Die neue Virusvariante wird demnächst auch in Österreich für Rekorde bei den Neuinfektionen sorgen.

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Ziemlich genau zwei Jahre nach dem Beginn der Pandemie ändert eine neue Variante auch bei uns das virale Geschehen und sorgt für neue Spielregeln: Omikron führt einerseits schneller zu sehr hohen Infektionszahlen. Andererseits sorgt die neue Mutante im Vergleich zu Delta zum Glück für weniger schwere Verläufe, was auch an der deutlich höheren Immunität der Bevölkerung durch Impfungen und überstandene Infektionen liegt.

Was in den letzten Tagen in vielen anderen Ländern der Welt zu beobachten war, wird in den nächsten Tagen auch in Österreich passieren, da Omikron mittlerweile auch bei uns dominant ist: Es wird zu neuen Höchstwerten bei den Infektionszahlen kommen. Bereits am Dienstag gab es einen Sprung auf knapp 5.500 Neuinfektionen; mit weiteren starken Zunahmen bei den Fallzahlen ist zu rechnen.

Schnellere Infektionen

Der Hauptgrund dafür dürfte darin liegen, dass Infektionen mit Omikron schneller verlaufen: Infizierte sind bereits nach zwei bis drei Tagen ansteckend. Zudem kann die neue Variante den Immunschutz besser umgehen als etwa Delta und damit auch Geimpfte und Genesene infizieren. Doch sowohl die Geimpften als auch die Infizierten scheinen relativ gut vor schweren Verläufen gefeit sein. Das gilt ganz besonders für jene Personen, die bereits geboostert sind.

Aktuelle Expertenschätzungen gehen deshalb von einer 50- bis 60-prozentigen Reduktion schwerer Verläufe aus, die im Spital behandelt werden müssen. Diese Zahlen sind allerdings noch mit Vorsicht zu genießen, da bis jetzt eher Jüngere infiziert sind. In den USA, wo Omikron ebenfalls dominant ist, stieg allein am Dienstag die Zahl der Hospitalisierten um rund 6.000 auf 105.000 an. Die höchste Zahl an CoV-Spitalspatienten betrug dort 130.000, das war noch vor den Impfungen.

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All das bedeutet unter dem Strich, dass die Strategien in der Pandemiebekämpfung neu adjustiert werden müssen, wie auch Forschende um Peter Klimek (Complexity Science Hub Vienna, CSH) in ihrem jüngsten Strategiepapier fordern. Darin skizzieren sie drei mögliche Strategien gegen die Omikron-Variante, die höhere Infektionszahlen zulässt, aber auch schnelleres Handeln verlangt: Wenn man sich allein an den Zahlen in den Intensivstationen orientiert, ist man bei Omikron heillos zu spät dran.

1. Containment und regelmäßig boostern

Die Infektionen eindämmen, so gut es geht, ist der Kern dieser Strategie. Das bedeutet, potenzielle Infektionswellen werden mit Maßnahmen wie vorbeugenden strengen Lockdowns, Maskentragen und anderen Maßnahmen gebrochen oder ganz verhindert. Und zwar so lange, bis durch die Impfung die gesamte Bevölkerung immunisiert ist. China etwa hat diesen Weg verfolgt, ebenso wie Australien und Neuseeland, die auf "Zero Covid" setzten.

Die beiden letztgenannten Länder rücken aber zunehmend von dieser Strategie ab, weil sie sich als nicht praktikabel erweist. Das liegt auch daran, dass die Impfungen nicht mehr so effektiv vor Infektionen mit Omikron schützen, wie das bei früheren Varianten noch der Fall war.

Für Österreich ist diese Vorgehensweise auch deshalb nicht umsetzbar, weil die Impfquote mit rund 73 Prozent zumindest doppelt geimpften Personen deutlich zu niedrig ist. Auch ist es bei Omikron wohl nicht möglich, die nächste Welle "wegzuboostern", wie das Strategiepapier betont. Das wäre bei Delta noch relativ gut möglich gewesen. Der Schutz vor Infektionen geht bei Omikron laut englischen Daten bereits nach zehn Wochen von über 70 Prozent auf 40 Prozent zurück.

Die Folge einer Containment-Strategie seien neue Impfbooster schon nach wenigen Monaten, also womöglich eine Impfdauerschleife. All das und die Möglichkeit weiterer Mutationen machen es zunehmend unwahrscheinlich, dass diese Vorgehensweise erfolgreich sein kann.

2. Abflachung mit Verzögerung der Infektionen

Das möglichst lange Hinauszögern potenzieller Infektionen und damit das Abflachen der Kurve ist das Ziel dieser Strategie. Das verhindert zwar nicht die Durchseuchung der Bevölkerung, das ist aber auch nicht das Ziel. Viel eher soll diese in einem Zeitrahmen passieren, der das Gesundheitssystem und seine Kapazitäten nicht an die Grenzen oder gar zum Kippen bringt. Diesen Weg ist Österreich bisher schon gegangen und wird ihn wohl auch weiter verfolgen.

Mit Omikron braucht es aber Änderungen in der Vorgehensweise, wie das CSH-Strategiepapier betont. Die Kapazitätsgrenzen müssen neu definiert werden. Denn eine Überlastung des Gesundheitssystems droht nicht allein durch eine Überbelegung der Intensivstationen. Es ist etwa zu bedenken, dass es auch beim Gesundheitspersonal zu vielen Ausfällen kommen wird. In England etwa konnten vergangene Woche wegen Omikron-Infektionen oder Quarantäne 68.000 Spitalsmitarbeiter nicht arbeiten. Das sind fünf Prozent der Krankenhausbelegschaft.

Definiert werden müssten diese neuen Kapazitätsgrenzen jetzt, also im Vorhinein, bevor es zu einer potenziellen Überlastung kommt. Da wir uns aber bereits in einem Lockdown für Ungeimpfte befinden, gibt es auf dieser Ebene nicht mehr viel Spielraum. Weitere Kontaktreduktion auch von Geimpften wäre wünschenswert. Unter den nichtpharmazeutischen Maßnahmen pochen Experten wie der Pharmakologe Markus Zeitlinger, die Virologin Dorothee von Laer oder der Molekularbiologe Ulrich Elling besonders auf das Tragen einer FFP2-Maske. Denn diese verhindert eine Übertragung sehr effizient.

3. Ohne Maßnahmen durchlaufen lassen

Eine Möglichkeit wäre natürlich auch, keine besonderen Maßnahmen mehr zu treffen, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Je nachdem, wie viele Schutzmaßnahmen die Bevölkerung eigenverantwortlich einhalten würde, wäre die Welle dann mehr oder weniger hoch, wie in dem Strategiepapier festgehalten wird. Das würde allerdings bedeuten, dass mehrere kritische Infrastrukturbereiche gefährdet wären, etwa weil bis zu 20 Prozent der Bevölkerung gleichzeitig durch Infektion oder Quarantäne ausfallen könnten.

In diesem Szenario würde es keine fixen Quarantäneregeln mehr geben; diese müssten dynamisch und antizyklisch an die Infektionszahlen angepasst werden. Das ist bereits in Italien der Fall, wo infiziertes Gesundheitspersonal ohne Symptome mit Maske arbeiten soll.

Ein Problem, das sich daraus ergeben könnte, sieht man derzeit in Großbritannien. Dort ist ein Drittel der Covid-Patienten nicht "wegen", sondern "mit" Covid hospitalisiert: Menschen haben sich im Krankenhaus angesteckt, weil Omikron nicht unter Kontrolle ist. Das führt zu zusätzlichen Ressourcenproblemen, weil immer öfter "Stationen in Stationen" geschaffen werden müssen, um Infizierte von den anderen Patienten zu trennen.

Ein "Durchlaufenlassen" würde der Pharmakologe Markus Zeitlinger in der jetzigen Situation nicht wagen: "Die Verläufe sind zwar milder. Aber halb so viele Krankenhausaufenthalte bedeuten bei hohen Infektionszahlen immer noch eine rasche Systemüberlastung." (Pia Kruckenhauser, Klaus Taschwer, 5.1.2022)