Die Pandemie bewegt die Gemüter und wird sie weiterhin bewegen, gerade jetzt, wo die Welle wieder hochgeht. Die zahlreichen Leserreaktionen sprechen dabei nicht nur gesundheitliche Themen an, sondern auch politische und sozialpsychologische. Im Folgenden zwei Reaktionen, die vielleicht einen Einblick in die Sorgen und den Bewusstseinsstand mancher Bürger geben – und die Reaktionen des Autors darauf: Herr Bernhard S. schreibt: "Ich finde es nicht richtig, die Aussage von Herrn Kickl im Bezug auf das Medikament Ivermectin wieder mit dem Pferdewurmmittel in Verbindung zu bringen, da in der Medizin auch ein Medikament Ivermectin für den Menschen zugelassen ist und in einzelnen Staaten (...) mit Teilerfolg auch bei Corona-Infektionen zum Einsatz gekommen ist (…), bei uns existiert kein einheitlicher Corona-Notfall-Kit. Schon allein eine vom Land, Gesundheitsministerium oder Arzt zugesandte Checkliste oder ein Notfallplan mit Informationen über die Vorgehensweise bei Verschlechterung der Krankheit wäre eine psychologische Hilfe. Oder ein Anruf mit positivem Zuspruch."

Darauf meine Antwort: "Ihre Kritik, dass es kein einheitliches Merkblatt über Symptome, Verläufe, Risken usw. gibt, das man im Bedarfsfall aushändigen könnte, hat etwas für sich. Allerdings gibt es das online, zumindest in Wien: unter ‚Wien impft‘, aber auch auf der Website des Gesundheitsministeriums. Zu Kickl/Ivermectin: Das Medikament wird auch beim Menschen eingesetzt, vor allem gegen Krätze. Aber nicht gegen Covid. Diesbezügliche Versuche wurden abgebrochen bzw. haben sich die Studien, die das zu unterstützen scheinen, als gefälscht herausgestellt. Die Herstellerfirma selbst, aber auch die österreichische Gesundheitsagentur raten dringend vom Einsatz bei Covid ab. Kickl propagiert dieses Mittel entweder, weil er selbst an verrückte ‚alternative Heilmethoden‘ glaubt, oder, total zynisch, weil er die Sympathien von Verschwörungsgläubigen will."

Solidarität mit NS-Verharmlosern?
Foto: imago images/Willi Schewski

Frau Gertrude S. wiederum hat Verständnis für die Leute, die bei Demos mit dem Judenstern und der Aufschrift "Ungeimpft" herumgehen: "1938 – Ausschluss jüdischer Schüler*innen aus den Wiener öffentlichen Schulen (...) 2021 – in einer Grazer Schule sitzt Maria ganz hinten im Eck ganz allein, da sie als eine gegen Covid ungeimpfte Person keinen Kontakt zu den anderen halten soll (...), gegen Covid ungeimpfte Personen gelten als verseucht und müssen daher aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden."

Dazu meine Antwort: "Sie führen richtig an, dass die Verfolgung und Ermordung der Juden zunächst mit Brandmarkung und gesellschaftlicher Isolierung begonnen hat. Wenn Sie das trotzdem gleichsetzen mit den Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid, so ist das eine gefährliche und groteske Verfälschung. Die Juden wurden verfolgt, weil sie Juden waren – die Maßnahmen gegen Covid und vor allem gegenüber Ungeimpften haben eine Berechtigung, nämlich die Bekämpfung einer Pandemie. Vor allem aber führte die Judenverfolgung geplant und gewollt zu ihrer physischen Vernichtung. Sie werden nicht ernsthaft behaupten, dass dies auch bei den ‚Opfern‘ der Covid-Maßnahmen der Fall ist."

Das sind, wie gesagt, für zahlreiche Leserreaktionen repräsentative Beispiele. (Hans Rauscher, 4.1.2022)