": Nostalgische Symbolkämpfe

"Auch wenn die Technologie gemäß EU-Taxonomie als nützlicher Beitrag zum Klimaschutz gelten wird, ist die Gefahr gering, dass sie den Bau viel schneller realisierbarer Wind- und Solarkraftwerke in signifikantem Maße verdrängen wird. Mehr klimapolitischer Realismus statt nostalgischer Symbolkämpfe täte Europas Grünen gut."

"Politiken" (Kopenhagen): Teure Klimaziele

"Atomkraft in Dänemark ergibt keinen Sinn. Und es ist tatsächlich schwer vorstellbar, dass sie eine langfristige Rolle bei der europäischen Stromversorgung spielen könnte. Bedeutet das, dass die EU die Atomkraft in die fossile Pfui-Kiste werfen sollte? Nein. Es eilt, Klimaneutralität zu erreichen, und wir können es uns nicht leisten, potenziell aussichtsreiche Energiequellen abzuschreiben.

Aber die grüne Umstellung kostet Unternehmen und die Staatskasse ohnehin schon einen riesigen Milliardenbetrag. Es gibt keinen Grund, die notwendigen Klimaziele teurer zu machen, als sie bereits sind. Es gibt auch keinen Grund, Technologien grün zu waschen, die vermutlich nur in einer Übergangsphase brauchbar sind, wenn wir schon heute bewährte Methoden zur Herstellung von billiger grüner Energie haben."

"Wall Street Journal" (New York): Und das Weiße Haus?

"Dies ist der seltenste Fall in der Klimapolitik, in dem sich die Politik an der Energierealität ausrichtet. Wenn Umweltschützer meinen, dass es dringend notwendig sei, die CO2-Emissionen zu senken, ist Atomenergie die einzige weitverbreitete Energiequelle, die emissionsfrei und zuverlässiger ist als Wind- oder Solarenergie. In einer Welt, die noch lange nicht bereit ist, sich der fossilen Brennstoffe zu entwöhnen, sticht Erdgas als wesentlich emissionsärmer hervor als andere. (...)

Die neue EU-Taxonomie (...) weist Mängel auf. Ein großer ist die willkürliche Befristung von Investitionen in Atom- und Gaskraftwerke. Aber zumindest korrigiert Europa einige der Fehler seiner letzten Generation grüner Industriepolitik. Die Beendigung der regulatorischen Voreingenommenheit insbesondere gegenüber Erdgas wird für Ausgleich sorgen, nachdem Subventionen (...) für erneuerbare Energien Erdgas unwirtschaftlich gemacht und Investitionen in günstigere, aber schmutzigere Kohle gelenkt haben.

All dies hat Auswirkungen auf die USA, wo die Biden-Regierung immer noch fantasiert, dass Solar- und Windkraft bald alle fossilen Brennstoffe ersetzen können. Wenn Europa die Wahrheit zugeben kann, wie steht es dann um das Weiße Haus?" (APA, 4.1.2022)